Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.seinen Betrachtungen aufgeschreckt zu werden. Unter diesen Umständen ist Es sollte um jeden Preis eine Welt-Ausstellung in South-Kensington Man ergreift freudig die Gelegenheit in dem einen großen französischen Aber seien wir nicht ungerecht gegen die Royal Commissioners. Sie seinen Betrachtungen aufgeschreckt zu werden. Unter diesen Umständen ist Es sollte um jeden Preis eine Welt-Ausstellung in South-Kensington Man ergreift freudig die Gelegenheit in dem einen großen französischen Aber seien wir nicht ungerecht gegen die Royal Commissioners. Sie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0439" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126221"/> <p xml:id="ID_1369" prev="#ID_1368"> seinen Betrachtungen aufgeschreckt zu werden. Unter diesen Umständen ist<lb/> man nicht überrascht zu erfahren, daß anfangs nicht im Plane der Commission<lb/> lag, irgend welche Preise für diese Ausstellung zu ertheilen. Die Aufnahme<lb/> eines Kunst- oder Jndustrie-Productes sollte an sich schon als eine genügende<lb/> Auszeichnung betrachtet werden. Den Besucher der Ausstellung, der sich darauf<lb/> hin die eingesandten Gegenstände ansieht, müssen wir aber gleich vor über¬<lb/> eilten Urtheil warnen mit Hinweisung auf die Stelle des officiellen Programmes,<lb/> die uns aufmerksam macht, daß diesmal Gegenstände nicht etwa blos ihrer<lb/> Vortrefflichkeit wegen, sondern auch noch ganz besonders in Anbetracht ihrer<lb/> Originalität oder ihres niedrigen Preises wegen aufgenommen werden.<lb/> Leider wird uns a. a. O. nicht mitgetheilt, ob dieser Gesichtspunkt nur für<lb/> die industriellen Abtheilungen eingehalten worden, so daß böse Zungen leicht<lb/> in Versuchung kommen könnten zu behaupten, das einmal acceptirte Princip<lb/> sei auch bei der Auswahl der Kunstwerke in den Bildergallerien zur Anwen¬<lb/> dung gekommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1370"> Es sollte um jeden Preis eine Welt-Ausstellung in South-Kensington<lb/> zusammenkommen. In Folge der politischen Umwälzungen und Calcnnitäten<lb/> des verflossenen Jahres mußte man aber befürchten, der Continent und nament¬<lb/> lich das von den Leiden des Krieges so schwer heimgesuchte Frankreich werde<lb/> sich nicht wie bei früheren Gelegenheiten betheiligen und nicht in genügender<lb/> Weise repräsentirt werden können. Um diesem Uebelstande abzuhelfen und der<lb/> künstlerisch fo eminent begabten französischen Nation die ihr gebührende<lb/> Stellung unter den Nachbarvölkern zu sichern, ging man nun folgendermaßen<lb/> zu Werke. Eine Menge der bedeutenderen Kunstfreunde und Sammler in<lb/> England, an deren Spitze der Premier-Minister genannt wurde, erboten sich,<lb/> aus ihren Privatsammlungen einige Perlen der neueren französischen Kunst<lb/> zu diesem Zwecke beizusteuern, und aus dem so gebildeten Kern wurde in<lb/> Folge der eifrigen Bemühungen und Nachforschungen 'des Comites bald eine sehr<lb/> ansehnliche Sammlung. Keiner kann den ersten französischen Saal betreten ohne<lb/> angenehm überrascht zu werden durch den wohlthuenden Contrast, den dieser<lb/> mit den vorangegangenen Sälen bildet, und namentlich mit den zunächst-<lb/> liegenden Räumen, die der bildenden Kunst aller Völker (^re ok all Kations)<lb/> gewidmet sind. Hier ist nämlich so ziemlich Alles zusammengepackt, was nicht<lb/> englisch, französisch oder belgisch ist. „I^izs Ilongrois, los ?russic:u3, Wut ha!"<lb/> hörten wir einen Franzosen sagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1371"> Man ergreift freudig die Gelegenheit in dem einen großen französischen<lb/> Saale Ary Scheffer's Gretchen das „liebe Kind" von Heinrich Heine von<lb/> Neuem zu begrüßen, oder altbekannte liebe Bilder von Delaroche und Dela-<lb/> croix; gerne vertiefen wir uns in die Betrachtung von Rousseau's heimweh¬<lb/> erweckenden Landschaften und gerne schweift der Blick durch Corot's rauschende<lb/> Frühlingswälder. Wir wundern uns nur wie wir dazu kommen, die alten<lb/> Freunde dort zu treffen und dann wieder warum die Commission, da sie nun<lb/> einmal soweit gegangen, nicht auch noch aus der National-Gallerie noch einige<lb/> Meisterwerke der Poussins und Claude Lorrains hinzugenommen, um doch<lb/> einen einigermaßen vollständigen Ueberblick zu geben über den ganzen Ent¬<lb/> wicklungsgang der französischen Malerei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1372" next="#ID_1373"> Aber seien wir nicht ungerecht gegen die Royal Commissioners. Sie<lb/> sind nicht zurückgeschreckt vor der conseauenten Durchführung ihrer Idee auch<lb/> in den englischen Sälen. Man ist hier zwar nicht bis auf Reynolds und<lb/> Gainsborough zurückgegangen, aber aus den letztverflossenen Jahren stammen<lb/> doch die allerwenigsten der auffallenderen Producte. Wir bemerken sogleich<lb/> ideale Bilder von Poynter, Poole und Leighton, Genrescenen von Faed und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0439]
seinen Betrachtungen aufgeschreckt zu werden. Unter diesen Umständen ist
man nicht überrascht zu erfahren, daß anfangs nicht im Plane der Commission
lag, irgend welche Preise für diese Ausstellung zu ertheilen. Die Aufnahme
eines Kunst- oder Jndustrie-Productes sollte an sich schon als eine genügende
Auszeichnung betrachtet werden. Den Besucher der Ausstellung, der sich darauf
hin die eingesandten Gegenstände ansieht, müssen wir aber gleich vor über¬
eilten Urtheil warnen mit Hinweisung auf die Stelle des officiellen Programmes,
die uns aufmerksam macht, daß diesmal Gegenstände nicht etwa blos ihrer
Vortrefflichkeit wegen, sondern auch noch ganz besonders in Anbetracht ihrer
Originalität oder ihres niedrigen Preises wegen aufgenommen werden.
Leider wird uns a. a. O. nicht mitgetheilt, ob dieser Gesichtspunkt nur für
die industriellen Abtheilungen eingehalten worden, so daß böse Zungen leicht
in Versuchung kommen könnten zu behaupten, das einmal acceptirte Princip
sei auch bei der Auswahl der Kunstwerke in den Bildergallerien zur Anwen¬
dung gekommen.
Es sollte um jeden Preis eine Welt-Ausstellung in South-Kensington
zusammenkommen. In Folge der politischen Umwälzungen und Calcnnitäten
des verflossenen Jahres mußte man aber befürchten, der Continent und nament¬
lich das von den Leiden des Krieges so schwer heimgesuchte Frankreich werde
sich nicht wie bei früheren Gelegenheiten betheiligen und nicht in genügender
Weise repräsentirt werden können. Um diesem Uebelstande abzuhelfen und der
künstlerisch fo eminent begabten französischen Nation die ihr gebührende
Stellung unter den Nachbarvölkern zu sichern, ging man nun folgendermaßen
zu Werke. Eine Menge der bedeutenderen Kunstfreunde und Sammler in
England, an deren Spitze der Premier-Minister genannt wurde, erboten sich,
aus ihren Privatsammlungen einige Perlen der neueren französischen Kunst
zu diesem Zwecke beizusteuern, und aus dem so gebildeten Kern wurde in
Folge der eifrigen Bemühungen und Nachforschungen 'des Comites bald eine sehr
ansehnliche Sammlung. Keiner kann den ersten französischen Saal betreten ohne
angenehm überrascht zu werden durch den wohlthuenden Contrast, den dieser
mit den vorangegangenen Sälen bildet, und namentlich mit den zunächst-
liegenden Räumen, die der bildenden Kunst aller Völker (^re ok all Kations)
gewidmet sind. Hier ist nämlich so ziemlich Alles zusammengepackt, was nicht
englisch, französisch oder belgisch ist. „I^izs Ilongrois, los ?russic:u3, Wut ha!"
hörten wir einen Franzosen sagen.
Man ergreift freudig die Gelegenheit in dem einen großen französischen
Saale Ary Scheffer's Gretchen das „liebe Kind" von Heinrich Heine von
Neuem zu begrüßen, oder altbekannte liebe Bilder von Delaroche und Dela-
croix; gerne vertiefen wir uns in die Betrachtung von Rousseau's heimweh¬
erweckenden Landschaften und gerne schweift der Blick durch Corot's rauschende
Frühlingswälder. Wir wundern uns nur wie wir dazu kommen, die alten
Freunde dort zu treffen und dann wieder warum die Commission, da sie nun
einmal soweit gegangen, nicht auch noch aus der National-Gallerie noch einige
Meisterwerke der Poussins und Claude Lorrains hinzugenommen, um doch
einen einigermaßen vollständigen Ueberblick zu geben über den ganzen Ent¬
wicklungsgang der französischen Malerei.
Aber seien wir nicht ungerecht gegen die Royal Commissioners. Sie
sind nicht zurückgeschreckt vor der conseauenten Durchführung ihrer Idee auch
in den englischen Sälen. Man ist hier zwar nicht bis auf Reynolds und
Gainsborough zurückgegangen, aber aus den letztverflossenen Jahren stammen
doch die allerwenigsten der auffallenderen Producte. Wir bemerken sogleich
ideale Bilder von Poynter, Poole und Leighton, Genrescenen von Faed und
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