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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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thätigen Personen. In einem kürzlich im Bremer Handelsblatt erschienenen
Artikel ("Das Tabaksmonopol." Ur. 1021 v. 6. Mai) wird das Quantum
Rohtabak, welches jetzt in unseren Fabriken durchschnittlich im Jahre ver¬
arbeitet wird, auf 1,244,983 Ctr. geschätzt und angenommen, daß die daraus
hergestellten Fabrikate einen Preis von mindestens 10--12 Millionen Thalern
repräsentiren. Aber bei diesen Daten und Schätzungen ist jene nichtfabrika-
tive Kleinindustrie gänzlich außer Acht gelassen, welche, weil als Nebenge¬
werbe betrieben, sich der statistischen Erhebung entzieht, obwohl sie, nur ge¬
ringes Anlage-Capital erfordernd, Tausenden fleißiger Arbeiter Jahr ein und
Jahr aus einen hübschen Nebenverdienst gewährt.

Diese ganze großartig entwickelte Industrie würde das Monopol mit
einem Schlage vernichten. Die Regie würde ja -freilich clam Theil der in
ihr beschäftigten Arbeiter in den Dienst nehmen; aber nur einen Theil; denn
sie würde nur in stark concentrirten Großbetrieb arbeiten können, welcher
bekanntlich größere technische Leistungen mit geringerem Arbeitsaufwand er¬
möglicht, als der decentralisirte und gemischte Betrieb. Gerade jene Classe
von Arbeitern, welche diese Industrie suchen, weil sie, an den Ort gebunden,
überall, also auch an ihrem Wohnsitze, sich ihr widmen können, jene, welche
wegen Schwäche oder Gebrechlichkeit jede andere Arbeit meiden müssen, in
dieser Industrie aber ihre schwache Kraft noch leidlich verwerthen können,
wird größtentheils um ihren Verdienst gebracht werden. Millionen von Ca¬
pitalien, Unsummen mühsam erlernter Geschicklichkeit und allmälig erlangter
Erfahrung werden bräche gelegt werden. Man kann die Fabrikanten, man
kann vielleicht auch die entbehrlich werdenden Fabrikarbeiter und die Klein¬
unternehmungen entschädigen. Als man im Jahre 1811 in Frankreich das
Monopol wieder einführte, wurden den Fabrikanten wenigstens ihre Rohstoffe,
ihre Fabrikate und ein Theil ihrer stehenden Capitalien abgekauft, beziehungs¬
weise vergütet. In Oestreich gewährte man bei Einführung des Monopoles
soviel wie möglich volle Entschädigung. Weder hier, noch dort handelte es
sich um ein auch annähernd so bedeutendes Object wie zur Zeit bei uns.
Aber man kann auch bei uns die Entschädigung wohl nothdürftig durchführen.
Sie würde eben die Erträge des Monopoles auf viele Jahre hinaus absor-
biren. Indeß unmöglich ist eine leidlich zufriedenstellende Ablösung nicht.
Was man aber nicht kann, das ist eine enorme und unerhörte Capitalver¬
nichtung, eine ausgedehnte Brandlegung geschulter Kräfte, erworbener Ge¬
schäftserfahrungen, angeknüpfter Geschäftsverbindungen verhüten, verhüten
alle jene Verluste, welche mit einem so rohen, täppischen Eingriff in das
Getriebe eines großen wirthschaftlichen Organismus unvermeidlich verbunden
sind. Und das Monopol ruinirt ja nicht nur die inländische Tabakscultur und


thätigen Personen. In einem kürzlich im Bremer Handelsblatt erschienenen
Artikel („Das Tabaksmonopol." Ur. 1021 v. 6. Mai) wird das Quantum
Rohtabak, welches jetzt in unseren Fabriken durchschnittlich im Jahre ver¬
arbeitet wird, auf 1,244,983 Ctr. geschätzt und angenommen, daß die daraus
hergestellten Fabrikate einen Preis von mindestens 10—12 Millionen Thalern
repräsentiren. Aber bei diesen Daten und Schätzungen ist jene nichtfabrika-
tive Kleinindustrie gänzlich außer Acht gelassen, welche, weil als Nebenge¬
werbe betrieben, sich der statistischen Erhebung entzieht, obwohl sie, nur ge¬
ringes Anlage-Capital erfordernd, Tausenden fleißiger Arbeiter Jahr ein und
Jahr aus einen hübschen Nebenverdienst gewährt.

Diese ganze großartig entwickelte Industrie würde das Monopol mit
einem Schlage vernichten. Die Regie würde ja -freilich clam Theil der in
ihr beschäftigten Arbeiter in den Dienst nehmen; aber nur einen Theil; denn
sie würde nur in stark concentrirten Großbetrieb arbeiten können, welcher
bekanntlich größere technische Leistungen mit geringerem Arbeitsaufwand er¬
möglicht, als der decentralisirte und gemischte Betrieb. Gerade jene Classe
von Arbeitern, welche diese Industrie suchen, weil sie, an den Ort gebunden,
überall, also auch an ihrem Wohnsitze, sich ihr widmen können, jene, welche
wegen Schwäche oder Gebrechlichkeit jede andere Arbeit meiden müssen, in
dieser Industrie aber ihre schwache Kraft noch leidlich verwerthen können,
wird größtentheils um ihren Verdienst gebracht werden. Millionen von Ca¬
pitalien, Unsummen mühsam erlernter Geschicklichkeit und allmälig erlangter
Erfahrung werden bräche gelegt werden. Man kann die Fabrikanten, man
kann vielleicht auch die entbehrlich werdenden Fabrikarbeiter und die Klein¬
unternehmungen entschädigen. Als man im Jahre 1811 in Frankreich das
Monopol wieder einführte, wurden den Fabrikanten wenigstens ihre Rohstoffe,
ihre Fabrikate und ein Theil ihrer stehenden Capitalien abgekauft, beziehungs¬
weise vergütet. In Oestreich gewährte man bei Einführung des Monopoles
soviel wie möglich volle Entschädigung. Weder hier, noch dort handelte es
sich um ein auch annähernd so bedeutendes Object wie zur Zeit bei uns.
Aber man kann auch bei uns die Entschädigung wohl nothdürftig durchführen.
Sie würde eben die Erträge des Monopoles auf viele Jahre hinaus absor-
biren. Indeß unmöglich ist eine leidlich zufriedenstellende Ablösung nicht.
Was man aber nicht kann, das ist eine enorme und unerhörte Capitalver¬
nichtung, eine ausgedehnte Brandlegung geschulter Kräfte, erworbener Ge¬
schäftserfahrungen, angeknüpfter Geschäftsverbindungen verhüten, verhüten
alle jene Verluste, welche mit einem so rohen, täppischen Eingriff in das
Getriebe eines großen wirthschaftlichen Organismus unvermeidlich verbunden
sind. Und das Monopol ruinirt ja nicht nur die inländische Tabakscultur und


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[0338] thätigen Personen. In einem kürzlich im Bremer Handelsblatt erschienenen Artikel („Das Tabaksmonopol." Ur. 1021 v. 6. Mai) wird das Quantum Rohtabak, welches jetzt in unseren Fabriken durchschnittlich im Jahre ver¬ arbeitet wird, auf 1,244,983 Ctr. geschätzt und angenommen, daß die daraus hergestellten Fabrikate einen Preis von mindestens 10—12 Millionen Thalern repräsentiren. Aber bei diesen Daten und Schätzungen ist jene nichtfabrika- tive Kleinindustrie gänzlich außer Acht gelassen, welche, weil als Nebenge¬ werbe betrieben, sich der statistischen Erhebung entzieht, obwohl sie, nur ge¬ ringes Anlage-Capital erfordernd, Tausenden fleißiger Arbeiter Jahr ein und Jahr aus einen hübschen Nebenverdienst gewährt. Diese ganze großartig entwickelte Industrie würde das Monopol mit einem Schlage vernichten. Die Regie würde ja -freilich clam Theil der in ihr beschäftigten Arbeiter in den Dienst nehmen; aber nur einen Theil; denn sie würde nur in stark concentrirten Großbetrieb arbeiten können, welcher bekanntlich größere technische Leistungen mit geringerem Arbeitsaufwand er¬ möglicht, als der decentralisirte und gemischte Betrieb. Gerade jene Classe von Arbeitern, welche diese Industrie suchen, weil sie, an den Ort gebunden, überall, also auch an ihrem Wohnsitze, sich ihr widmen können, jene, welche wegen Schwäche oder Gebrechlichkeit jede andere Arbeit meiden müssen, in dieser Industrie aber ihre schwache Kraft noch leidlich verwerthen können, wird größtentheils um ihren Verdienst gebracht werden. Millionen von Ca¬ pitalien, Unsummen mühsam erlernter Geschicklichkeit und allmälig erlangter Erfahrung werden bräche gelegt werden. Man kann die Fabrikanten, man kann vielleicht auch die entbehrlich werdenden Fabrikarbeiter und die Klein¬ unternehmungen entschädigen. Als man im Jahre 1811 in Frankreich das Monopol wieder einführte, wurden den Fabrikanten wenigstens ihre Rohstoffe, ihre Fabrikate und ein Theil ihrer stehenden Capitalien abgekauft, beziehungs¬ weise vergütet. In Oestreich gewährte man bei Einführung des Monopoles soviel wie möglich volle Entschädigung. Weder hier, noch dort handelte es sich um ein auch annähernd so bedeutendes Object wie zur Zeit bei uns. Aber man kann auch bei uns die Entschädigung wohl nothdürftig durchführen. Sie würde eben die Erträge des Monopoles auf viele Jahre hinaus absor- biren. Indeß unmöglich ist eine leidlich zufriedenstellende Ablösung nicht. Was man aber nicht kann, das ist eine enorme und unerhörte Capitalver¬ nichtung, eine ausgedehnte Brandlegung geschulter Kräfte, erworbener Ge¬ schäftserfahrungen, angeknüpfter Geschäftsverbindungen verhüten, verhüten alle jene Verluste, welche mit einem so rohen, täppischen Eingriff in das Getriebe eines großen wirthschaftlichen Organismus unvermeidlich verbunden sind. Und das Monopol ruinirt ja nicht nur die inländische Tabakscultur und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/338>, abgerufen am 29.09.2024.