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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Häringsfang theilzunehmen, so können wir nickt hoffen, in der Lieferung
der massenhaft consumirten billigsten und billigen Sorten mit Norwegern
und Schotten zu concurriren, denen der Fisch sozusagen von selbst ins Garn
läuft, -- wir haben günstigsten Falles Anwartschaft auf einen Theil jener
wählerischen Nachfrage, die den holländischen Häring vorzieht. Wird das
der Mühe werth sein? Man sollte es billig bezweifeln, wenn man sich die
Möglichkeit vergegenwärtigt, daß jener niederländische Betrieb vielleicht weniger
weil er jetzt noch recht lohnte, als weil er der letzte Rest eines einst blühenden
und großartigen Geschäftszweiges ist, zur Zeit noch fortbesteht, -- wenn man
serner an den Capitalreichthum der Niederlande denkt, welchen wir für unsre
armen Fischer durch Staatszuschüsse in irgend einer Form aufzuwiegen haben
würden, -- und endlich auch nicht übersieht, daß der Häringsgeschmack in der
Abnahme begriffen ist, ^namentlich bei dem die feinsten Sorten würdigenden
und bezahlenden Publicum, u. a, deshalb weil der frische Seefisch anfängt
auf unsre tägliche Mittagstafel vorzudringen. In England wird zwar
grade der Häring von Aarmouth massenweise frisch gegessen; aber dazu muß
man ihn näher haben, als er uns im Allgemeinen je sein kann,

Es ist hiernach schwer zu glauben, daß die Idee einer Combination von
Häringsfang, und Grundnetzfischerei sich erfolgreich realisiren lassen würde.
Der Häringsfang auf mittelalterliche katholische Bedürfnisse ursprünglich ge¬
gründet, liegt hinter uns. Frisches zukunftsvolles Leben steckt dagegen in der
Grundnetzfischerei, der Tochter des Jahrhunderts, mit ihrer Begründung auf
gediegenen Schiffsbau, Eis-Gebrauch und allseits entwickelten Eisenbahnver¬
kehr; und wenn der Staat überhaupt eine Rolle übernehmen muß, so wähle
er sich die: einen in Anfängen bereits bestehenden zeitgemäßen und hoffnungs¬
vollen Betrieb zum Besten einer strebsamen armen Bevölkerung und seiner
eignen Seestreitkraft während einer augenblicklichen kritischen Periode am
Leben zu erhalten. Das ist nicht etwa ein specifisch hanseatisches Interesse.
Die ganze Nordseeküste kann füglich hineingezogen werden. Aber da dieselbe
doch nicht ganz preußisch ist, so sollte als Sache des Reichs, nicht
des preußischen Staats behandelt werden, der Fischerei dort durch¬
greifend aufzuhelfen, und eine Sachverständigen-Commission mit ausreichendem
Credit beauftragt werden. Genossenschaften durch Vorschüsse ins Leben zu
rufen, oder auch solche an einzelne geeignete Fischer zu ertheilen. Das ist
die einzige Form, in welcher Staatshilfe allenfalls mehr fördern als schaden
oder mindestens völlig weggeworfen sein könnte.




Häringsfang theilzunehmen, so können wir nickt hoffen, in der Lieferung
der massenhaft consumirten billigsten und billigen Sorten mit Norwegern
und Schotten zu concurriren, denen der Fisch sozusagen von selbst ins Garn
läuft, — wir haben günstigsten Falles Anwartschaft auf einen Theil jener
wählerischen Nachfrage, die den holländischen Häring vorzieht. Wird das
der Mühe werth sein? Man sollte es billig bezweifeln, wenn man sich die
Möglichkeit vergegenwärtigt, daß jener niederländische Betrieb vielleicht weniger
weil er jetzt noch recht lohnte, als weil er der letzte Rest eines einst blühenden
und großartigen Geschäftszweiges ist, zur Zeit noch fortbesteht, — wenn man
serner an den Capitalreichthum der Niederlande denkt, welchen wir für unsre
armen Fischer durch Staatszuschüsse in irgend einer Form aufzuwiegen haben
würden, — und endlich auch nicht übersieht, daß der Häringsgeschmack in der
Abnahme begriffen ist, ^namentlich bei dem die feinsten Sorten würdigenden
und bezahlenden Publicum, u. a, deshalb weil der frische Seefisch anfängt
auf unsre tägliche Mittagstafel vorzudringen. In England wird zwar
grade der Häring von Aarmouth massenweise frisch gegessen; aber dazu muß
man ihn näher haben, als er uns im Allgemeinen je sein kann,

Es ist hiernach schwer zu glauben, daß die Idee einer Combination von
Häringsfang, und Grundnetzfischerei sich erfolgreich realisiren lassen würde.
Der Häringsfang auf mittelalterliche katholische Bedürfnisse ursprünglich ge¬
gründet, liegt hinter uns. Frisches zukunftsvolles Leben steckt dagegen in der
Grundnetzfischerei, der Tochter des Jahrhunderts, mit ihrer Begründung auf
gediegenen Schiffsbau, Eis-Gebrauch und allseits entwickelten Eisenbahnver¬
kehr; und wenn der Staat überhaupt eine Rolle übernehmen muß, so wähle
er sich die: einen in Anfängen bereits bestehenden zeitgemäßen und hoffnungs¬
vollen Betrieb zum Besten einer strebsamen armen Bevölkerung und seiner
eignen Seestreitkraft während einer augenblicklichen kritischen Periode am
Leben zu erhalten. Das ist nicht etwa ein specifisch hanseatisches Interesse.
Die ganze Nordseeküste kann füglich hineingezogen werden. Aber da dieselbe
doch nicht ganz preußisch ist, so sollte als Sache des Reichs, nicht
des preußischen Staats behandelt werden, der Fischerei dort durch¬
greifend aufzuhelfen, und eine Sachverständigen-Commission mit ausreichendem
Credit beauftragt werden. Genossenschaften durch Vorschüsse ins Leben zu
rufen, oder auch solche an einzelne geeignete Fischer zu ertheilen. Das ist
die einzige Form, in welcher Staatshilfe allenfalls mehr fördern als schaden
oder mindestens völlig weggeworfen sein könnte.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/325>, abgerufen am 28.09.2024.