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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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zu finden seien, von Guildford so belastet herübergewandert. Er sagte, jener
Ort sei gestopft voll Truppen, und die Höhen zwischen den beiden Städten
seien in langen Linien mit ihnen bedeckt. Er berichtete auch, daß etliche
Züge mit Verwundeten in der Nacht von der Küste durch Guildford gegangen
seien. Ich führte ihn dahin, wo unser Regiment war, indem ich ihm einen
Theil der Bürde abnahm, unter der er stolperte. Die uns gesandten Speisen
waren jetzt nicht so sehr nöthig, aber die Teller, Messer und Trinkgeschirre
versprachen eine bequemere Existenz, und Travers war, wie ihr euch denken
könnt, glücklich über seinen Brief, während ein paar Zeitungsblätter, die
der alte Mann mitgebracht, selbst in diesem kritischen Augenblick begierig von
Allen gesucht wurden; denn wir hatten keine sichern Nachrichten gehabt, seit
wir London am Sonntag verlassen hatten. Und selbst jetzt, nach so langen
Jahren, erinnere ich mich noch, obwohl ich nur einen Blick auf das Papier
that, fast wörtlich dessen, was ich da las.

Beide waren Blätter derselben Zeitung. Das erste war am Sonntag
Abend, wo die Nachricht von der erfolgreichen Landung eingetroffen war,
herausgekommen und im Ton der Verzweiflung geschrieben. Das Land müsse
bekennen, daß es überrascht worden wäre. Der Sieger werde sich zufrieden
erklären mit der Demüthigung eines auf unserm eignen Boden dictirten Frie¬
dens. Es wäre die klare Pflicht der Regierung, die besten Bedingungen, die
sich erlangen ließen, anzunehmen, ferneres Blutvergießen und Unheil zu ver¬
hüten und den Sturz unseres wankenden Credits abzuwenden. Das Blatt
vom nächsten Morgen war in ganz anderem Tone gehalten. Offenbar hätte
der Feind einen Schlag bekommen. Wir wurden jetzt zum Widerstand er¬
mahnt. Eine uneinnehmbare Stellung sollte von uns längs der Dünen ein¬
genommen werden. Eine Streitmacht zöge sich dort zusammen , weit stärker
an Zahl als die der tollkühnen Eindringlinge, welche mit einer unbesiegbaren
Linie vor sich und die See im Rücken keine andere Wahl als Vernichtung
oder Ergebung hätten. Kein kleinmüthiges Geschwätz mehr, so gipfelte der
Artikel, von Unterhandlung, der Kampf müsse ausgekämpft werden, und er
könnte riur einen Ausgang haben. England, noch inzErwartung der Dinge,
die da kommen sollten, aber ruhig und gelassen, erhoffe mit Zuversicht den
Erfolg des Angriffs auf seine unbezwingbaren Freiwilligen. Der Aufsatz
schien mir beredt, aber ziemlich widerspruchsvoll. Dasselbe Blatt meldete, daß
die Regierung von Woolwich fünfhundert Arbeiter abgeschickt habe, um in
Birmingham ein Zweigarsenal zu eröffnen.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Vertan von F. L. Hervig. -- Druck von Hüthel <K Legler in Leipzig

zu finden seien, von Guildford so belastet herübergewandert. Er sagte, jener
Ort sei gestopft voll Truppen, und die Höhen zwischen den beiden Städten
seien in langen Linien mit ihnen bedeckt. Er berichtete auch, daß etliche
Züge mit Verwundeten in der Nacht von der Küste durch Guildford gegangen
seien. Ich führte ihn dahin, wo unser Regiment war, indem ich ihm einen
Theil der Bürde abnahm, unter der er stolperte. Die uns gesandten Speisen
waren jetzt nicht so sehr nöthig, aber die Teller, Messer und Trinkgeschirre
versprachen eine bequemere Existenz, und Travers war, wie ihr euch denken
könnt, glücklich über seinen Brief, während ein paar Zeitungsblätter, die
der alte Mann mitgebracht, selbst in diesem kritischen Augenblick begierig von
Allen gesucht wurden; denn wir hatten keine sichern Nachrichten gehabt, seit
wir London am Sonntag verlassen hatten. Und selbst jetzt, nach so langen
Jahren, erinnere ich mich noch, obwohl ich nur einen Blick auf das Papier
that, fast wörtlich dessen, was ich da las.

Beide waren Blätter derselben Zeitung. Das erste war am Sonntag
Abend, wo die Nachricht von der erfolgreichen Landung eingetroffen war,
herausgekommen und im Ton der Verzweiflung geschrieben. Das Land müsse
bekennen, daß es überrascht worden wäre. Der Sieger werde sich zufrieden
erklären mit der Demüthigung eines auf unserm eignen Boden dictirten Frie¬
dens. Es wäre die klare Pflicht der Regierung, die besten Bedingungen, die
sich erlangen ließen, anzunehmen, ferneres Blutvergießen und Unheil zu ver¬
hüten und den Sturz unseres wankenden Credits abzuwenden. Das Blatt
vom nächsten Morgen war in ganz anderem Tone gehalten. Offenbar hätte
der Feind einen Schlag bekommen. Wir wurden jetzt zum Widerstand er¬
mahnt. Eine uneinnehmbare Stellung sollte von uns längs der Dünen ein¬
genommen werden. Eine Streitmacht zöge sich dort zusammen , weit stärker
an Zahl als die der tollkühnen Eindringlinge, welche mit einer unbesiegbaren
Linie vor sich und die See im Rücken keine andere Wahl als Vernichtung
oder Ergebung hätten. Kein kleinmüthiges Geschwätz mehr, so gipfelte der
Artikel, von Unterhandlung, der Kampf müsse ausgekämpft werden, und er
könnte riur einen Ausgang haben. England, noch inzErwartung der Dinge,
die da kommen sollten, aber ruhig und gelassen, erhoffe mit Zuversicht den
Erfolg des Angriffs auf seine unbezwingbaren Freiwilligen. Der Aufsatz
schien mir beredt, aber ziemlich widerspruchsvoll. Dasselbe Blatt meldete, daß
die Regierung von Woolwich fünfhundert Arbeiter abgeschickt habe, um in
Birmingham ein Zweigarsenal zu eröffnen.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Vertan von F. L. Hervig. — Druck von Hüthel <K Legler in Leipzig
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[0408] zu finden seien, von Guildford so belastet herübergewandert. Er sagte, jener Ort sei gestopft voll Truppen, und die Höhen zwischen den beiden Städten seien in langen Linien mit ihnen bedeckt. Er berichtete auch, daß etliche Züge mit Verwundeten in der Nacht von der Küste durch Guildford gegangen seien. Ich führte ihn dahin, wo unser Regiment war, indem ich ihm einen Theil der Bürde abnahm, unter der er stolperte. Die uns gesandten Speisen waren jetzt nicht so sehr nöthig, aber die Teller, Messer und Trinkgeschirre versprachen eine bequemere Existenz, und Travers war, wie ihr euch denken könnt, glücklich über seinen Brief, während ein paar Zeitungsblätter, die der alte Mann mitgebracht, selbst in diesem kritischen Augenblick begierig von Allen gesucht wurden; denn wir hatten keine sichern Nachrichten gehabt, seit wir London am Sonntag verlassen hatten. Und selbst jetzt, nach so langen Jahren, erinnere ich mich noch, obwohl ich nur einen Blick auf das Papier that, fast wörtlich dessen, was ich da las. Beide waren Blätter derselben Zeitung. Das erste war am Sonntag Abend, wo die Nachricht von der erfolgreichen Landung eingetroffen war, herausgekommen und im Ton der Verzweiflung geschrieben. Das Land müsse bekennen, daß es überrascht worden wäre. Der Sieger werde sich zufrieden erklären mit der Demüthigung eines auf unserm eignen Boden dictirten Frie¬ dens. Es wäre die klare Pflicht der Regierung, die besten Bedingungen, die sich erlangen ließen, anzunehmen, ferneres Blutvergießen und Unheil zu ver¬ hüten und den Sturz unseres wankenden Credits abzuwenden. Das Blatt vom nächsten Morgen war in ganz anderem Tone gehalten. Offenbar hätte der Feind einen Schlag bekommen. Wir wurden jetzt zum Widerstand er¬ mahnt. Eine uneinnehmbare Stellung sollte von uns längs der Dünen ein¬ genommen werden. Eine Streitmacht zöge sich dort zusammen , weit stärker an Zahl als die der tollkühnen Eindringlinge, welche mit einer unbesiegbaren Linie vor sich und die See im Rücken keine andere Wahl als Vernichtung oder Ergebung hätten. Kein kleinmüthiges Geschwätz mehr, so gipfelte der Artikel, von Unterhandlung, der Kampf müsse ausgekämpft werden, und er könnte riur einen Ausgang haben. England, noch inzErwartung der Dinge, die da kommen sollten, aber ruhig und gelassen, erhoffe mit Zuversicht den Erfolg des Angriffs auf seine unbezwingbaren Freiwilligen. Der Aufsatz schien mir beredt, aber ziemlich widerspruchsvoll. Dasselbe Blatt meldete, daß die Regierung von Woolwich fünfhundert Arbeiter abgeschickt habe, um in Birmingham ein Zweigarsenal zu eröffnen. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum. Vertan von F. L. Hervig. — Druck von Hüthel <K Legler in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/408>, abgerufen am 28.09.2024.