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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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nehmen, so verstand sich von selbst, daß man sich innerhalb der bescheiden¬
sten, überall für zulässig erachteten Grenzen hielt. Die Bremer Gesellschaft
z> B. setzte ihr Gründungs- und Vetriebs-Capital auf nicht mehr als 250,000
Thaler an; und von diesen wurden dann auch nur 150,000 Thaler gezeichnet.
Wie dieser schwache Fonds alsdann über der viel Zeit erfordernden Einübung
einer sehr phlegmatischen Mannschaft in einen nicht leichten Beruf allmählich
auf die Neige ging, rächte sich der überwiegend patriotische Charakter des
Unternehmens zum zweiten Mal. Der ursprüngliche Impuls war nun er¬
schöpft und nicht wieder zu beleben. Hätte man von vornherein die zu gewärti¬
gende Rente in den Vordergrund gestellt und den Glauben an eine solche
erfolgreich verbreitet, so wäre wohl eine neue hinreichend beträchtliche Zeich¬
nung zu erlangen gewesen; ohne diese Aussicht begreiflicher Weise nicht. Die
Leiter und Kenner des Unternehmens mögen also persönlich noch so sehr
überzeugt sein, daß gesunde Keime der Rentabilität in demselben stecken, sie
sind nicht im Stande, diese Ueberzeugung auf Leute zu übertragen, denen sie
ein eigenes förmliches Studium der vierjährigen Geschäftsergebnisse nicht zu-
muthen können, und die sie selbst früher gewöhnt haben, ihre Zeichnung vor¬
nehmlich im Lichte eines Beitrags zu patriotischen Zwecken anzusehen.

So drohte denn der wichtige Versuch, die britische Grundnetzfischerei in
Deutschland einzuführen, aus Mangel an Mitteln zur Fortsetzung des Be¬
triebs bereits allmählich unterzugehen, als im vorigen Sommer der Krieg
darüber kam und ihm statt eines chronischen ein annees Ende bereitete. In
Bremen war den Trägern der Sache eben ein gewisser Hoffnungsstrahl aufge¬
gangen, wie wenn erhöhte Geschicklichkeit und Hingebung der Leute -- eine
Folge der endlich ganz durchgeführten Löhnung durch Antheile am Gewinn --,
dadurch vermehrter Fang und sich stetig bessernder Absatz am Ende doch
noch die Möglichkeit ergeben könnte, ohne wesentliche Erweiterung der finan¬
ziellen Basis das Ziel der Selbsterhaltung mit wachsendem Ueberschusse zu er¬
reichen. Die Gesellschaft zu Danzig hatte freilich schon früher ihre Thätig¬
keit einstellen müssen; in Hamburg kämpfte man hart mit der erbitterten
Feindschaft der Ewer-Fischer alten Schlags, aber im ganzen lagen die Dinge
dort doch ähnlich wie in Bremen Da brach der Krieg aus, aller Fang
hörte auf einmal auf, und ein Theil der Schiffe wurde zur Sperrung des
Strvmfahrwassers von der Marinebehörde requirirt und versenkt. Nach der
Wiederherstellung des Friedens mit verringerter Flotte nun die zerstreute
Mannschaft aufs neue zu sammeln oder frische von unten auf einzuüben und
die gleichfalls fremdgewordene Kundschaft abermals an sich zu ziehen, ist unter
den geschilderten Umständen für die beiden hanseatischen Gesellschaften selbst
natürlich außer aller Frage. An der Hamburger und Bremer Börse ist nach
allen Kriegsverlusten weniger Geld für sie zu haben als je. Aber auch in Berlin


Grenzboten I. 187t. 106

nehmen, so verstand sich von selbst, daß man sich innerhalb der bescheiden¬
sten, überall für zulässig erachteten Grenzen hielt. Die Bremer Gesellschaft
z> B. setzte ihr Gründungs- und Vetriebs-Capital auf nicht mehr als 250,000
Thaler an; und von diesen wurden dann auch nur 150,000 Thaler gezeichnet.
Wie dieser schwache Fonds alsdann über der viel Zeit erfordernden Einübung
einer sehr phlegmatischen Mannschaft in einen nicht leichten Beruf allmählich
auf die Neige ging, rächte sich der überwiegend patriotische Charakter des
Unternehmens zum zweiten Mal. Der ursprüngliche Impuls war nun er¬
schöpft und nicht wieder zu beleben. Hätte man von vornherein die zu gewärti¬
gende Rente in den Vordergrund gestellt und den Glauben an eine solche
erfolgreich verbreitet, so wäre wohl eine neue hinreichend beträchtliche Zeich¬
nung zu erlangen gewesen; ohne diese Aussicht begreiflicher Weise nicht. Die
Leiter und Kenner des Unternehmens mögen also persönlich noch so sehr
überzeugt sein, daß gesunde Keime der Rentabilität in demselben stecken, sie
sind nicht im Stande, diese Ueberzeugung auf Leute zu übertragen, denen sie
ein eigenes förmliches Studium der vierjährigen Geschäftsergebnisse nicht zu-
muthen können, und die sie selbst früher gewöhnt haben, ihre Zeichnung vor¬
nehmlich im Lichte eines Beitrags zu patriotischen Zwecken anzusehen.

So drohte denn der wichtige Versuch, die britische Grundnetzfischerei in
Deutschland einzuführen, aus Mangel an Mitteln zur Fortsetzung des Be¬
triebs bereits allmählich unterzugehen, als im vorigen Sommer der Krieg
darüber kam und ihm statt eines chronischen ein annees Ende bereitete. In
Bremen war den Trägern der Sache eben ein gewisser Hoffnungsstrahl aufge¬
gangen, wie wenn erhöhte Geschicklichkeit und Hingebung der Leute — eine
Folge der endlich ganz durchgeführten Löhnung durch Antheile am Gewinn —,
dadurch vermehrter Fang und sich stetig bessernder Absatz am Ende doch
noch die Möglichkeit ergeben könnte, ohne wesentliche Erweiterung der finan¬
ziellen Basis das Ziel der Selbsterhaltung mit wachsendem Ueberschusse zu er¬
reichen. Die Gesellschaft zu Danzig hatte freilich schon früher ihre Thätig¬
keit einstellen müssen; in Hamburg kämpfte man hart mit der erbitterten
Feindschaft der Ewer-Fischer alten Schlags, aber im ganzen lagen die Dinge
dort doch ähnlich wie in Bremen Da brach der Krieg aus, aller Fang
hörte auf einmal auf, und ein Theil der Schiffe wurde zur Sperrung des
Strvmfahrwassers von der Marinebehörde requirirt und versenkt. Nach der
Wiederherstellung des Friedens mit verringerter Flotte nun die zerstreute
Mannschaft aufs neue zu sammeln oder frische von unten auf einzuüben und
die gleichfalls fremdgewordene Kundschaft abermals an sich zu ziehen, ist unter
den geschilderten Umständen für die beiden hanseatischen Gesellschaften selbst
natürlich außer aller Frage. An der Hamburger und Bremer Börse ist nach
allen Kriegsverlusten weniger Geld für sie zu haben als je. Aber auch in Berlin


Grenzboten I. 187t. 106
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[0321] nehmen, so verstand sich von selbst, daß man sich innerhalb der bescheiden¬ sten, überall für zulässig erachteten Grenzen hielt. Die Bremer Gesellschaft z> B. setzte ihr Gründungs- und Vetriebs-Capital auf nicht mehr als 250,000 Thaler an; und von diesen wurden dann auch nur 150,000 Thaler gezeichnet. Wie dieser schwache Fonds alsdann über der viel Zeit erfordernden Einübung einer sehr phlegmatischen Mannschaft in einen nicht leichten Beruf allmählich auf die Neige ging, rächte sich der überwiegend patriotische Charakter des Unternehmens zum zweiten Mal. Der ursprüngliche Impuls war nun er¬ schöpft und nicht wieder zu beleben. Hätte man von vornherein die zu gewärti¬ gende Rente in den Vordergrund gestellt und den Glauben an eine solche erfolgreich verbreitet, so wäre wohl eine neue hinreichend beträchtliche Zeich¬ nung zu erlangen gewesen; ohne diese Aussicht begreiflicher Weise nicht. Die Leiter und Kenner des Unternehmens mögen also persönlich noch so sehr überzeugt sein, daß gesunde Keime der Rentabilität in demselben stecken, sie sind nicht im Stande, diese Ueberzeugung auf Leute zu übertragen, denen sie ein eigenes förmliches Studium der vierjährigen Geschäftsergebnisse nicht zu- muthen können, und die sie selbst früher gewöhnt haben, ihre Zeichnung vor¬ nehmlich im Lichte eines Beitrags zu patriotischen Zwecken anzusehen. So drohte denn der wichtige Versuch, die britische Grundnetzfischerei in Deutschland einzuführen, aus Mangel an Mitteln zur Fortsetzung des Be¬ triebs bereits allmählich unterzugehen, als im vorigen Sommer der Krieg darüber kam und ihm statt eines chronischen ein annees Ende bereitete. In Bremen war den Trägern der Sache eben ein gewisser Hoffnungsstrahl aufge¬ gangen, wie wenn erhöhte Geschicklichkeit und Hingebung der Leute — eine Folge der endlich ganz durchgeführten Löhnung durch Antheile am Gewinn —, dadurch vermehrter Fang und sich stetig bessernder Absatz am Ende doch noch die Möglichkeit ergeben könnte, ohne wesentliche Erweiterung der finan¬ ziellen Basis das Ziel der Selbsterhaltung mit wachsendem Ueberschusse zu er¬ reichen. Die Gesellschaft zu Danzig hatte freilich schon früher ihre Thätig¬ keit einstellen müssen; in Hamburg kämpfte man hart mit der erbitterten Feindschaft der Ewer-Fischer alten Schlags, aber im ganzen lagen die Dinge dort doch ähnlich wie in Bremen Da brach der Krieg aus, aller Fang hörte auf einmal auf, und ein Theil der Schiffe wurde zur Sperrung des Strvmfahrwassers von der Marinebehörde requirirt und versenkt. Nach der Wiederherstellung des Friedens mit verringerter Flotte nun die zerstreute Mannschaft aufs neue zu sammeln oder frische von unten auf einzuüben und die gleichfalls fremdgewordene Kundschaft abermals an sich zu ziehen, ist unter den geschilderten Umständen für die beiden hanseatischen Gesellschaften selbst natürlich außer aller Frage. An der Hamburger und Bremer Börse ist nach allen Kriegsverlusten weniger Geld für sie zu haben als je. Aber auch in Berlin Grenzboten I. 187t. 106

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/321>, abgerufen am 29.09.2024.