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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Seehandel treibenden Feind zu schaden. Unsere vollste Rechtfertigung dafür,
daß wir uns derselben bedienen, liegt aber darin, daß unser ausgedehnter
Handel sich über alle Meere ausbreitet, und daß er deshalb mehr als derjenige
irgend einer andern Nation der Plünderung durch Private und Seemächte
ausgesetzt ist." (Adams. ^ort:3, VIII., 695. 598. 599. 647.) Man sieht,
die guten Lehren, welche uns der große Quäker 1784 mit selbstgefälliger
doctrinärer Breite in seiner "Denkschrift" vortrug, diese amerikanischen Lehren
über die Verwerflichkeit und Jnopportunität der Kaperbriefe, galten schon
1797 in Amerika selbst als überwundner Standpunkt. -- Am 11. Juli 1799
kam zwar ein neuer Vertrag zu Stande: allein er war im Verhältniß
zum alten arg zurückgeschritten. Namentlich fehlten die Vorschriften für Schutz
des Privateigenthums zur See und gegen die Ausstellung von Kaperbriefen,
welche Franklin in seiner Denkschrift vom November 1784 vorgeschlagen und
der Artikel XXIII. festgesetzt hatte.

Der dritte dermalen noch in Kraft stehende preußisch-amerikanische Ver¬
trag datirt vom 1. Mai 1828 und entscheidet die Frage wegen der Rechte
des neutralen Handels sehr einseitig zu Gunsten der Vereinigten Staaten.
Auf diesen Vertrag hat sich Amerika 1870 und 1871 berufen, als es seine
Zeughäuser leerte und an die Meistbietenden Neutralen über eine Million Ge¬
wehre verkaufte, welche Frankreich in den Stand setzten, uns noch ein paar
Monate länger einen, zwar von Haus aus erfolglosen, aber gleichwohl sehr
blutigen Widerstand zu leisten. Eines weitern Beweises dafür, wie schlecht
dieser Vertrag von 1828 ist, wird es danach wohl schwerlich bedürfen.
Das einzige Gute in dem Vertrag ist eine, leider bis jetzt unerfüllte Ver¬
heißung. Es heißt nämlich am Schlüsse, die beiden Vertragschließenden
Theile hielten immer noch an der, in den früheren Verträgen kundgegebenen
Absicht fest, "unter einander und im Einverständniß mit den übrigen See¬
mächten nähere Bestimmungen zu treffen, um dem Handel und dessen
Schiffahrt gerechten Schutz und Freiheit zu sichern, und um auf
diese Weise die Sache der Gesittung und Menschlichkeit zu fördern." und sie
verpflichteten sich möglichst bald und bei erster günstiger Gelegenheit über diesen
Gegenstand in Verhandlung zu treten.

Die günstige Gelegenheit ist nun da; und es wäre nach den Erfahrungen
des letzten Krieges wohl indicirt, daß wir den Vereinigten Staaten den Ver¬
trag von 1828 kündigten, um durch diesen formellen Act die Erfüllung der
seit 42 Jahren unerfüllt gebliebenen Verheißung und die Rückkehr zu den großen
Grundsätzen von 1785 anzubahnen und zu beschleunigen.


Dr. Karl Braun.


Seehandel treibenden Feind zu schaden. Unsere vollste Rechtfertigung dafür,
daß wir uns derselben bedienen, liegt aber darin, daß unser ausgedehnter
Handel sich über alle Meere ausbreitet, und daß er deshalb mehr als derjenige
irgend einer andern Nation der Plünderung durch Private und Seemächte
ausgesetzt ist." (Adams. ^ort:3, VIII., 695. 598. 599. 647.) Man sieht,
die guten Lehren, welche uns der große Quäker 1784 mit selbstgefälliger
doctrinärer Breite in seiner „Denkschrift" vortrug, diese amerikanischen Lehren
über die Verwerflichkeit und Jnopportunität der Kaperbriefe, galten schon
1797 in Amerika selbst als überwundner Standpunkt. — Am 11. Juli 1799
kam zwar ein neuer Vertrag zu Stande: allein er war im Verhältniß
zum alten arg zurückgeschritten. Namentlich fehlten die Vorschriften für Schutz
des Privateigenthums zur See und gegen die Ausstellung von Kaperbriefen,
welche Franklin in seiner Denkschrift vom November 1784 vorgeschlagen und
der Artikel XXIII. festgesetzt hatte.

Der dritte dermalen noch in Kraft stehende preußisch-amerikanische Ver¬
trag datirt vom 1. Mai 1828 und entscheidet die Frage wegen der Rechte
des neutralen Handels sehr einseitig zu Gunsten der Vereinigten Staaten.
Auf diesen Vertrag hat sich Amerika 1870 und 1871 berufen, als es seine
Zeughäuser leerte und an die Meistbietenden Neutralen über eine Million Ge¬
wehre verkaufte, welche Frankreich in den Stand setzten, uns noch ein paar
Monate länger einen, zwar von Haus aus erfolglosen, aber gleichwohl sehr
blutigen Widerstand zu leisten. Eines weitern Beweises dafür, wie schlecht
dieser Vertrag von 1828 ist, wird es danach wohl schwerlich bedürfen.
Das einzige Gute in dem Vertrag ist eine, leider bis jetzt unerfüllte Ver¬
heißung. Es heißt nämlich am Schlüsse, die beiden Vertragschließenden
Theile hielten immer noch an der, in den früheren Verträgen kundgegebenen
Absicht fest, „unter einander und im Einverständniß mit den übrigen See¬
mächten nähere Bestimmungen zu treffen, um dem Handel und dessen
Schiffahrt gerechten Schutz und Freiheit zu sichern, und um auf
diese Weise die Sache der Gesittung und Menschlichkeit zu fördern." und sie
verpflichteten sich möglichst bald und bei erster günstiger Gelegenheit über diesen
Gegenstand in Verhandlung zu treten.

Die günstige Gelegenheit ist nun da; und es wäre nach den Erfahrungen
des letzten Krieges wohl indicirt, daß wir den Vereinigten Staaten den Ver¬
trag von 1828 kündigten, um durch diesen formellen Act die Erfüllung der
seit 42 Jahren unerfüllt gebliebenen Verheißung und die Rückkehr zu den großen
Grundsätzen von 1785 anzubahnen und zu beschleunigen.


Dr. Karl Braun.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/391>, abgerufen am 28.09.2024.