Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.voll Pietät am Alten festhielt, hat man oft genug, ohne jedes Bedenken, die Untersuchen wir nun die Mittel, welche uns zu Gebote stehen, um trotz Das Publicum, im Allgemeinen leicht geneigt, die historischen Denk¬ Aber auch direct muß der Staat den historischen Denkmalen seine be¬ ') Siehe E. Guhl Künstlerbriefe, Bd. I, Seite 133 ff.
voll Pietät am Alten festhielt, hat man oft genug, ohne jedes Bedenken, die Untersuchen wir nun die Mittel, welche uns zu Gebote stehen, um trotz Das Publicum, im Allgemeinen leicht geneigt, die historischen Denk¬ Aber auch direct muß der Staat den historischen Denkmalen seine be¬ ') Siehe E. Guhl Künstlerbriefe, Bd. I, Seite 133 ff.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0255" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126037"/> <p xml:id="ID_797" prev="#ID_796"> voll Pietät am Alten festhielt, hat man oft genug, ohne jedes Bedenken, die<lb/> wichtigsten Baudenkmale — man denke nur an die alte Peterskirche zu<lb/> Rom — einem veränderten Geschmack oder augenblicklichen Bedürfniß ge¬<lb/> opfert. Heut ist es in den auf der Höhe der Zeit stehenden Staaten glück¬<lb/> licher Weise anders. Mit der vorgeschrittenen Wissenschaft — das tiefere<lb/> Studium der Geschichte aller Perioden ist ja gerade ein charakteristisches<lb/> Merkmal unserer Zeit — ist auch das Verständniß aller Denkmale und die<lb/> Pietät vor denselben gewachsen. Wenn die Bedürfnisse der Gegenwart mit<lb/> dieser Pietät in Conflict kommen, so wägt man sorgfältig ab, welcher von<lb/> beiden Factoren der bedeutendere ist, welcher geopfert werden muß, oder ob<lb/> nicht ein beiden Interessen gerecht werdender Mittelweg gefunden werden<lb/> kann. Man hat vor Allem erkannt, daß die Erhaltung des guten Alten<lb/> und die rechte Würdigung desselben vom historischen Standpunkte eine Pflicht,<lb/> die Zerstörung desselben ein Act der Barbarei ist. „Sinn und Interesse für<lb/> die Geschichte und ihre Denkmale ist eine der edelsten Errungenschaften des<lb/> modernen Fortschrittes." —</p><lb/> <p xml:id="ID_798"> Untersuchen wir nun die Mittel, welche uns zu Gebote stehen, um trotz<lb/> der noch bestehenden Parteien und, der meist auf Unwissenheit beruhenden<lb/> Zerstörungslust, die Erhaltung des guten Alten zu ermöglichen.</p><lb/> <p xml:id="ID_799"> Das Publicum, im Allgemeinen leicht geneigt, die historischen Denk¬<lb/> mäler zu zerstören, wird in den seltensten Fällen bedeutende Opfer bringen<lb/> wollen, sie zu erhalten. Aber die Regierung des Staats, als Concentration<lb/> der höchsten Intelligenz, welche vor Allem berufen ist, alle großen praktischen<lb/> und idealen Aufgaben in Politik, Erziehung des Volks, Kunst und Wissen¬<lb/> schaft zu fördern, hat die Verpflichtung auch die historischen Denkmale unter<lb/> ihren besonderen Schutz zu nehmen. Der Staat sorgt durch die höhern<lb/> Schulen und Universitäten für immer weitere Verbreitung einer höhern<lb/> Bildung, wodurch der Werth von Wissenschaft und Kunst zur allgemeinern<lb/> Geltung gelangt, und sorgt nach dem Obigen damit zugleich auch für die Er¬<lb/> haltung der historischen Denkmale. Der vollkommen durchgebildete Mensch<lb/> wird, neben seinen Bestrebungen für den Erwerb des täglichen Brodes, auch<lb/> die mehr idealen Bedürfnisse nicht vernachlässigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_800" next="#ID_801"> Aber auch direct muß der Staat den historischen Denkmalen seine be¬<lb/> sondere Aufmerksamkeit widmen. Alle intelligenten Regierungen haben das<lb/> anerkannt. Schon Papst Leo X. ernannte im Jahre ISIS Rafael zum<lb/> Oberaufseher aller antiken Denkmale Roms. *) Gegenwärtig sind nicht nur<lb/> in Preußen, Württemberg, Baiern, sondern auch in Frankreich, Oestreich u.<lb/> a. a. O. besondere Conservatoren der Kunstdenkmale, als hohe Staatsbeamte</p><lb/> <note xml:id="FID_109" place="foot"> ') Siehe E. Guhl Künstlerbriefe, Bd. I, Seite 133 ff.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0255]
voll Pietät am Alten festhielt, hat man oft genug, ohne jedes Bedenken, die
wichtigsten Baudenkmale — man denke nur an die alte Peterskirche zu
Rom — einem veränderten Geschmack oder augenblicklichen Bedürfniß ge¬
opfert. Heut ist es in den auf der Höhe der Zeit stehenden Staaten glück¬
licher Weise anders. Mit der vorgeschrittenen Wissenschaft — das tiefere
Studium der Geschichte aller Perioden ist ja gerade ein charakteristisches
Merkmal unserer Zeit — ist auch das Verständniß aller Denkmale und die
Pietät vor denselben gewachsen. Wenn die Bedürfnisse der Gegenwart mit
dieser Pietät in Conflict kommen, so wägt man sorgfältig ab, welcher von
beiden Factoren der bedeutendere ist, welcher geopfert werden muß, oder ob
nicht ein beiden Interessen gerecht werdender Mittelweg gefunden werden
kann. Man hat vor Allem erkannt, daß die Erhaltung des guten Alten
und die rechte Würdigung desselben vom historischen Standpunkte eine Pflicht,
die Zerstörung desselben ein Act der Barbarei ist. „Sinn und Interesse für
die Geschichte und ihre Denkmale ist eine der edelsten Errungenschaften des
modernen Fortschrittes." —
Untersuchen wir nun die Mittel, welche uns zu Gebote stehen, um trotz
der noch bestehenden Parteien und, der meist auf Unwissenheit beruhenden
Zerstörungslust, die Erhaltung des guten Alten zu ermöglichen.
Das Publicum, im Allgemeinen leicht geneigt, die historischen Denk¬
mäler zu zerstören, wird in den seltensten Fällen bedeutende Opfer bringen
wollen, sie zu erhalten. Aber die Regierung des Staats, als Concentration
der höchsten Intelligenz, welche vor Allem berufen ist, alle großen praktischen
und idealen Aufgaben in Politik, Erziehung des Volks, Kunst und Wissen¬
schaft zu fördern, hat die Verpflichtung auch die historischen Denkmale unter
ihren besonderen Schutz zu nehmen. Der Staat sorgt durch die höhern
Schulen und Universitäten für immer weitere Verbreitung einer höhern
Bildung, wodurch der Werth von Wissenschaft und Kunst zur allgemeinern
Geltung gelangt, und sorgt nach dem Obigen damit zugleich auch für die Er¬
haltung der historischen Denkmale. Der vollkommen durchgebildete Mensch
wird, neben seinen Bestrebungen für den Erwerb des täglichen Brodes, auch
die mehr idealen Bedürfnisse nicht vernachlässigen.
Aber auch direct muß der Staat den historischen Denkmalen seine be¬
sondere Aufmerksamkeit widmen. Alle intelligenten Regierungen haben das
anerkannt. Schon Papst Leo X. ernannte im Jahre ISIS Rafael zum
Oberaufseher aller antiken Denkmale Roms. *) Gegenwärtig sind nicht nur
in Preußen, Württemberg, Baiern, sondern auch in Frankreich, Oestreich u.
a. a. O. besondere Conservatoren der Kunstdenkmale, als hohe Staatsbeamte
') Siehe E. Guhl Künstlerbriefe, Bd. I, Seite 133 ff.
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