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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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können, und daß die Verwendung der vereinigten Mittel künftighin nur
öffentlich, unter vieläugiger Controle geschehen kann.

Sollen wir uns einen Vorschlag erlauben, so würden wir rathen,
von jenen frei werdenden 350,000 Mark gar nichts, oder höchstens einen
kleinen Theil unmittelbar zu Unterstützungszwecken zu verwenden. Das
Gerathenste wäre gewiß, das Stiftungsvermögen so weit thunlich zu reali-
siren, und damit Anstalten in's Leben zu rufen, die es auf Verhütung
von Armuth, auf die Verbreitung von Wohlstand bis in die untersten
Schichten der Bevölkerung absehen. Was könnte mit einem nur kleinen
Theile des Vermögens, welches hier in Frage kommt, allein schon zur Ver¬
besserung der Wohnungsverhältnisse der ärmeren Klassen der Bevölkerung er¬
reicht werden! So angelegt bliebe selbst der Vermögensstamm unangetastet.
Ja er wüchse. Denn andere Vortheile, als in der zweckmäßigen, gesunden
Wohnung und in dem billigeren Massenbau liegen, dürften den Bewohnern
natürlich nicht zugewendet werden. Sie müßten das Baucapital angemessen
verzinsen; sie müßten die Häuser zu Eigen erwerben können.

Zunächst freilich würde entweder nur ein Theil des Jahresertrages der
gesammten Stiftungsvermögen frei werden, oder aber es müßte auf einen
nicht unerheblichen Theil dieser letzteren selbst von Seiten des Staates zu
Gunsten gewisser wohlerworbener Rechte verzichtet werden. Denn darüber ist
der Ausschuß keinen Augenblick in Zweifel, daß zwar vom Tage des gefaßten
Beschlusses keine Anwartschaften auf Stiftungsbezüge mehr verliehen werden
dürfen, daß aber der Staat nicht nur die bisher erworbenen Renten fort¬
zahlen muß wie sie bisher gezahlt sind, daß er nicht nur die Freiwohnungen
offen zu halten hat, soweit nicht die Berechtigten vorziehen sollten, die¬
selben mit einer angemessenen, ihnen als Rente zu gewährenden Entschädi¬
gung zu vertauschen, fondern daß auch einmal begründete Erpectanzen auf
zukünftig zu erwerbende Rechte gegen volle Entschädigung abgelöst werden
müssen. Dem Berichte ist eine Berechnung des Betrages beigegeben, welcher
erforderlich fein würde, um die am Se. Johanniskloster mit Vortheilsgenuß
oder Northeilsansvrüchen Betheiligten zu entschädigen. Bei Capitalentschädi¬
gung wären für diesen Zweck von dem etwa Millionen betragenden Ver¬
mögen des Klosters beinahe 2 Millionen Bco. Mark nöthig. Aber, wenn
von dem Gesammtvermögen der anderen sechs fraglichen Hamburger Stif¬
tungen zu Entschädigungszwecken auch verhältnißmäßig gleiche Abzüge ge¬
macht werden müßten -- der Rest wäre immer noch groß genug, daß Großes
geschaffen, vielem Unheil vorgebeugt, viel Noth im Entstehen beseitigt wer¬
den könnte.

Möge die Hamburgische Gesetzgebung nicht zögern, dem Antrag des Aus¬
L. schusses die Sanction zu ertheilen!




können, und daß die Verwendung der vereinigten Mittel künftighin nur
öffentlich, unter vieläugiger Controle geschehen kann.

Sollen wir uns einen Vorschlag erlauben, so würden wir rathen,
von jenen frei werdenden 350,000 Mark gar nichts, oder höchstens einen
kleinen Theil unmittelbar zu Unterstützungszwecken zu verwenden. Das
Gerathenste wäre gewiß, das Stiftungsvermögen so weit thunlich zu reali-
siren, und damit Anstalten in's Leben zu rufen, die es auf Verhütung
von Armuth, auf die Verbreitung von Wohlstand bis in die untersten
Schichten der Bevölkerung absehen. Was könnte mit einem nur kleinen
Theile des Vermögens, welches hier in Frage kommt, allein schon zur Ver¬
besserung der Wohnungsverhältnisse der ärmeren Klassen der Bevölkerung er¬
reicht werden! So angelegt bliebe selbst der Vermögensstamm unangetastet.
Ja er wüchse. Denn andere Vortheile, als in der zweckmäßigen, gesunden
Wohnung und in dem billigeren Massenbau liegen, dürften den Bewohnern
natürlich nicht zugewendet werden. Sie müßten das Baucapital angemessen
verzinsen; sie müßten die Häuser zu Eigen erwerben können.

Zunächst freilich würde entweder nur ein Theil des Jahresertrages der
gesammten Stiftungsvermögen frei werden, oder aber es müßte auf einen
nicht unerheblichen Theil dieser letzteren selbst von Seiten des Staates zu
Gunsten gewisser wohlerworbener Rechte verzichtet werden. Denn darüber ist
der Ausschuß keinen Augenblick in Zweifel, daß zwar vom Tage des gefaßten
Beschlusses keine Anwartschaften auf Stiftungsbezüge mehr verliehen werden
dürfen, daß aber der Staat nicht nur die bisher erworbenen Renten fort¬
zahlen muß wie sie bisher gezahlt sind, daß er nicht nur die Freiwohnungen
offen zu halten hat, soweit nicht die Berechtigten vorziehen sollten, die¬
selben mit einer angemessenen, ihnen als Rente zu gewährenden Entschädi¬
gung zu vertauschen, fondern daß auch einmal begründete Erpectanzen auf
zukünftig zu erwerbende Rechte gegen volle Entschädigung abgelöst werden
müssen. Dem Berichte ist eine Berechnung des Betrages beigegeben, welcher
erforderlich fein würde, um die am Se. Johanniskloster mit Vortheilsgenuß
oder Northeilsansvrüchen Betheiligten zu entschädigen. Bei Capitalentschädi¬
gung wären für diesen Zweck von dem etwa Millionen betragenden Ver¬
mögen des Klosters beinahe 2 Millionen Bco. Mark nöthig. Aber, wenn
von dem Gesammtvermögen der anderen sechs fraglichen Hamburger Stif¬
tungen zu Entschädigungszwecken auch verhältnißmäßig gleiche Abzüge ge¬
macht werden müßten — der Rest wäre immer noch groß genug, daß Großes
geschaffen, vielem Unheil vorgebeugt, viel Noth im Entstehen beseitigt wer¬
den könnte.

Möge die Hamburgische Gesetzgebung nicht zögern, dem Antrag des Aus¬
L. schusses die Sanction zu ertheilen!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/77>, abgerufen am 21.10.2024.