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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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das Erbrecht nur den Fehler, die Aristokratien zu verewigen, deren Ausgangs¬
punkt es ist, indem es einer müssiggängerischen, schmarotzenden Minderheit
die Früchte der Collectivarbeit überliefert, so wäre das schon reichlich genü¬
gend, um es aus unsrer künftigen Organisation zu streichen. Allein das ist
nicht Alles : Das Erbrecht ist die Sklavenkette der Völker." (ÜMlit6, Nummer
vom 12. Juni 1869.)

Und in einem andern Artikel lesen wir: "Wenn Eltern rühriger und
geistig begabter als andere, einiges Vermögen zusammengebracht hätten und,
indem sie es ihren Kindern vermachten, für dieselben ein besonderes Privile¬
gium schaffen könnten, so würde die Solidarität ins Herz getroffen werden,"
(?r0gros an I^oelg, Nummer vom 29. Januar 1870.)

Die Gründer der Internationale hatten anfänglich von dem Programm
der Verbindung die politischen und religiösen Fragen fern gehalten, nicht
deshalb etwa, so beeilten sie sich zu sagen, weil sie selbst keine sehr entschie¬
den ausgeprägten antireligiösen Meinungen hätten, sondern weil sie die Arbei¬
ter noch mehr zu theilen fürchteten, wenn sie "die Fahnen eines politischen
oder antireligiösen Systems auszogen," und ferner, "aus Rücksicht auf die
unter den Arbeitermassen verbreiteten Vorstellungen, die ihnen von der eigen¬
nützigen und bestochenen Propaganda der Priester, der Regierungen und der
politischen Parteien mit Einschluß selbst der röthesten eingepflanzt worden
sind." (1,'Inloi-inrtiong.Ig vom S. September 1869.)

Diese kluge Zurückhaltung in Betreff der religiösen Ideen und der poli¬
tischen Fragen dauerte aber nicht lange. Auf dem Congreß, der im Jahre
^868 zu Brüssel stattfand, rief einer der hervorragendsten und einflußreichsten
Redner des Bundes aus: "Wir wollen keine Regierungen mehr; denn die
Regierungen erdrücken uns mit Steuern; wir wollen keine Armeen mehr;
den" die Armeen metzeln uns nieder; wir wollen keine Religionen mehr; denn
^e Religionen ersticken die Intelligenz." (Vgl. den im Journal ?Lup1o
i^lM Seite 50 enthaltenen Bericht über den Brüsseler Congreß.)

Im Verlaufe der Zeit entwickelten und befestigten sich die verderblichen
Lehren dieser modernen Herostrate immer mehr. Im Jahre 1869 sprach das
Programm einer ihrer Sectionen, derjenigen der demokratisch-socialistischen
Allianz zu Genf, die Zielpunkte dieser vorgeblichen Heilande des gegenwärti¬
gen Proletariats in ihrer ganzen empörenden Roheit aus. Wir citiren den
"Wellen Text nach der Solidarirö vom 11. April 1869 (mitgetheilt bei
Testut, Seite 28):

"Die Verbindung erklärt sich für atheistisch. Sie will die Abschaffung
der Culte, die Ersetzung des Glaubens durch das Wissen, der göttlichen Ge¬
rechtigkeit durch die menschliche, die Abschaffung der Ehe als politischer, reli¬
giöser, rechtlicher und bürgerlicher Einrichtung. Sie will die endgültige und


das Erbrecht nur den Fehler, die Aristokratien zu verewigen, deren Ausgangs¬
punkt es ist, indem es einer müssiggängerischen, schmarotzenden Minderheit
die Früchte der Collectivarbeit überliefert, so wäre das schon reichlich genü¬
gend, um es aus unsrer künftigen Organisation zu streichen. Allein das ist
nicht Alles : Das Erbrecht ist die Sklavenkette der Völker." (ÜMlit6, Nummer
vom 12. Juni 1869.)

Und in einem andern Artikel lesen wir: „Wenn Eltern rühriger und
geistig begabter als andere, einiges Vermögen zusammengebracht hätten und,
indem sie es ihren Kindern vermachten, für dieselben ein besonderes Privile¬
gium schaffen könnten, so würde die Solidarität ins Herz getroffen werden,"
(?r0gros an I^oelg, Nummer vom 29. Januar 1870.)

Die Gründer der Internationale hatten anfänglich von dem Programm
der Verbindung die politischen und religiösen Fragen fern gehalten, nicht
deshalb etwa, so beeilten sie sich zu sagen, weil sie selbst keine sehr entschie¬
den ausgeprägten antireligiösen Meinungen hätten, sondern weil sie die Arbei¬
ter noch mehr zu theilen fürchteten, wenn sie „die Fahnen eines politischen
oder antireligiösen Systems auszogen," und ferner, „aus Rücksicht auf die
unter den Arbeitermassen verbreiteten Vorstellungen, die ihnen von der eigen¬
nützigen und bestochenen Propaganda der Priester, der Regierungen und der
politischen Parteien mit Einschluß selbst der röthesten eingepflanzt worden
sind." (1,'Inloi-inrtiong.Ig vom S. September 1869.)

Diese kluge Zurückhaltung in Betreff der religiösen Ideen und der poli¬
tischen Fragen dauerte aber nicht lange. Auf dem Congreß, der im Jahre
^868 zu Brüssel stattfand, rief einer der hervorragendsten und einflußreichsten
Redner des Bundes aus: „Wir wollen keine Regierungen mehr; denn die
Regierungen erdrücken uns mit Steuern; wir wollen keine Armeen mehr;
den» die Armeen metzeln uns nieder; wir wollen keine Religionen mehr; denn
^e Religionen ersticken die Intelligenz." (Vgl. den im Journal ?Lup1o
i^lM Seite 50 enthaltenen Bericht über den Brüsseler Congreß.)

Im Verlaufe der Zeit entwickelten und befestigten sich die verderblichen
Lehren dieser modernen Herostrate immer mehr. Im Jahre 1869 sprach das
Programm einer ihrer Sectionen, derjenigen der demokratisch-socialistischen
Allianz zu Genf, die Zielpunkte dieser vorgeblichen Heilande des gegenwärti¬
gen Proletariats in ihrer ganzen empörenden Roheit aus. Wir citiren den
"Wellen Text nach der Solidarirö vom 11. April 1869 (mitgetheilt bei
Testut, Seite 28):

„Die Verbindung erklärt sich für atheistisch. Sie will die Abschaffung
der Culte, die Ersetzung des Glaubens durch das Wissen, der göttlichen Ge¬
rechtigkeit durch die menschliche, die Abschaffung der Ehe als politischer, reli¬
giöser, rechtlicher und bürgerlicher Einrichtung. Sie will die endgültige und


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[0115] das Erbrecht nur den Fehler, die Aristokratien zu verewigen, deren Ausgangs¬ punkt es ist, indem es einer müssiggängerischen, schmarotzenden Minderheit die Früchte der Collectivarbeit überliefert, so wäre das schon reichlich genü¬ gend, um es aus unsrer künftigen Organisation zu streichen. Allein das ist nicht Alles : Das Erbrecht ist die Sklavenkette der Völker." (ÜMlit6, Nummer vom 12. Juni 1869.) Und in einem andern Artikel lesen wir: „Wenn Eltern rühriger und geistig begabter als andere, einiges Vermögen zusammengebracht hätten und, indem sie es ihren Kindern vermachten, für dieselben ein besonderes Privile¬ gium schaffen könnten, so würde die Solidarität ins Herz getroffen werden," (?r0gros an I^oelg, Nummer vom 29. Januar 1870.) Die Gründer der Internationale hatten anfänglich von dem Programm der Verbindung die politischen und religiösen Fragen fern gehalten, nicht deshalb etwa, so beeilten sie sich zu sagen, weil sie selbst keine sehr entschie¬ den ausgeprägten antireligiösen Meinungen hätten, sondern weil sie die Arbei¬ ter noch mehr zu theilen fürchteten, wenn sie „die Fahnen eines politischen oder antireligiösen Systems auszogen," und ferner, „aus Rücksicht auf die unter den Arbeitermassen verbreiteten Vorstellungen, die ihnen von der eigen¬ nützigen und bestochenen Propaganda der Priester, der Regierungen und der politischen Parteien mit Einschluß selbst der röthesten eingepflanzt worden sind." (1,'Inloi-inrtiong.Ig vom S. September 1869.) Diese kluge Zurückhaltung in Betreff der religiösen Ideen und der poli¬ tischen Fragen dauerte aber nicht lange. Auf dem Congreß, der im Jahre ^868 zu Brüssel stattfand, rief einer der hervorragendsten und einflußreichsten Redner des Bundes aus: „Wir wollen keine Regierungen mehr; denn die Regierungen erdrücken uns mit Steuern; wir wollen keine Armeen mehr; den» die Armeen metzeln uns nieder; wir wollen keine Religionen mehr; denn ^e Religionen ersticken die Intelligenz." (Vgl. den im Journal ?Lup1o i^lM Seite 50 enthaltenen Bericht über den Brüsseler Congreß.) Im Verlaufe der Zeit entwickelten und befestigten sich die verderblichen Lehren dieser modernen Herostrate immer mehr. Im Jahre 1869 sprach das Programm einer ihrer Sectionen, derjenigen der demokratisch-socialistischen Allianz zu Genf, die Zielpunkte dieser vorgeblichen Heilande des gegenwärti¬ gen Proletariats in ihrer ganzen empörenden Roheit aus. Wir citiren den "Wellen Text nach der Solidarirö vom 11. April 1869 (mitgetheilt bei Testut, Seite 28): „Die Verbindung erklärt sich für atheistisch. Sie will die Abschaffung der Culte, die Ersetzung des Glaubens durch das Wissen, der göttlichen Ge¬ rechtigkeit durch die menschliche, die Abschaffung der Ehe als politischer, reli¬ giöser, rechtlicher und bürgerlicher Einrichtung. Sie will die endgültige und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/115>, abgerufen am 24.07.2024.