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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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hatte, dicht dahinter auf den Boden aufschlagend, ihm fast den ganzen Schenkel
abgerissen. Indem die Kugel seine Bayonnetscheide getroffen, hatte sie das
Geräusch verursacht. Drei von uns trugen den armen Burschen nach hinten.
Er war fast todt vor Blutverlust, als wir zu dem Doctor gelangten, welcher
mit zwei Aerzten in Civilkleidern, die uns zu helfen gekommen, in einer ge¬
deckten Vertiefung etwa dreihundert Schritte hinter unsrer Linie wartete.
Wir legten unsre Last ab, und kehrten nach der Front zurück. Der arme
Wale hatte noch seine Besinnung, als wir ihn verließen, war aber offenbar
zu erschüttert von dem Schlage, um sprechen zu können. Wood war dort
und half den Doctoren. Ich machte derartige Gänge noch mehrmals, bevor
der Abend vorüber war.

Die ganze Zeit über lagen wir da und ließen auf uns feuern, ohne
einen Schuß zu erwidern, denn unsre Plänkler hielten die Linie von Mauern
und Zäunen drunten. Indeß schützte die Böschung die meisten von uns, und
der Brigadier befahl jetzt unsrer rechten Compagnie, die im offnen Terrain
war, sich ebenfalls dahinter zu begeben, und da lagen wir dann vier Mann
tief. Die Granaten krachten, die Kugeln pfiffen über uns, aber kaum ein
Mann wurde getroffen. Unser Oberst war in der That der einzige, welcher
den Kugeln ausgesetzt war, denn er ritt so stramm und fest wie ein Felsen
langsam die Feldgasse auf und ab und ließ nur den Major und den Adju¬
tanten absteigen und hinter der Hecke Schutz suchen. Wir freuten uns alle
ihn so kaltblütig zu sehen, und dieß machte uns wieder voll Vertrauen
auf ihn.

Die Zeit schien unendlich lang, während wir so unthätig dalagen. Wir
konnten natürlich nicht umhin, über die Böschung zu gucken, um zu sehen,
was vorging. Aber es war nichts deutlich wahrzunehmen; denn jetzt brach
ein furchtbares Gewitter, welches sich den ganzen Tag zusammengezogen, über
uns los und ein Regensturz, der uns fast blind machte, verhüllte die Aussicht
fast noch mehr als der Rauch, während das Krachen des Donners und das
Zucken des Blitzes selbst über dem Brüllen und Blitzen der Artillerie zu hören
und zu sehen war. Als der Nebel sich einmal hob, sah ich eine Minute lang
einen Angriff aus den Box Hill auf der andern Seite der Schlucht zu unsrer
Linken. Es war wie die Scene auf einem Theater -- ein Vorhang von
Rauch ringsum und eine rauchfreie Lücke in der Mitte, welche ein plötzliches
Erglühen von abendlichem Sonnenschein erleuchtete. Der steile glatte Abhang
der Höhe war dicht bedeckt mit den dunkelblauen Gestalten des Feindes, den
ich jetzt zum ersten Male sah, eine unregelmäßige Linie in der Front, aber
sehr fest dahinter. Die ganze Masse rückte stoß- und ruckweise vorwärts. Die
Leute schössen und drangen vor, die Officiere schwenkten ihre Degen, die
Colonnen schlössen sich und schoben allmählig weiter. Unsre Leute waren


Grenzboten I. 1871. 119

hatte, dicht dahinter auf den Boden aufschlagend, ihm fast den ganzen Schenkel
abgerissen. Indem die Kugel seine Bayonnetscheide getroffen, hatte sie das
Geräusch verursacht. Drei von uns trugen den armen Burschen nach hinten.
Er war fast todt vor Blutverlust, als wir zu dem Doctor gelangten, welcher
mit zwei Aerzten in Civilkleidern, die uns zu helfen gekommen, in einer ge¬
deckten Vertiefung etwa dreihundert Schritte hinter unsrer Linie wartete.
Wir legten unsre Last ab, und kehrten nach der Front zurück. Der arme
Wale hatte noch seine Besinnung, als wir ihn verließen, war aber offenbar
zu erschüttert von dem Schlage, um sprechen zu können. Wood war dort
und half den Doctoren. Ich machte derartige Gänge noch mehrmals, bevor
der Abend vorüber war.

Die ganze Zeit über lagen wir da und ließen auf uns feuern, ohne
einen Schuß zu erwidern, denn unsre Plänkler hielten die Linie von Mauern
und Zäunen drunten. Indeß schützte die Böschung die meisten von uns, und
der Brigadier befahl jetzt unsrer rechten Compagnie, die im offnen Terrain
war, sich ebenfalls dahinter zu begeben, und da lagen wir dann vier Mann
tief. Die Granaten krachten, die Kugeln pfiffen über uns, aber kaum ein
Mann wurde getroffen. Unser Oberst war in der That der einzige, welcher
den Kugeln ausgesetzt war, denn er ritt so stramm und fest wie ein Felsen
langsam die Feldgasse auf und ab und ließ nur den Major und den Adju¬
tanten absteigen und hinter der Hecke Schutz suchen. Wir freuten uns alle
ihn so kaltblütig zu sehen, und dieß machte uns wieder voll Vertrauen
auf ihn.

Die Zeit schien unendlich lang, während wir so unthätig dalagen. Wir
konnten natürlich nicht umhin, über die Böschung zu gucken, um zu sehen,
was vorging. Aber es war nichts deutlich wahrzunehmen; denn jetzt brach
ein furchtbares Gewitter, welches sich den ganzen Tag zusammengezogen, über
uns los und ein Regensturz, der uns fast blind machte, verhüllte die Aussicht
fast noch mehr als der Rauch, während das Krachen des Donners und das
Zucken des Blitzes selbst über dem Brüllen und Blitzen der Artillerie zu hören
und zu sehen war. Als der Nebel sich einmal hob, sah ich eine Minute lang
einen Angriff aus den Box Hill auf der andern Seite der Schlucht zu unsrer
Linken. Es war wie die Scene auf einem Theater — ein Vorhang von
Rauch ringsum und eine rauchfreie Lücke in der Mitte, welche ein plötzliches
Erglühen von abendlichem Sonnenschein erleuchtete. Der steile glatte Abhang
der Höhe war dicht bedeckt mit den dunkelblauen Gestalten des Feindes, den
ich jetzt zum ersten Male sah, eine unregelmäßige Linie in der Front, aber
sehr fest dahinter. Die ganze Masse rückte stoß- und ruckweise vorwärts. Die
Leute schössen und drangen vor, die Officiere schwenkten ihre Degen, die
Colonnen schlössen sich und schoben allmählig weiter. Unsre Leute waren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/425>, abgerufen am 01.01.2025.