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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Willen durch die Macht der Elemente in unsern Machtbereich getrieben wer¬
den. Dasselbe würde gelten, wenn das Luftschiff nicht abwärts, sondern
seitwärts aus einem Cours geworfen wird, der unser Machtgebiet unberührt
lassen sollte.

Niemand kann sich darüber täuschen, daß der Beweis der Thatsachen,
durch welche nach diesen Entwickelungen unsere Strafbefugnis) bedingt ist,
häufig eine sehr schwierige Aufgabe bleiben, ohne das Zusammenwirken aero¬
nautischer und artilleristischer Kenntnisse nicht herzustellen sein und trotzdem
leicht in einem ,,non Iiqut?t" sich verlieren wird. Allein die Erschwerung des
Beweises kann wohl die Anwendung des Rechtssatzes beeinflussen, nicht aber
für ein Argument gegen dessen Existenz gelten; sie kann hier nicht einmal
mit Mißtrauen gegen den Rechtssatz erfüllen, denn sie findet ihre vollwichtige
Erklärung in der Beschaffenheit des Elementes, in dessen Mitte die zu beur¬
theilenden Thatsachen spielen. Uebrigens wirkt das Interesse, eine möglichst
kleine Zielfläche für feindliche Schüsse zubieten, auf Benutzung kleiner Ballons
hin; diese kleineren Größenverhältnisse aber verbieten die Belastung mit großen
Quantitäten von Ballast und dadurch unmittelbar das Aufsteigen zu unge¬
wöhnlicher Höhe, welches nur durch eine sehr bedeutende Minderung des
Gewichtes zu erreichen ist. Auch würde die Behauptung, daß man wider
Willen in den Bereich unserer Kanonen getrieben worden sei, unser straf¬
rechtliches Einschreiten nicht so ohne Weiteres lahm legen, wie es auf den
ersten Blick scheinen mag. Denn der Luftschiffer, der, wider Willen in unsere
Machtsphäre geschleudert, hier die Spionage oder die Beförderung feindlicher
Kriegsdepeschen fortsetzt, ist nicht minder strafbar, als wenn er von Haus
aus die von uns beherrschte Luftschicht zu seiner Thätigkeit ausersehen gehabt
hätte.

Der Allgemeinheit der Rechtssätze, aus denen die Entscheidung des völ¬
kerrechtlichen Problems abgeleitet wurde, entspricht die Allgemeinheit, in der
die gefundene Antwort rechtlich anwendbar ist. Auch im Frieden könnte für
Civil- und Strafrecht die Frage von entscheidender Wichtigkeit werden, ob ein
im Luftballon geschlossenes Rechtsgeschäft oder begangenes Verbrechen nach
dem Recht des Landes zu beurtheilen sei, über welchem das Lustschiff schwebte.
Die Entscheidung könnte auch hier keine andere sein, als die von uns für das
Il, II. Kriegsrecht gefundene.




Willen durch die Macht der Elemente in unsern Machtbereich getrieben wer¬
den. Dasselbe würde gelten, wenn das Luftschiff nicht abwärts, sondern
seitwärts aus einem Cours geworfen wird, der unser Machtgebiet unberührt
lassen sollte.

Niemand kann sich darüber täuschen, daß der Beweis der Thatsachen,
durch welche nach diesen Entwickelungen unsere Strafbefugnis) bedingt ist,
häufig eine sehr schwierige Aufgabe bleiben, ohne das Zusammenwirken aero¬
nautischer und artilleristischer Kenntnisse nicht herzustellen sein und trotzdem
leicht in einem ,,non Iiqut?t" sich verlieren wird. Allein die Erschwerung des
Beweises kann wohl die Anwendung des Rechtssatzes beeinflussen, nicht aber
für ein Argument gegen dessen Existenz gelten; sie kann hier nicht einmal
mit Mißtrauen gegen den Rechtssatz erfüllen, denn sie findet ihre vollwichtige
Erklärung in der Beschaffenheit des Elementes, in dessen Mitte die zu beur¬
theilenden Thatsachen spielen. Uebrigens wirkt das Interesse, eine möglichst
kleine Zielfläche für feindliche Schüsse zubieten, auf Benutzung kleiner Ballons
hin; diese kleineren Größenverhältnisse aber verbieten die Belastung mit großen
Quantitäten von Ballast und dadurch unmittelbar das Aufsteigen zu unge¬
wöhnlicher Höhe, welches nur durch eine sehr bedeutende Minderung des
Gewichtes zu erreichen ist. Auch würde die Behauptung, daß man wider
Willen in den Bereich unserer Kanonen getrieben worden sei, unser straf¬
rechtliches Einschreiten nicht so ohne Weiteres lahm legen, wie es auf den
ersten Blick scheinen mag. Denn der Luftschiffer, der, wider Willen in unsere
Machtsphäre geschleudert, hier die Spionage oder die Beförderung feindlicher
Kriegsdepeschen fortsetzt, ist nicht minder strafbar, als wenn er von Haus
aus die von uns beherrschte Luftschicht zu seiner Thätigkeit ausersehen gehabt
hätte.

Der Allgemeinheit der Rechtssätze, aus denen die Entscheidung des völ¬
kerrechtlichen Problems abgeleitet wurde, entspricht die Allgemeinheit, in der
die gefundene Antwort rechtlich anwendbar ist. Auch im Frieden könnte für
Civil- und Strafrecht die Frage von entscheidender Wichtigkeit werden, ob ein
im Luftballon geschlossenes Rechtsgeschäft oder begangenes Verbrechen nach
dem Recht des Landes zu beurtheilen sei, über welchem das Lustschiff schwebte.
Die Entscheidung könnte auch hier keine andere sein, als die von uns für das
Il, II. Kriegsrecht gefundene.




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[0479] Willen durch die Macht der Elemente in unsern Machtbereich getrieben wer¬ den. Dasselbe würde gelten, wenn das Luftschiff nicht abwärts, sondern seitwärts aus einem Cours geworfen wird, der unser Machtgebiet unberührt lassen sollte. Niemand kann sich darüber täuschen, daß der Beweis der Thatsachen, durch welche nach diesen Entwickelungen unsere Strafbefugnis) bedingt ist, häufig eine sehr schwierige Aufgabe bleiben, ohne das Zusammenwirken aero¬ nautischer und artilleristischer Kenntnisse nicht herzustellen sein und trotzdem leicht in einem ,,non Iiqut?t" sich verlieren wird. Allein die Erschwerung des Beweises kann wohl die Anwendung des Rechtssatzes beeinflussen, nicht aber für ein Argument gegen dessen Existenz gelten; sie kann hier nicht einmal mit Mißtrauen gegen den Rechtssatz erfüllen, denn sie findet ihre vollwichtige Erklärung in der Beschaffenheit des Elementes, in dessen Mitte die zu beur¬ theilenden Thatsachen spielen. Uebrigens wirkt das Interesse, eine möglichst kleine Zielfläche für feindliche Schüsse zubieten, auf Benutzung kleiner Ballons hin; diese kleineren Größenverhältnisse aber verbieten die Belastung mit großen Quantitäten von Ballast und dadurch unmittelbar das Aufsteigen zu unge¬ wöhnlicher Höhe, welches nur durch eine sehr bedeutende Minderung des Gewichtes zu erreichen ist. Auch würde die Behauptung, daß man wider Willen in den Bereich unserer Kanonen getrieben worden sei, unser straf¬ rechtliches Einschreiten nicht so ohne Weiteres lahm legen, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn der Luftschiffer, der, wider Willen in unsere Machtsphäre geschleudert, hier die Spionage oder die Beförderung feindlicher Kriegsdepeschen fortsetzt, ist nicht minder strafbar, als wenn er von Haus aus die von uns beherrschte Luftschicht zu seiner Thätigkeit ausersehen gehabt hätte. Der Allgemeinheit der Rechtssätze, aus denen die Entscheidung des völ¬ kerrechtlichen Problems abgeleitet wurde, entspricht die Allgemeinheit, in der die gefundene Antwort rechtlich anwendbar ist. Auch im Frieden könnte für Civil- und Strafrecht die Frage von entscheidender Wichtigkeit werden, ob ein im Luftballon geschlossenes Rechtsgeschäft oder begangenes Verbrechen nach dem Recht des Landes zu beurtheilen sei, über welchem das Lustschiff schwebte. Die Entscheidung könnte auch hier keine andere sein, als die von uns für das Il, II. Kriegsrecht gefundene.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/479>, abgerufen am 28.09.2024.