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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Kaiser um so mehr zum Einlenken, als die anderen Reichsstände sich der Be¬
wegung anschlössen. Ebenso abweisend antwortete der Kurfürst auf die ihm
als letztes Mittel übersandte Denkschrift des Grafen Taxis über das Postrecht
(5, Januar 1661): "Sie wollen allergnädigst geruhen, die hinlängliche Ver¬
ordnung zu machen, damit hinfüro dergleichen höchst strafbahre injvt'lose
schriften nicht angenommen, vndt der Graff Taxis sich in seinen Schranken zu
halten mit ernst angewiesen werde. Darauf verweist Ew. Kayferl. Majestät
dasjenige, was dero Allerhöchsten Kayferl. Ampte gemäß, auch sonst recht
vndt billig ist." Nach dieser Abfertigung war der Sieg des Kurfürsten
entschieden; er wurde von den Reichsposten nicht weiter behelligt. Der
große Kurfürst muß danach als der eigentliche Begründer der
Brandenburgischen und Preußischen Staatspost angesehen werden. Braun¬
schweig, Mecklenburg und Lübeck gelangten mit Hülfe des Kurfürsten ebenso
zur Unabhängigkeit von dem Reichspostwesen, wie Brandenburg.

Die Streitigkeiten wegen der Reichspost, welche nicht in den Grenzen
eines diplomatischen und literarischen Federkrieges allein blieben, sondern
selbst zu Ueberfällen auf den Landstraßen ausarteten, wo ein Theil des
A überm Postillone und Passagiere mißhandelte, dauerte fast 300 Jahre, nach
deren Ablauf das Neichspvstwesen nur noch in den Gebieten der weniger
mächtigen Reichsstände, namentlich in Schwaben, Thüringen, Franken und
am Rhein, bestehen blieb.

Es prägt sich in diesem Bildungsprocesse, dessen einzelne Phasen wir
hier übergehen, jene uralte deutsche Art, die berechtigten Eigenthümlichkeiten
aller Gauen und Stämme lebenskräftig im Einzelnen zu entwickeln, während
die Beziehungen auf das Gesammtleben der Nation mehr durch gemeinsame
Sprache, Rechtspflege und Gesittung, als durch politische Einigung zum Aus¬
drucke gelangten, in prägnanten Zügen aus; es erklärt sich daraus ebenso
die Höhe der Bildungsstufe, welche die deutsche Nation erreicht hat, wie die
lange Ohnmacht des deutschen Namens, der schließlich nur noch ein geogra¬
phischer Begriff war, gegenüber dem Auslande.

In Bezug auf das Postwesen hat jene illo w partes insofern geringere
Nachtheile für das Gemeinwohl gehabt, als im 16. Jahrhundert nicht blos
das schon in der goldenen Bulle festgestellte Princip der Untheilbarkeit der
Kurstaaten, sondern auch die Erbverbrüderungen und Erbvereine, der
Lehenheimfall und das den Kurfürsten eingeräumte Recht, Ländergebiete durch
Kauf und Pfandnahme zu erwerben, sowie in der späteren Zeit die Säcula-
risirungen die Verschmelzung mehrerer Gebiete zu größeren staatlichen Ein¬
heiten, mithin die Herstellung größerer Postgebiete, begünstigten, Andernfalls
würde die heillose Zersplitterung Deutschlands in zahlreiche kleine Gebiete


Kaiser um so mehr zum Einlenken, als die anderen Reichsstände sich der Be¬
wegung anschlössen. Ebenso abweisend antwortete der Kurfürst auf die ihm
als letztes Mittel übersandte Denkschrift des Grafen Taxis über das Postrecht
(5, Januar 1661): „Sie wollen allergnädigst geruhen, die hinlängliche Ver¬
ordnung zu machen, damit hinfüro dergleichen höchst strafbahre injvt'lose
schriften nicht angenommen, vndt der Graff Taxis sich in seinen Schranken zu
halten mit ernst angewiesen werde. Darauf verweist Ew. Kayferl. Majestät
dasjenige, was dero Allerhöchsten Kayferl. Ampte gemäß, auch sonst recht
vndt billig ist." Nach dieser Abfertigung war der Sieg des Kurfürsten
entschieden; er wurde von den Reichsposten nicht weiter behelligt. Der
große Kurfürst muß danach als der eigentliche Begründer der
Brandenburgischen und Preußischen Staatspost angesehen werden. Braun¬
schweig, Mecklenburg und Lübeck gelangten mit Hülfe des Kurfürsten ebenso
zur Unabhängigkeit von dem Reichspostwesen, wie Brandenburg.

Die Streitigkeiten wegen der Reichspost, welche nicht in den Grenzen
eines diplomatischen und literarischen Federkrieges allein blieben, sondern
selbst zu Ueberfällen auf den Landstraßen ausarteten, wo ein Theil des
A überm Postillone und Passagiere mißhandelte, dauerte fast 300 Jahre, nach
deren Ablauf das Neichspvstwesen nur noch in den Gebieten der weniger
mächtigen Reichsstände, namentlich in Schwaben, Thüringen, Franken und
am Rhein, bestehen blieb.

Es prägt sich in diesem Bildungsprocesse, dessen einzelne Phasen wir
hier übergehen, jene uralte deutsche Art, die berechtigten Eigenthümlichkeiten
aller Gauen und Stämme lebenskräftig im Einzelnen zu entwickeln, während
die Beziehungen auf das Gesammtleben der Nation mehr durch gemeinsame
Sprache, Rechtspflege und Gesittung, als durch politische Einigung zum Aus¬
drucke gelangten, in prägnanten Zügen aus; es erklärt sich daraus ebenso
die Höhe der Bildungsstufe, welche die deutsche Nation erreicht hat, wie die
lange Ohnmacht des deutschen Namens, der schließlich nur noch ein geogra¬
phischer Begriff war, gegenüber dem Auslande.

In Bezug auf das Postwesen hat jene illo w partes insofern geringere
Nachtheile für das Gemeinwohl gehabt, als im 16. Jahrhundert nicht blos
das schon in der goldenen Bulle festgestellte Princip der Untheilbarkeit der
Kurstaaten, sondern auch die Erbverbrüderungen und Erbvereine, der
Lehenheimfall und das den Kurfürsten eingeräumte Recht, Ländergebiete durch
Kauf und Pfandnahme zu erwerben, sowie in der späteren Zeit die Säcula-
risirungen die Verschmelzung mehrerer Gebiete zu größeren staatlichen Ein¬
heiten, mithin die Herstellung größerer Postgebiete, begünstigten, Andernfalls
würde die heillose Zersplitterung Deutschlands in zahlreiche kleine Gebiete


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[0278] Kaiser um so mehr zum Einlenken, als die anderen Reichsstände sich der Be¬ wegung anschlössen. Ebenso abweisend antwortete der Kurfürst auf die ihm als letztes Mittel übersandte Denkschrift des Grafen Taxis über das Postrecht (5, Januar 1661): „Sie wollen allergnädigst geruhen, die hinlängliche Ver¬ ordnung zu machen, damit hinfüro dergleichen höchst strafbahre injvt'lose schriften nicht angenommen, vndt der Graff Taxis sich in seinen Schranken zu halten mit ernst angewiesen werde. Darauf verweist Ew. Kayferl. Majestät dasjenige, was dero Allerhöchsten Kayferl. Ampte gemäß, auch sonst recht vndt billig ist." Nach dieser Abfertigung war der Sieg des Kurfürsten entschieden; er wurde von den Reichsposten nicht weiter behelligt. Der große Kurfürst muß danach als der eigentliche Begründer der Brandenburgischen und Preußischen Staatspost angesehen werden. Braun¬ schweig, Mecklenburg und Lübeck gelangten mit Hülfe des Kurfürsten ebenso zur Unabhängigkeit von dem Reichspostwesen, wie Brandenburg. Die Streitigkeiten wegen der Reichspost, welche nicht in den Grenzen eines diplomatischen und literarischen Federkrieges allein blieben, sondern selbst zu Ueberfällen auf den Landstraßen ausarteten, wo ein Theil des A überm Postillone und Passagiere mißhandelte, dauerte fast 300 Jahre, nach deren Ablauf das Neichspvstwesen nur noch in den Gebieten der weniger mächtigen Reichsstände, namentlich in Schwaben, Thüringen, Franken und am Rhein, bestehen blieb. Es prägt sich in diesem Bildungsprocesse, dessen einzelne Phasen wir hier übergehen, jene uralte deutsche Art, die berechtigten Eigenthümlichkeiten aller Gauen und Stämme lebenskräftig im Einzelnen zu entwickeln, während die Beziehungen auf das Gesammtleben der Nation mehr durch gemeinsame Sprache, Rechtspflege und Gesittung, als durch politische Einigung zum Aus¬ drucke gelangten, in prägnanten Zügen aus; es erklärt sich daraus ebenso die Höhe der Bildungsstufe, welche die deutsche Nation erreicht hat, wie die lange Ohnmacht des deutschen Namens, der schließlich nur noch ein geogra¬ phischer Begriff war, gegenüber dem Auslande. In Bezug auf das Postwesen hat jene illo w partes insofern geringere Nachtheile für das Gemeinwohl gehabt, als im 16. Jahrhundert nicht blos das schon in der goldenen Bulle festgestellte Princip der Untheilbarkeit der Kurstaaten, sondern auch die Erbverbrüderungen und Erbvereine, der Lehenheimfall und das den Kurfürsten eingeräumte Recht, Ländergebiete durch Kauf und Pfandnahme zu erwerben, sowie in der späteren Zeit die Säcula- risirungen die Verschmelzung mehrerer Gebiete zu größeren staatlichen Ein¬ heiten, mithin die Herstellung größerer Postgebiete, begünstigten, Andernfalls würde die heillose Zersplitterung Deutschlands in zahlreiche kleine Gebiete

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/278>, abgerufen am 29.09.2024.