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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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da mit 20 Kriegsschiffen in das Meer hinaus. Wassermangel zwang ihn
aber, wieder dem Lande zuzusteuern. Hier wurde seine Flotte von der feind¬
lichen überfallen und verbrannt. Er selbst, dessen Flucht außer den Wunden
noch eine Fußverrenkung lähmte, wurde nach 24 Stunden auf einem Berge
umzingelt und am 12. April 43 v. Chr. niedergestoßen.

Cnejus hatte einen heftigen, zur Härte neigenden Charakter und war
entschieden weniger befähigt als sein Bruder. Cicero schreibt sogar über ihn
während des spanischen Kriegs an Cassius: "Bei meinem Leben, ich bin in
Sorgen und will lieber den alten, milden Herrn behalten, als es mit einem
neuen, grausamen versuchen. Du weißt, was für ein Narr Cnejus ist; du
weißt, wie er die Grausamkeit für eine Tugend hält; du weißt, wie sehr er
überzeugt ist, daß ich ihn immer lächerlich gemacht habe. Ich fürchte nur,
es möchte ihm beikommen, mich dafür in grober Weise mit dem Degen zu
kitzeln." Die Verwunderung über dieses harte Urtheil des eifrigen Pompeja-
ners wird freilich bedeutend gemindert, wenn man hört, daß Cicero im Kriegs¬
rathe zu Korfu, wo er nach der Niederlage bei Pharsalus die angebotene
Anführerstelle ausschlug und zum Niederlegen der Waffen rieth, nur durch
Cato's Dazwischentreten vor dem Degen des hitzigen Cnejus Pompejus ge¬
rettet worden war! Als es dagegen galt, den jüngeren Bruder für die Se¬
natspartei zu gewinnen, sprach derselbe in seiner fünften Rede gegen Antonius
die Worte: "Traurig war damals das Schicksal des römischen Volks. Nach¬
dem Pompejus, der Vater, der eine Leuchte des römischen Reichs gebildet
hatte, gefallen war, wurde auch der dem Vater so ähnliche Sohn getödtet."
An derselben Stelle nennt Cicero den Sextus "die größte Zierde der Repu¬
blik." Wie grell sticht aber hiervon die Charakteristik des Vellejus Paterculus
ab! "Dieser junge Mann," sagt er, "war ohne alle wissenschaftliche Bildung,
ungeschliffen in seiner Ausdrucksweise, unternehmend, tapfer, schnell im Ueber¬
legen, an Zuverlässigkeit seinem Vater ganz unähnlich, der Freigelassene seiner
Freigelassenen, der Sclave seiner Sclaven, die Ausgezeichneten bereitend, um
den Niedrigsten zu gehorchen." Der höfische Geschichtsschreiber zeigt in dieser
Auslassung offenbare Rücksicht auf den Kaiser Augustus, als den bittern
Feind des Sextus Pompejus. Und wenn auch Manches, was diesem von
ihm vorgeworfen wird, sich als keineswegs unwahr erweist, so möchte man
doch gleich hier mit Recht zweifeln, ob Sextus von Anfang an so ungebildet
gewesen sei und ob nicht vielmehr das rauhe Kriegsleben den weiteren Dienst
der Musen bei ihm völlig gehindert habe.

Uebrigens stand Sextus bereits im dreißigsten Lebensjahre, als er nach
der Schlacht bei Munda in Lacetanien vor seinen Verfolgern Schutz fand.
Nach dem Abzüge Cäsars blieb nur eine unbedeutende Truppenmacht im süd¬
westlichen Spanien stehen, und bald begann Pompejus, von den seiner Faul-


da mit 20 Kriegsschiffen in das Meer hinaus. Wassermangel zwang ihn
aber, wieder dem Lande zuzusteuern. Hier wurde seine Flotte von der feind¬
lichen überfallen und verbrannt. Er selbst, dessen Flucht außer den Wunden
noch eine Fußverrenkung lähmte, wurde nach 24 Stunden auf einem Berge
umzingelt und am 12. April 43 v. Chr. niedergestoßen.

Cnejus hatte einen heftigen, zur Härte neigenden Charakter und war
entschieden weniger befähigt als sein Bruder. Cicero schreibt sogar über ihn
während des spanischen Kriegs an Cassius: „Bei meinem Leben, ich bin in
Sorgen und will lieber den alten, milden Herrn behalten, als es mit einem
neuen, grausamen versuchen. Du weißt, was für ein Narr Cnejus ist; du
weißt, wie er die Grausamkeit für eine Tugend hält; du weißt, wie sehr er
überzeugt ist, daß ich ihn immer lächerlich gemacht habe. Ich fürchte nur,
es möchte ihm beikommen, mich dafür in grober Weise mit dem Degen zu
kitzeln." Die Verwunderung über dieses harte Urtheil des eifrigen Pompeja-
ners wird freilich bedeutend gemindert, wenn man hört, daß Cicero im Kriegs¬
rathe zu Korfu, wo er nach der Niederlage bei Pharsalus die angebotene
Anführerstelle ausschlug und zum Niederlegen der Waffen rieth, nur durch
Cato's Dazwischentreten vor dem Degen des hitzigen Cnejus Pompejus ge¬
rettet worden war! Als es dagegen galt, den jüngeren Bruder für die Se¬
natspartei zu gewinnen, sprach derselbe in seiner fünften Rede gegen Antonius
die Worte: „Traurig war damals das Schicksal des römischen Volks. Nach¬
dem Pompejus, der Vater, der eine Leuchte des römischen Reichs gebildet
hatte, gefallen war, wurde auch der dem Vater so ähnliche Sohn getödtet."
An derselben Stelle nennt Cicero den Sextus „die größte Zierde der Repu¬
blik." Wie grell sticht aber hiervon die Charakteristik des Vellejus Paterculus
ab! „Dieser junge Mann," sagt er, „war ohne alle wissenschaftliche Bildung,
ungeschliffen in seiner Ausdrucksweise, unternehmend, tapfer, schnell im Ueber¬
legen, an Zuverlässigkeit seinem Vater ganz unähnlich, der Freigelassene seiner
Freigelassenen, der Sclave seiner Sclaven, die Ausgezeichneten bereitend, um
den Niedrigsten zu gehorchen." Der höfische Geschichtsschreiber zeigt in dieser
Auslassung offenbare Rücksicht auf den Kaiser Augustus, als den bittern
Feind des Sextus Pompejus. Und wenn auch Manches, was diesem von
ihm vorgeworfen wird, sich als keineswegs unwahr erweist, so möchte man
doch gleich hier mit Recht zweifeln, ob Sextus von Anfang an so ungebildet
gewesen sei und ob nicht vielmehr das rauhe Kriegsleben den weiteren Dienst
der Musen bei ihm völlig gehindert habe.

Uebrigens stand Sextus bereits im dreißigsten Lebensjahre, als er nach
der Schlacht bei Munda in Lacetanien vor seinen Verfolgern Schutz fand.
Nach dem Abzüge Cäsars blieb nur eine unbedeutende Truppenmacht im süd¬
westlichen Spanien stehen, und bald begann Pompejus, von den seiner Faul-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/13>, abgerufen am 24.07.2024.