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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Die Glasscheiben des Wilhelm von Marseille, womit mehrere Fenster
der Kirche geschmückt sind, prächtig in der Zeichnung, aber stumpf in der
Farbe, verfehlen in ihrem zu selbständigen und prätentiösen Stil den Zweck,
den die Glasmalerei einzig haben kann, d. h. eine Art gemusterten Teppichs
herzustellen. An einem Marmorciborium aus dem 16. Jahrhundert, doch
nach Mino da Fiesole's Vorbildern gearbeitet, sind bemerkenswerth die Spu¬
ren nicht nur von Gold, sondern auch von Roth, Blau, Schwarz an
Gewändern, Haaren, Ornamenten, Engelflügeln :c. Man ahnt kaum, wie
viele von den jetzt weißen Sculpturen, selbst nach der Frührenaissance, ur¬
sprünglich farbig geschmückt waren. Es herrschte im 15. --16. Jahrhundert
ein Kampf und ein Schwanken zwischen polychromatischer und farbloser Be¬
handlung der Sculptur. Ein deutliches Bild dieser Unsicherheit geben die
glasirten Terracotten der Robbia in Toscana, des Guido Mazzoni in
Modena, sowie des Begarelli in Parma, weil ihre Werke, vermöge der
Glasur, in Bezug auf die Farbe im ursprünglichen Zustande erhalten sind.
(Und könnte man nicht auch die Bemalung von Marmorsculpturen durch
eine leichte Glasur schützen?) Während die Robbia zwischen Bemalung und
Nichtbemalung schwankten, behandelte Mazzoni seine Statuen entschieden
farbig, Begarelli farblos. So sind auch in der Kathedrale von Arezzo
mehrere der schönsten Reliefs aus der Schule Robbia, wovon die einen vor¬
wiegend weiß, das andere, ein herrlicher Altar von Andrea della Robbia,
durchaus polychrom behandelt ist.

Von italienischen Malern aus dem Anfang dieses Jahrhunderts sind
zwei Bilder in der Kathedrale zu nennen: "Der Triumph der Judith"
von Pietro Benvenuti aus dem Jahre 1804, und: "Abigail, welcher den Da¬
vid mit dem Saitenspiel versöhnt" von Luigi Sabatelli. Wenn an ersterem
Bilde kleinliche Motive und Mangel an wirklicher Energie zu rügen sind, so
ist dagegen das andre, trotz mancher Härten, doch reich an poetischem Schwung
und edlen Motiven. Links an der Wand neben dem Eingang zur Sakristei
ist das Brustbild einer Magdalene al tresoo von Piero della Francesca, im
Jahre 14S8 gemalt worden. Der süße Ausdruck in dem kräftigen Gesicht
läßt den Meister des Luc" Signorelli erkennen. Von diesem letzteren befinden
sich in der Sakristei mehrere kleine Predellenbilder, flüchtig, aber mit sehr
hübschen Motiven, auf deren einem das Sposalizio sowohl im Ganzen der
Composition, als besonders in einem stabbrechenden Jüngling sehr an das
Bild Raphaels in Mailand erinnert. Ueberhaupt aber ist auch diese Com¬
position seit den frühesten Zeiten ein Gemeingut der toskanischen Künstler.

Ueber die schöne Badia von Vasari kann gleichfalls auf Burckhardt
verwiesen werden. Die Nebenräume, mit den Flachkuppeln und mit den nie¬
drigern Säulen mit Bogen zwischen zwei höheren Pfeilern, scheinen mir von


Die Glasscheiben des Wilhelm von Marseille, womit mehrere Fenster
der Kirche geschmückt sind, prächtig in der Zeichnung, aber stumpf in der
Farbe, verfehlen in ihrem zu selbständigen und prätentiösen Stil den Zweck,
den die Glasmalerei einzig haben kann, d. h. eine Art gemusterten Teppichs
herzustellen. An einem Marmorciborium aus dem 16. Jahrhundert, doch
nach Mino da Fiesole's Vorbildern gearbeitet, sind bemerkenswerth die Spu¬
ren nicht nur von Gold, sondern auch von Roth, Blau, Schwarz an
Gewändern, Haaren, Ornamenten, Engelflügeln :c. Man ahnt kaum, wie
viele von den jetzt weißen Sculpturen, selbst nach der Frührenaissance, ur¬
sprünglich farbig geschmückt waren. Es herrschte im 15. —16. Jahrhundert
ein Kampf und ein Schwanken zwischen polychromatischer und farbloser Be¬
handlung der Sculptur. Ein deutliches Bild dieser Unsicherheit geben die
glasirten Terracotten der Robbia in Toscana, des Guido Mazzoni in
Modena, sowie des Begarelli in Parma, weil ihre Werke, vermöge der
Glasur, in Bezug auf die Farbe im ursprünglichen Zustande erhalten sind.
(Und könnte man nicht auch die Bemalung von Marmorsculpturen durch
eine leichte Glasur schützen?) Während die Robbia zwischen Bemalung und
Nichtbemalung schwankten, behandelte Mazzoni seine Statuen entschieden
farbig, Begarelli farblos. So sind auch in der Kathedrale von Arezzo
mehrere der schönsten Reliefs aus der Schule Robbia, wovon die einen vor¬
wiegend weiß, das andere, ein herrlicher Altar von Andrea della Robbia,
durchaus polychrom behandelt ist.

Von italienischen Malern aus dem Anfang dieses Jahrhunderts sind
zwei Bilder in der Kathedrale zu nennen: „Der Triumph der Judith"
von Pietro Benvenuti aus dem Jahre 1804, und: „Abigail, welcher den Da¬
vid mit dem Saitenspiel versöhnt" von Luigi Sabatelli. Wenn an ersterem
Bilde kleinliche Motive und Mangel an wirklicher Energie zu rügen sind, so
ist dagegen das andre, trotz mancher Härten, doch reich an poetischem Schwung
und edlen Motiven. Links an der Wand neben dem Eingang zur Sakristei
ist das Brustbild einer Magdalene al tresoo von Piero della Francesca, im
Jahre 14S8 gemalt worden. Der süße Ausdruck in dem kräftigen Gesicht
läßt den Meister des Luc« Signorelli erkennen. Von diesem letzteren befinden
sich in der Sakristei mehrere kleine Predellenbilder, flüchtig, aber mit sehr
hübschen Motiven, auf deren einem das Sposalizio sowohl im Ganzen der
Composition, als besonders in einem stabbrechenden Jüngling sehr an das
Bild Raphaels in Mailand erinnert. Ueberhaupt aber ist auch diese Com¬
position seit den frühesten Zeiten ein Gemeingut der toskanischen Künstler.

Ueber die schöne Badia von Vasari kann gleichfalls auf Burckhardt
verwiesen werden. Die Nebenräume, mit den Flachkuppeln und mit den nie¬
drigern Säulen mit Bogen zwischen zwei höheren Pfeilern, scheinen mir von


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[0374] Die Glasscheiben des Wilhelm von Marseille, womit mehrere Fenster der Kirche geschmückt sind, prächtig in der Zeichnung, aber stumpf in der Farbe, verfehlen in ihrem zu selbständigen und prätentiösen Stil den Zweck, den die Glasmalerei einzig haben kann, d. h. eine Art gemusterten Teppichs herzustellen. An einem Marmorciborium aus dem 16. Jahrhundert, doch nach Mino da Fiesole's Vorbildern gearbeitet, sind bemerkenswerth die Spu¬ ren nicht nur von Gold, sondern auch von Roth, Blau, Schwarz an Gewändern, Haaren, Ornamenten, Engelflügeln :c. Man ahnt kaum, wie viele von den jetzt weißen Sculpturen, selbst nach der Frührenaissance, ur¬ sprünglich farbig geschmückt waren. Es herrschte im 15. —16. Jahrhundert ein Kampf und ein Schwanken zwischen polychromatischer und farbloser Be¬ handlung der Sculptur. Ein deutliches Bild dieser Unsicherheit geben die glasirten Terracotten der Robbia in Toscana, des Guido Mazzoni in Modena, sowie des Begarelli in Parma, weil ihre Werke, vermöge der Glasur, in Bezug auf die Farbe im ursprünglichen Zustande erhalten sind. (Und könnte man nicht auch die Bemalung von Marmorsculpturen durch eine leichte Glasur schützen?) Während die Robbia zwischen Bemalung und Nichtbemalung schwankten, behandelte Mazzoni seine Statuen entschieden farbig, Begarelli farblos. So sind auch in der Kathedrale von Arezzo mehrere der schönsten Reliefs aus der Schule Robbia, wovon die einen vor¬ wiegend weiß, das andere, ein herrlicher Altar von Andrea della Robbia, durchaus polychrom behandelt ist. Von italienischen Malern aus dem Anfang dieses Jahrhunderts sind zwei Bilder in der Kathedrale zu nennen: „Der Triumph der Judith" von Pietro Benvenuti aus dem Jahre 1804, und: „Abigail, welcher den Da¬ vid mit dem Saitenspiel versöhnt" von Luigi Sabatelli. Wenn an ersterem Bilde kleinliche Motive und Mangel an wirklicher Energie zu rügen sind, so ist dagegen das andre, trotz mancher Härten, doch reich an poetischem Schwung und edlen Motiven. Links an der Wand neben dem Eingang zur Sakristei ist das Brustbild einer Magdalene al tresoo von Piero della Francesca, im Jahre 14S8 gemalt worden. Der süße Ausdruck in dem kräftigen Gesicht läßt den Meister des Luc« Signorelli erkennen. Von diesem letzteren befinden sich in der Sakristei mehrere kleine Predellenbilder, flüchtig, aber mit sehr hübschen Motiven, auf deren einem das Sposalizio sowohl im Ganzen der Composition, als besonders in einem stabbrechenden Jüngling sehr an das Bild Raphaels in Mailand erinnert. Ueberhaupt aber ist auch diese Com¬ position seit den frühesten Zeiten ein Gemeingut der toskanischen Künstler. Ueber die schöne Badia von Vasari kann gleichfalls auf Burckhardt verwiesen werden. Die Nebenräume, mit den Flachkuppeln und mit den nie¬ drigern Säulen mit Bogen zwischen zwei höheren Pfeilern, scheinen mir von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/374>, abgerufen am 29.12.2024.