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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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nach dem politischen Gebiete gravitirt, einen Staat neben oder in dem Staate,
oder, gleich der katholischen Kirche in ihrer ultramontanen Gestalt, über dem
Staate zu bilden strebt. Aber bei der Internationale handelte es sich von
Anfang an nicht um Staatsformen, nicht um Monarchie, Republik oder
Theokratie, nicht um Reform unsrer Institutionen in mehr oder minder radi¬
kalen Sinne, sondern um eine Verschwörung gegen die Besitzenden und gegen
alle göttlichen und menschlichen Gesetze, auf denen die moderne Gesellschaft
beruht.

Das Glaubensbekenntniß der Internationale hat zur Basis den Atheis¬
mus und Communismus, zum Ziele die Vernichtung des Capitals und des
persönlichen Eigenthums, zum Mittel die Gewalt der rohen Massen. Sie
fordert die directe Gesetzgebung durch das Volk, die Abschaffung des indivi¬
duellen Erbrechts für Capitalien und Arbeitswerkzeuge, die Ueberweisung des
Grund und Bodens an den Gesammtbefitz.

"Der Bund erklärt sich," so sagt der Londoner Generalrats, der sich im
Juli 1869 constituirte, "sür atheistisch, er will Abschaffung des Gottesdienstes,
Ersetzung des Glaubens durch die Wissenschaft, der göttlichen Gerechtigkeit
durch die menschliche, die Beseitigung der Ehe. Er verlangt vor Allem die
Aufhebung des Erbrechts, damit in Zukunft der Genuß eines Jeden der
Production eines Jeden entspreche."

"Wir wollen," so äußert sich ferner einer der Publicisten dieser Gesell¬
schaft zum Umsturz des gegenwärtigen socialen Zustandes, "die Freiheit Aller
und die Gleichheit Aller, und unter der socialen Revolution verstehen wir
nicht ein miserables Unternehmen zu Gunsten der alten Finsterniß gewagt. Die
Revolution bedeutet die vollständige Zerstörung der bürgerlichen Einrichtungen
und deren Ersetzung durch andere. Was wir wollen, das ist eine Nacht des
4. August 1789. Die Radicalen der politischen Parteien, selbst die vorge¬
schrittensten, wollen einfach das gesellschaftliche Gebäude neu austapeziren,
ohne an seine gegenwärtigen Grundlagen die Hand zu legen. Wir aber
wollen reinen Tisch machen und Alles neu aufbauen." (I'rogrös co I^vais,
Nummer vom 29. Januar 1870.)

Auf einem ihrer ersten Congresse, demjenigen zu Basel, behauptete man,
daß das Eigenthum "die Entwickelung der Gesellschaft lähme und die Unge¬
rechtigkeit und Ungleichheit heilige," und der Congreß erklärte: "Die Gesell¬
schaft hat das Recht, das individuelle Eigenthum am Grund und Boden auf¬
zuheben und es der Gemeinschaft wieder zu verleihen, 2) es ist nothwendig,
das Eigenthum am Grund und Boden wieder in Collectiveigenthum zu ver¬
wandeln." (Oskar Testut, Association intörn^tionalv clvs tmvlülleurs,
Seite 11.)

Zu derselben Zeit schrieb einer der Schriftsteller des Bundes: "Hätte


nach dem politischen Gebiete gravitirt, einen Staat neben oder in dem Staate,
oder, gleich der katholischen Kirche in ihrer ultramontanen Gestalt, über dem
Staate zu bilden strebt. Aber bei der Internationale handelte es sich von
Anfang an nicht um Staatsformen, nicht um Monarchie, Republik oder
Theokratie, nicht um Reform unsrer Institutionen in mehr oder minder radi¬
kalen Sinne, sondern um eine Verschwörung gegen die Besitzenden und gegen
alle göttlichen und menschlichen Gesetze, auf denen die moderne Gesellschaft
beruht.

Das Glaubensbekenntniß der Internationale hat zur Basis den Atheis¬
mus und Communismus, zum Ziele die Vernichtung des Capitals und des
persönlichen Eigenthums, zum Mittel die Gewalt der rohen Massen. Sie
fordert die directe Gesetzgebung durch das Volk, die Abschaffung des indivi¬
duellen Erbrechts für Capitalien und Arbeitswerkzeuge, die Ueberweisung des
Grund und Bodens an den Gesammtbefitz.

„Der Bund erklärt sich," so sagt der Londoner Generalrats, der sich im
Juli 1869 constituirte, „sür atheistisch, er will Abschaffung des Gottesdienstes,
Ersetzung des Glaubens durch die Wissenschaft, der göttlichen Gerechtigkeit
durch die menschliche, die Beseitigung der Ehe. Er verlangt vor Allem die
Aufhebung des Erbrechts, damit in Zukunft der Genuß eines Jeden der
Production eines Jeden entspreche."

„Wir wollen," so äußert sich ferner einer der Publicisten dieser Gesell¬
schaft zum Umsturz des gegenwärtigen socialen Zustandes, „die Freiheit Aller
und die Gleichheit Aller, und unter der socialen Revolution verstehen wir
nicht ein miserables Unternehmen zu Gunsten der alten Finsterniß gewagt. Die
Revolution bedeutet die vollständige Zerstörung der bürgerlichen Einrichtungen
und deren Ersetzung durch andere. Was wir wollen, das ist eine Nacht des
4. August 1789. Die Radicalen der politischen Parteien, selbst die vorge¬
schrittensten, wollen einfach das gesellschaftliche Gebäude neu austapeziren,
ohne an seine gegenwärtigen Grundlagen die Hand zu legen. Wir aber
wollen reinen Tisch machen und Alles neu aufbauen." (I'rogrös co I^vais,
Nummer vom 29. Januar 1870.)

Auf einem ihrer ersten Congresse, demjenigen zu Basel, behauptete man,
daß das Eigenthum „die Entwickelung der Gesellschaft lähme und die Unge¬
rechtigkeit und Ungleichheit heilige," und der Congreß erklärte: „Die Gesell¬
schaft hat das Recht, das individuelle Eigenthum am Grund und Boden auf¬
zuheben und es der Gemeinschaft wieder zu verleihen, 2) es ist nothwendig,
das Eigenthum am Grund und Boden wieder in Collectiveigenthum zu ver¬
wandeln." (Oskar Testut, Association intörn^tionalv clvs tmvlülleurs,
Seite 11.)

Zu derselben Zeit schrieb einer der Schriftsteller des Bundes: „Hätte


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[0114] nach dem politischen Gebiete gravitirt, einen Staat neben oder in dem Staate, oder, gleich der katholischen Kirche in ihrer ultramontanen Gestalt, über dem Staate zu bilden strebt. Aber bei der Internationale handelte es sich von Anfang an nicht um Staatsformen, nicht um Monarchie, Republik oder Theokratie, nicht um Reform unsrer Institutionen in mehr oder minder radi¬ kalen Sinne, sondern um eine Verschwörung gegen die Besitzenden und gegen alle göttlichen und menschlichen Gesetze, auf denen die moderne Gesellschaft beruht. Das Glaubensbekenntniß der Internationale hat zur Basis den Atheis¬ mus und Communismus, zum Ziele die Vernichtung des Capitals und des persönlichen Eigenthums, zum Mittel die Gewalt der rohen Massen. Sie fordert die directe Gesetzgebung durch das Volk, die Abschaffung des indivi¬ duellen Erbrechts für Capitalien und Arbeitswerkzeuge, die Ueberweisung des Grund und Bodens an den Gesammtbefitz. „Der Bund erklärt sich," so sagt der Londoner Generalrats, der sich im Juli 1869 constituirte, „sür atheistisch, er will Abschaffung des Gottesdienstes, Ersetzung des Glaubens durch die Wissenschaft, der göttlichen Gerechtigkeit durch die menschliche, die Beseitigung der Ehe. Er verlangt vor Allem die Aufhebung des Erbrechts, damit in Zukunft der Genuß eines Jeden der Production eines Jeden entspreche." „Wir wollen," so äußert sich ferner einer der Publicisten dieser Gesell¬ schaft zum Umsturz des gegenwärtigen socialen Zustandes, „die Freiheit Aller und die Gleichheit Aller, und unter der socialen Revolution verstehen wir nicht ein miserables Unternehmen zu Gunsten der alten Finsterniß gewagt. Die Revolution bedeutet die vollständige Zerstörung der bürgerlichen Einrichtungen und deren Ersetzung durch andere. Was wir wollen, das ist eine Nacht des 4. August 1789. Die Radicalen der politischen Parteien, selbst die vorge¬ schrittensten, wollen einfach das gesellschaftliche Gebäude neu austapeziren, ohne an seine gegenwärtigen Grundlagen die Hand zu legen. Wir aber wollen reinen Tisch machen und Alles neu aufbauen." (I'rogrös co I^vais, Nummer vom 29. Januar 1870.) Auf einem ihrer ersten Congresse, demjenigen zu Basel, behauptete man, daß das Eigenthum „die Entwickelung der Gesellschaft lähme und die Unge¬ rechtigkeit und Ungleichheit heilige," und der Congreß erklärte: „Die Gesell¬ schaft hat das Recht, das individuelle Eigenthum am Grund und Boden auf¬ zuheben und es der Gemeinschaft wieder zu verleihen, 2) es ist nothwendig, das Eigenthum am Grund und Boden wieder in Collectiveigenthum zu ver¬ wandeln." (Oskar Testut, Association intörn^tionalv clvs tmvlülleurs, Seite 11.) Zu derselben Zeit schrieb einer der Schriftsteller des Bundes: „Hätte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/114>, abgerufen am 24.07.2024.