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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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und saßen oder lagen jetzt auf dem Boden vor unsern in Pyramiden aufge¬
stellten Gewehren. Früh am Morgen sahen wir auch einen langen Eisen¬
bahnzug voll Rothröcke aus der Richtung von Guildford ankommen. Er
hielt an dem kleinen Bahnhofe zu unsern Füßen, und die Truppen stiegen
aus. Wir erkannten bald ihre Bärmützen. Es waren die Garden, welche
zur Verstärkung dieses Theils der Linie kamen. Indem sie ein Detachement
von Plänklern am Eisenbahndamm zurückließen, marschirte das Gros mit
elastischem Schritt und unter den Klängen der Musik herauf und stellte sich
an der Schlucht auf unsrer Linken und in Verlängerung unsrer Linie auf.
Es schienen ihrer drei Bataillone zu sein; denn sie stellten sich in kurzen
Zwischenräumen in dieser Zahl von Colonnen auf.

Kurz nachher wurde ich nach dem Boxhill hinübergeschickt mit einem Auf¬
trag unsers Obersten an den Obersten eines dort stationirten Freiwilligen¬
regiments. Ich sollte anfragen, ob ein Ambulanzkarren zu erlangen wäre,
da es hieß, jenes Regiment sei gut mit Fuhrwerk versehen, während wir gar
keins hatten. Aber meine Mission war nutzlos. Als ich durch das Thal
ging, fand ich im Bahnhof große Verwirrung. Noch immer kamen Züge
mit Vorräthen, Munition und Kanonen an, die man so schnell als möglich
entlud, aber es gab kaum irgend welche Mittel, die Sachen dann fortzu¬
schaffen. Man hatte eine Menge Wagen von allen Arten, aber fast keine
Pferde, sie zu ziehen, und der ganze Platz war versperrt, während zur
Steigerung des Wirrsals ein förmlicher Exodus der Leute aus der Stadt
erfolgt war, da man sie gewarnt hatte, daß dieselbe sehr wahrscheinlich der
Schauplatz eines Treffens werden werde. Damen und Weiber aller Arten
und Altersstufen sowie Kinder, einige mit Bündeln, andere mit leeren Händen
suchten Plätze im Zuge, aber es schien niemand befugt, sie ihnen zu be¬
willigen, und diese armen Geschöpfe liefen im Gedränge auf und ab und
baten vergeblich um Auskunft und Erlaubniß hinwegzukommen. Im Ge¬
dränge bemerkte ich unsern Chirurgen, der ebenfalls nach etwas wie nach
einem Ambulanzwagen suchte. Sein ganzer Apparat bestand, wie er sagte,
aus einem Kästchen mit Instrumenten. Desgleichen stolperte ich im Gedränge
gegen Wood, den alten Kutscher von Freund Travers. Er war von seiner
Herrin nach Guildford hinuntergeschickt worden, weil vermuthet wurde, unser
Regiment wäre dorthin gegangen. Er ritt das Pferd anfangs und war be¬
laden mit Sachen aller Art, Speisen, Decken und natürlich einem Briefe.
Desgleichen hatte er meinen Tornister mitgebracht. Aber zu Guildford hatte,
man ihm gegen einen Empfangschein den Gaul abgenommen, und so war
er gezwungen gewesen, alles schwere Gepäck dort zurückzulassen, und darunter
war auch mein Tornister. Aber der getreue alte Mann hatte soviel Dinge
als er tragen konnte, weiter gebracht und war, als er gehört, daß wir hier


und saßen oder lagen jetzt auf dem Boden vor unsern in Pyramiden aufge¬
stellten Gewehren. Früh am Morgen sahen wir auch einen langen Eisen¬
bahnzug voll Rothröcke aus der Richtung von Guildford ankommen. Er
hielt an dem kleinen Bahnhofe zu unsern Füßen, und die Truppen stiegen
aus. Wir erkannten bald ihre Bärmützen. Es waren die Garden, welche
zur Verstärkung dieses Theils der Linie kamen. Indem sie ein Detachement
von Plänklern am Eisenbahndamm zurückließen, marschirte das Gros mit
elastischem Schritt und unter den Klängen der Musik herauf und stellte sich
an der Schlucht auf unsrer Linken und in Verlängerung unsrer Linie auf.
Es schienen ihrer drei Bataillone zu sein; denn sie stellten sich in kurzen
Zwischenräumen in dieser Zahl von Colonnen auf.

Kurz nachher wurde ich nach dem Boxhill hinübergeschickt mit einem Auf¬
trag unsers Obersten an den Obersten eines dort stationirten Freiwilligen¬
regiments. Ich sollte anfragen, ob ein Ambulanzkarren zu erlangen wäre,
da es hieß, jenes Regiment sei gut mit Fuhrwerk versehen, während wir gar
keins hatten. Aber meine Mission war nutzlos. Als ich durch das Thal
ging, fand ich im Bahnhof große Verwirrung. Noch immer kamen Züge
mit Vorräthen, Munition und Kanonen an, die man so schnell als möglich
entlud, aber es gab kaum irgend welche Mittel, die Sachen dann fortzu¬
schaffen. Man hatte eine Menge Wagen von allen Arten, aber fast keine
Pferde, sie zu ziehen, und der ganze Platz war versperrt, während zur
Steigerung des Wirrsals ein förmlicher Exodus der Leute aus der Stadt
erfolgt war, da man sie gewarnt hatte, daß dieselbe sehr wahrscheinlich der
Schauplatz eines Treffens werden werde. Damen und Weiber aller Arten
und Altersstufen sowie Kinder, einige mit Bündeln, andere mit leeren Händen
suchten Plätze im Zuge, aber es schien niemand befugt, sie ihnen zu be¬
willigen, und diese armen Geschöpfe liefen im Gedränge auf und ab und
baten vergeblich um Auskunft und Erlaubniß hinwegzukommen. Im Ge¬
dränge bemerkte ich unsern Chirurgen, der ebenfalls nach etwas wie nach
einem Ambulanzwagen suchte. Sein ganzer Apparat bestand, wie er sagte,
aus einem Kästchen mit Instrumenten. Desgleichen stolperte ich im Gedränge
gegen Wood, den alten Kutscher von Freund Travers. Er war von seiner
Herrin nach Guildford hinuntergeschickt worden, weil vermuthet wurde, unser
Regiment wäre dorthin gegangen. Er ritt das Pferd anfangs und war be¬
laden mit Sachen aller Art, Speisen, Decken und natürlich einem Briefe.
Desgleichen hatte er meinen Tornister mitgebracht. Aber zu Guildford hatte,
man ihm gegen einen Empfangschein den Gaul abgenommen, und so war
er gezwungen gewesen, alles schwere Gepäck dort zurückzulassen, und darunter
war auch mein Tornister. Aber der getreue alte Mann hatte soviel Dinge
als er tragen konnte, weiter gebracht und war, als er gehört, daß wir hier


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/407>, abgerufen am 29.09.2024.