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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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ein mit der Förderung der Landescultur - Interessen betrauter süddeutscher
Ministerialbeamter den Tabaksbau-Interessenten einzureden, daß das Monopol
ihnen günstiger sei, als eine hohe Morgensteuer. Aber diese Vorstellungen
fanden wenig Glauben. Man sagte sich, unter den Erschwerungen und Be¬
schränkungen, welche das Monopol erfordere, Tabak zu pflanzen, sei schlimmer,
als auf diese Cultur ganz verzichten zu müssen; die Regie habe gar nicht jenes
Interesse, die inländische Cultur bei Kräften zu erhalten, welches die jetzigen
Abnehmer beseele; sie werde stets nur geneigt sein, für das unter ihrer lästi¬
gen steueramtlichen Controle erzielte Product die niedrigsten Preise zu zahlen;
in Frankreich habe sich die Cultur des Tabaks unter der Herrschaft des Mo¬
nopoles nicht entwickelt; sie sei vielmehr fort und fort zurückgegangen und
verkümmert; unsicher, ob man für besser gepflegtes Blatt einen höheren Preis
erziele, verliere man auch den Trieb zu fortwährenden Verbesserungen der
Cultur; zwar gestatte ja das Monopol den Anbau für den Export, aber nur
auf bestimmten, für diesen Zweck besonders declarirten Flächen, deren Erträg-
niß dann unbedingt ausgeführt werden müsse, auch wenn die Conjuncturen
des auswärtigen Handels ungünstig seien. Wohl lasse sich eine Belastung
der Cultur durch eine Morgensteuer denken, der man die Fortsetzung des
Anbaues für eine Regie vorziehen werde; aber die Einführung der Regie
werde doch ebenso wie eine so hohe Morgensteuer die Wirkung haben, daß
man so bald als möglich Die Cultur ganz aufgebe; die betriebsamsten, geschick¬
testen und intelligentesten Pflanzer werden am ersten zu diesem Schritte sich
entschließen; wer für die Regie am längsten fortzuarbeiten geneigt sein werde,
das seien die minder betriebsamen und intelligenten Wirthe. Wenn -- so
äußerte sich ein intelligenter pfälzischer Pflanzer im Jahre 1868 -- das eng¬
lische System die inländische Cultur todtschlagen würde, so würde das Mo¬
nopol sie allmälig zu Tode quälen; er und seine Nachbarn würden lieber
auswandern, als für die Regie Tabak pflanzen, so und soviel Pflanzen auf
die Quadratruthe, so und soviel Kreuzer per Pfd., dann und da, wann und
wo die Verordnung vorschreibe, in dem und dem Zustande abzuliefern u. f. w.
Aber so groß und empfindlich auch der Nachtheil der Vernichtung des inlän¬
dischen Tabaksbaues sein würde, größer und empfindlicher wäre der Schaden,
welchen das Monopol unserer Industrie bereiten würde. Die Tabakverarbei¬
tung hat sich in Deutschland -- Dank der völligen Freiheit ihrer Bewegung --
zu einem sehr großartigen Industriezweige entwickelt. Sie wird als Haupt-
und Neben-Gewerbe, im Kleinen und Großen, fahrn'alio und manufactur-
mäßig, in Stadt und Land, im Norden wie im Süden betrieben. Nach den
amtlichen Gewerbetabellen des Zollvereins beschäftigte sie bereits vor 10 Jah¬
ren 3323 Tabaks- und Cigarrenfabriken mit 4323 Directionspersonen, 32,702
männlichen und 21,336 weiblichen Arbeitern, überhaupt also 58,361 selbst-


Grenzbotm I. 1871. 108

ein mit der Förderung der Landescultur - Interessen betrauter süddeutscher
Ministerialbeamter den Tabaksbau-Interessenten einzureden, daß das Monopol
ihnen günstiger sei, als eine hohe Morgensteuer. Aber diese Vorstellungen
fanden wenig Glauben. Man sagte sich, unter den Erschwerungen und Be¬
schränkungen, welche das Monopol erfordere, Tabak zu pflanzen, sei schlimmer,
als auf diese Cultur ganz verzichten zu müssen; die Regie habe gar nicht jenes
Interesse, die inländische Cultur bei Kräften zu erhalten, welches die jetzigen
Abnehmer beseele; sie werde stets nur geneigt sein, für das unter ihrer lästi¬
gen steueramtlichen Controle erzielte Product die niedrigsten Preise zu zahlen;
in Frankreich habe sich die Cultur des Tabaks unter der Herrschaft des Mo¬
nopoles nicht entwickelt; sie sei vielmehr fort und fort zurückgegangen und
verkümmert; unsicher, ob man für besser gepflegtes Blatt einen höheren Preis
erziele, verliere man auch den Trieb zu fortwährenden Verbesserungen der
Cultur; zwar gestatte ja das Monopol den Anbau für den Export, aber nur
auf bestimmten, für diesen Zweck besonders declarirten Flächen, deren Erträg-
niß dann unbedingt ausgeführt werden müsse, auch wenn die Conjuncturen
des auswärtigen Handels ungünstig seien. Wohl lasse sich eine Belastung
der Cultur durch eine Morgensteuer denken, der man die Fortsetzung des
Anbaues für eine Regie vorziehen werde; aber die Einführung der Regie
werde doch ebenso wie eine so hohe Morgensteuer die Wirkung haben, daß
man so bald als möglich Die Cultur ganz aufgebe; die betriebsamsten, geschick¬
testen und intelligentesten Pflanzer werden am ersten zu diesem Schritte sich
entschließen; wer für die Regie am längsten fortzuarbeiten geneigt sein werde,
das seien die minder betriebsamen und intelligenten Wirthe. Wenn — so
äußerte sich ein intelligenter pfälzischer Pflanzer im Jahre 1868 — das eng¬
lische System die inländische Cultur todtschlagen würde, so würde das Mo¬
nopol sie allmälig zu Tode quälen; er und seine Nachbarn würden lieber
auswandern, als für die Regie Tabak pflanzen, so und soviel Pflanzen auf
die Quadratruthe, so und soviel Kreuzer per Pfd., dann und da, wann und
wo die Verordnung vorschreibe, in dem und dem Zustande abzuliefern u. f. w.
Aber so groß und empfindlich auch der Nachtheil der Vernichtung des inlän¬
dischen Tabaksbaues sein würde, größer und empfindlicher wäre der Schaden,
welchen das Monopol unserer Industrie bereiten würde. Die Tabakverarbei¬
tung hat sich in Deutschland — Dank der völligen Freiheit ihrer Bewegung —
zu einem sehr großartigen Industriezweige entwickelt. Sie wird als Haupt-
und Neben-Gewerbe, im Kleinen und Großen, fahrn'alio und manufactur-
mäßig, in Stadt und Land, im Norden wie im Süden betrieben. Nach den
amtlichen Gewerbetabellen des Zollvereins beschäftigte sie bereits vor 10 Jah¬
ren 3323 Tabaks- und Cigarrenfabriken mit 4323 Directionspersonen, 32,702
männlichen und 21,336 weiblichen Arbeitern, überhaupt also 58,361 selbst-


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[0337] ein mit der Förderung der Landescultur - Interessen betrauter süddeutscher Ministerialbeamter den Tabaksbau-Interessenten einzureden, daß das Monopol ihnen günstiger sei, als eine hohe Morgensteuer. Aber diese Vorstellungen fanden wenig Glauben. Man sagte sich, unter den Erschwerungen und Be¬ schränkungen, welche das Monopol erfordere, Tabak zu pflanzen, sei schlimmer, als auf diese Cultur ganz verzichten zu müssen; die Regie habe gar nicht jenes Interesse, die inländische Cultur bei Kräften zu erhalten, welches die jetzigen Abnehmer beseele; sie werde stets nur geneigt sein, für das unter ihrer lästi¬ gen steueramtlichen Controle erzielte Product die niedrigsten Preise zu zahlen; in Frankreich habe sich die Cultur des Tabaks unter der Herrschaft des Mo¬ nopoles nicht entwickelt; sie sei vielmehr fort und fort zurückgegangen und verkümmert; unsicher, ob man für besser gepflegtes Blatt einen höheren Preis erziele, verliere man auch den Trieb zu fortwährenden Verbesserungen der Cultur; zwar gestatte ja das Monopol den Anbau für den Export, aber nur auf bestimmten, für diesen Zweck besonders declarirten Flächen, deren Erträg- niß dann unbedingt ausgeführt werden müsse, auch wenn die Conjuncturen des auswärtigen Handels ungünstig seien. Wohl lasse sich eine Belastung der Cultur durch eine Morgensteuer denken, der man die Fortsetzung des Anbaues für eine Regie vorziehen werde; aber die Einführung der Regie werde doch ebenso wie eine so hohe Morgensteuer die Wirkung haben, daß man so bald als möglich Die Cultur ganz aufgebe; die betriebsamsten, geschick¬ testen und intelligentesten Pflanzer werden am ersten zu diesem Schritte sich entschließen; wer für die Regie am längsten fortzuarbeiten geneigt sein werde, das seien die minder betriebsamen und intelligenten Wirthe. Wenn — so äußerte sich ein intelligenter pfälzischer Pflanzer im Jahre 1868 — das eng¬ lische System die inländische Cultur todtschlagen würde, so würde das Mo¬ nopol sie allmälig zu Tode quälen; er und seine Nachbarn würden lieber auswandern, als für die Regie Tabak pflanzen, so und soviel Pflanzen auf die Quadratruthe, so und soviel Kreuzer per Pfd., dann und da, wann und wo die Verordnung vorschreibe, in dem und dem Zustande abzuliefern u. f. w. Aber so groß und empfindlich auch der Nachtheil der Vernichtung des inlän¬ dischen Tabaksbaues sein würde, größer und empfindlicher wäre der Schaden, welchen das Monopol unserer Industrie bereiten würde. Die Tabakverarbei¬ tung hat sich in Deutschland — Dank der völligen Freiheit ihrer Bewegung — zu einem sehr großartigen Industriezweige entwickelt. Sie wird als Haupt- und Neben-Gewerbe, im Kleinen und Großen, fahrn'alio und manufactur- mäßig, in Stadt und Land, im Norden wie im Süden betrieben. Nach den amtlichen Gewerbetabellen des Zollvereins beschäftigte sie bereits vor 10 Jah¬ ren 3323 Tabaks- und Cigarrenfabriken mit 4323 Directionspersonen, 32,702 männlichen und 21,336 weiblichen Arbeitern, überhaupt also 58,361 selbst- Grenzbotm I. 1871. 108

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/337>, abgerufen am 29.09.2024.