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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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scheint es ja, wenigstens den einen oder andern seiner Bestandtheile drittels-
oder viertelsweise zu erreichen.

Halten wir uns daher nicht bei der lächerlichen Geringfügigkeit der be¬
gehrten Summe für die verfolgten großartigen und mannigfaltigen Zwecke
auf, sondern prüfen wir lieber eben diese Zwecke.

Obenan steht die neue Idee der Combination von Häringsfcmg und
Grundnetzstscherei. Grundnetzfischerei allein, das scheinen die Hamburger und
Bremer Erfahrungen herauszustellen, ist nicht hinlänglich lohnend, und
Häringsfcmg allein auch nicht, denn unter Friedrich dem Großen mußte er
in Emden durch Staatszuschüsse und Privilegien auf den Beinen erhalten werden.
Aber wenn dieselben Schiffe zu der Zeit, da der Häring in gedrängten Zügen
die Küste sucht und an die Oberfläche des Meeres kommt, diesem alten Lieb¬
lingsgericht der nordischen Völker nachstellen, während des ganzen Rehes des
Jahres hingegen mit dem Grundnetz Steinbutte, Zungen und Schollen fangen
könnten, das müßte ja sicher einen befriedigenden Ertrag abwerfen! Ohnehin,
hört man, machen die Niederländer es schon so, und mit großem Profit.
Diese niederländische Praxis soll nun näher untersucht werden, und es kann
gewiß auf keinen Fall schaden. Aller Wahrscheinlichkeit nach indessen wird
sich dabei Folgendes ergeben. Der Häringshandel ist gegenwärtig so gut
wie ausschließlich in den Händen dreier Völker, der Norweger, der Schotten
und der Niederländer. Die ersten beiden liefern die große Masse des europäi¬
schen Verbrauchs;" holländischer Häring ist der feinste und gesuchteste, tritt
aber in ganz geringen Mengen auf. Die großen Häringszüge, welche im
Laufe der Jahrhunderte ihre Richtung wiederholt gewechselt haben, richten
sich jetzt ständig nach der norwegischen und der schottischen Küste. Die An¬
wohner dieser beiden Küsten haben also ein natürliches Vorrecht auf den
Fang. Sie können ihm in kleinen, gering bemannten Schiffen obliegen, weil
ihre Landungsplätze nahe genug sind, um pünktliche und häufige Ablieferung
der gefangenen Fische zu gestatten. Wer mit ihnen von weiterher concurriren
will, wie die Holländer an der schottischen Küste aus alter Gewohnheit noch
thun, der muß große Schiffe mit zahlreicherer Mannschaft aufbieten, theils
um nicht vor jedem aufziehenden Unwetter den Hafen aufsuchen zu müssen,
theils um die Fische gleich an Bord ausweiden und in Salz legen zu können,
weil sie sonst verderben würden. Dies würde sich aber nicht bezahlt machen,
wenn nicht gerade die sofortige Einsalzung an Bord dem Fisch noch einen
gewissen Vorzug im Geschmacke vor dem erst ans Land gebrachten und dort
eingepökelten Häring gäbe. So arbeiten die Holländer gegen Schotten und
Norweger unter einem geschäftlichen Nachtheil, der in einen entsprechenden
geschäftlichen Vortheil umschlägt; das jedoch nur für die Feinschmecker des
Häringsmarktes. Wenn wir Deutschen also von neuem beginnen wollen am


scheint es ja, wenigstens den einen oder andern seiner Bestandtheile drittels-
oder viertelsweise zu erreichen.

Halten wir uns daher nicht bei der lächerlichen Geringfügigkeit der be¬
gehrten Summe für die verfolgten großartigen und mannigfaltigen Zwecke
auf, sondern prüfen wir lieber eben diese Zwecke.

Obenan steht die neue Idee der Combination von Häringsfcmg und
Grundnetzstscherei. Grundnetzfischerei allein, das scheinen die Hamburger und
Bremer Erfahrungen herauszustellen, ist nicht hinlänglich lohnend, und
Häringsfcmg allein auch nicht, denn unter Friedrich dem Großen mußte er
in Emden durch Staatszuschüsse und Privilegien auf den Beinen erhalten werden.
Aber wenn dieselben Schiffe zu der Zeit, da der Häring in gedrängten Zügen
die Küste sucht und an die Oberfläche des Meeres kommt, diesem alten Lieb¬
lingsgericht der nordischen Völker nachstellen, während des ganzen Rehes des
Jahres hingegen mit dem Grundnetz Steinbutte, Zungen und Schollen fangen
könnten, das müßte ja sicher einen befriedigenden Ertrag abwerfen! Ohnehin,
hört man, machen die Niederländer es schon so, und mit großem Profit.
Diese niederländische Praxis soll nun näher untersucht werden, und es kann
gewiß auf keinen Fall schaden. Aller Wahrscheinlichkeit nach indessen wird
sich dabei Folgendes ergeben. Der Häringshandel ist gegenwärtig so gut
wie ausschließlich in den Händen dreier Völker, der Norweger, der Schotten
und der Niederländer. Die ersten beiden liefern die große Masse des europäi¬
schen Verbrauchs;« holländischer Häring ist der feinste und gesuchteste, tritt
aber in ganz geringen Mengen auf. Die großen Häringszüge, welche im
Laufe der Jahrhunderte ihre Richtung wiederholt gewechselt haben, richten
sich jetzt ständig nach der norwegischen und der schottischen Küste. Die An¬
wohner dieser beiden Küsten haben also ein natürliches Vorrecht auf den
Fang. Sie können ihm in kleinen, gering bemannten Schiffen obliegen, weil
ihre Landungsplätze nahe genug sind, um pünktliche und häufige Ablieferung
der gefangenen Fische zu gestatten. Wer mit ihnen von weiterher concurriren
will, wie die Holländer an der schottischen Küste aus alter Gewohnheit noch
thun, der muß große Schiffe mit zahlreicherer Mannschaft aufbieten, theils
um nicht vor jedem aufziehenden Unwetter den Hafen aufsuchen zu müssen,
theils um die Fische gleich an Bord ausweiden und in Salz legen zu können,
weil sie sonst verderben würden. Dies würde sich aber nicht bezahlt machen,
wenn nicht gerade die sofortige Einsalzung an Bord dem Fisch noch einen
gewissen Vorzug im Geschmacke vor dem erst ans Land gebrachten und dort
eingepökelten Häring gäbe. So arbeiten die Holländer gegen Schotten und
Norweger unter einem geschäftlichen Nachtheil, der in einen entsprechenden
geschäftlichen Vortheil umschlägt; das jedoch nur für die Feinschmecker des
Häringsmarktes. Wenn wir Deutschen also von neuem beginnen wollen am


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[0324] scheint es ja, wenigstens den einen oder andern seiner Bestandtheile drittels- oder viertelsweise zu erreichen. Halten wir uns daher nicht bei der lächerlichen Geringfügigkeit der be¬ gehrten Summe für die verfolgten großartigen und mannigfaltigen Zwecke auf, sondern prüfen wir lieber eben diese Zwecke. Obenan steht die neue Idee der Combination von Häringsfcmg und Grundnetzstscherei. Grundnetzfischerei allein, das scheinen die Hamburger und Bremer Erfahrungen herauszustellen, ist nicht hinlänglich lohnend, und Häringsfcmg allein auch nicht, denn unter Friedrich dem Großen mußte er in Emden durch Staatszuschüsse und Privilegien auf den Beinen erhalten werden. Aber wenn dieselben Schiffe zu der Zeit, da der Häring in gedrängten Zügen die Küste sucht und an die Oberfläche des Meeres kommt, diesem alten Lieb¬ lingsgericht der nordischen Völker nachstellen, während des ganzen Rehes des Jahres hingegen mit dem Grundnetz Steinbutte, Zungen und Schollen fangen könnten, das müßte ja sicher einen befriedigenden Ertrag abwerfen! Ohnehin, hört man, machen die Niederländer es schon so, und mit großem Profit. Diese niederländische Praxis soll nun näher untersucht werden, und es kann gewiß auf keinen Fall schaden. Aller Wahrscheinlichkeit nach indessen wird sich dabei Folgendes ergeben. Der Häringshandel ist gegenwärtig so gut wie ausschließlich in den Händen dreier Völker, der Norweger, der Schotten und der Niederländer. Die ersten beiden liefern die große Masse des europäi¬ schen Verbrauchs;« holländischer Häring ist der feinste und gesuchteste, tritt aber in ganz geringen Mengen auf. Die großen Häringszüge, welche im Laufe der Jahrhunderte ihre Richtung wiederholt gewechselt haben, richten sich jetzt ständig nach der norwegischen und der schottischen Küste. Die An¬ wohner dieser beiden Küsten haben also ein natürliches Vorrecht auf den Fang. Sie können ihm in kleinen, gering bemannten Schiffen obliegen, weil ihre Landungsplätze nahe genug sind, um pünktliche und häufige Ablieferung der gefangenen Fische zu gestatten. Wer mit ihnen von weiterher concurriren will, wie die Holländer an der schottischen Küste aus alter Gewohnheit noch thun, der muß große Schiffe mit zahlreicherer Mannschaft aufbieten, theils um nicht vor jedem aufziehenden Unwetter den Hafen aufsuchen zu müssen, theils um die Fische gleich an Bord ausweiden und in Salz legen zu können, weil sie sonst verderben würden. Dies würde sich aber nicht bezahlt machen, wenn nicht gerade die sofortige Einsalzung an Bord dem Fisch noch einen gewissen Vorzug im Geschmacke vor dem erst ans Land gebrachten und dort eingepökelten Häring gäbe. So arbeiten die Holländer gegen Schotten und Norweger unter einem geschäftlichen Nachtheil, der in einen entsprechenden geschäftlichen Vortheil umschlägt; das jedoch nur für die Feinschmecker des Häringsmarktes. Wenn wir Deutschen also von neuem beginnen wollen am

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/324>, abgerufen am 28.12.2024.