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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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ganz verborgen durch die Gebüsche oben, aus denen man den Rauch und ihr
Feuer hervorkommen sah. Plötzlich fuhr aus diesen Büschen auf dem Kamme
eine rothe Linie heraus und eilte den Abhang hinunter, indem eine Feuer¬
flamme aus ihrer Front hervorzuckte, als sie vorging. Der Feind stutzte und
rannte dann in wirrem Gedränge thalabwärts. Dann bedeckte der Qualm
wieder die Scene, aber der Blick auf diesen ^prächtigen Angriff begeisterte, und
ich hoffte, wir würden dieselbe Kaltblütigkeit zeigen, wenn die Reihe an
uns käme.

Um diese Zeit gingen unsre Plänkler zurück, viele waren verwundet, einige
hinkten für sich selbst, andere mit Unterstützung der Kameraden weiter. Die
Hauptmasse zog sich in sehr guter Ordnung zurück, hielt, wendete um und
schoß. Wir konnten einen Gardeofficier herumreiten sehen, der sie zur Stand-
haftigkeit ermahnte. Jetzt kam die Reihe an uns.

Ein paar Minuten sahen wir nichts. Aber ein Geprassel von Kugeln
kam durch den Regen und Nebel, indeß ging er meist über die Böschung weg.
Wir begannen wieder zu schießen, wobei wir auf die Böschung sprangen, um
zu feuern, und uns dann duckten, um wieder zu laden. Aber der Brigade¬
major ritt mit einer Ordre herbei, und das Wort ging herum, das Feuer zu
sparen. Es muß nur sehr wenige Augenblicke nach dem Befehl gewesen sein,
aufzustehen, als wir die Helmspitzen und dann die Gestalten der feindlichen
Plänkler. wie sie herankamen, sehen konnten. Es schienen ihrer viele zu sein,
ich denke, fünf bis sechs Mann tief, aber in aufgelöster Ordnung, indem jeder
still hielt, zielte und feuerte und dann wieder ein wenig weiter ging. Eben
jetzt trappelte der Brigadier auf seinem Pferde die Feldgasse herauf. "Jetzt,
meine Herren, geben Sie ihnen was Warmes", rief er, und nun feuerten wir
drauf los so rasch wir konnten.

Wie lange dieß dauerte, weiß ich nicht. Es kann nicht lange gewährt
haben. Keine von beiden Seiten hätte sich unter einem solchen Feuer lange halten
können. Aber es endete damit, daß der Feind allmählig zurück wich, und sobald
wir dieß sahen, erhoben wir ein gewaltiges Freudengeschrei, und einige von uns
sprangen auf die Böschung, um ihnen zum Abschiede noch einen Schuß zuzusenden.

Plötzlich erhielten wir Befehl, mit dem Schießen aufzuhören, und bald
entdeckten wir die Ursache. Ein Bataillon Garde machte in schräger Richtung
vor unsrer Linken her gegen unsre Front einen Bayonnettangriff. Ihre
Flankenattake war es, wie ich vermuthe, ebenso sehr als unser Feuer, was
den Feind zur Umkehr zwang, und es war ein prächtiger Anblick, ihre stramme
Linie zu sehen, wie sie, im Gehen feuernd, langsam über den glatten Rasen
unter uns vorrückte wie auf der Parade.

Wir fühlten uns in diesem Augenblicke sehr gehoben. Es schien, als ob
die Schlacht gewonnen wäre. Eben jetzt rief jemand, man solle doch nach


ganz verborgen durch die Gebüsche oben, aus denen man den Rauch und ihr
Feuer hervorkommen sah. Plötzlich fuhr aus diesen Büschen auf dem Kamme
eine rothe Linie heraus und eilte den Abhang hinunter, indem eine Feuer¬
flamme aus ihrer Front hervorzuckte, als sie vorging. Der Feind stutzte und
rannte dann in wirrem Gedränge thalabwärts. Dann bedeckte der Qualm
wieder die Scene, aber der Blick auf diesen ^prächtigen Angriff begeisterte, und
ich hoffte, wir würden dieselbe Kaltblütigkeit zeigen, wenn die Reihe an
uns käme.

Um diese Zeit gingen unsre Plänkler zurück, viele waren verwundet, einige
hinkten für sich selbst, andere mit Unterstützung der Kameraden weiter. Die
Hauptmasse zog sich in sehr guter Ordnung zurück, hielt, wendete um und
schoß. Wir konnten einen Gardeofficier herumreiten sehen, der sie zur Stand-
haftigkeit ermahnte. Jetzt kam die Reihe an uns.

Ein paar Minuten sahen wir nichts. Aber ein Geprassel von Kugeln
kam durch den Regen und Nebel, indeß ging er meist über die Böschung weg.
Wir begannen wieder zu schießen, wobei wir auf die Böschung sprangen, um
zu feuern, und uns dann duckten, um wieder zu laden. Aber der Brigade¬
major ritt mit einer Ordre herbei, und das Wort ging herum, das Feuer zu
sparen. Es muß nur sehr wenige Augenblicke nach dem Befehl gewesen sein,
aufzustehen, als wir die Helmspitzen und dann die Gestalten der feindlichen
Plänkler. wie sie herankamen, sehen konnten. Es schienen ihrer viele zu sein,
ich denke, fünf bis sechs Mann tief, aber in aufgelöster Ordnung, indem jeder
still hielt, zielte und feuerte und dann wieder ein wenig weiter ging. Eben
jetzt trappelte der Brigadier auf seinem Pferde die Feldgasse herauf. „Jetzt,
meine Herren, geben Sie ihnen was Warmes", rief er, und nun feuerten wir
drauf los so rasch wir konnten.

Wie lange dieß dauerte, weiß ich nicht. Es kann nicht lange gewährt
haben. Keine von beiden Seiten hätte sich unter einem solchen Feuer lange halten
können. Aber es endete damit, daß der Feind allmählig zurück wich, und sobald
wir dieß sahen, erhoben wir ein gewaltiges Freudengeschrei, und einige von uns
sprangen auf die Böschung, um ihnen zum Abschiede noch einen Schuß zuzusenden.

Plötzlich erhielten wir Befehl, mit dem Schießen aufzuhören, und bald
entdeckten wir die Ursache. Ein Bataillon Garde machte in schräger Richtung
vor unsrer Linken her gegen unsre Front einen Bayonnettangriff. Ihre
Flankenattake war es, wie ich vermuthe, ebenso sehr als unser Feuer, was
den Feind zur Umkehr zwang, und es war ein prächtiger Anblick, ihre stramme
Linie zu sehen, wie sie, im Gehen feuernd, langsam über den glatten Rasen
unter uns vorrückte wie auf der Parade.

Wir fühlten uns in diesem Augenblicke sehr gehoben. Es schien, als ob
die Schlacht gewonnen wäre. Eben jetzt rief jemand, man solle doch nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/426>, abgerufen am 04.01.2025.