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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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und Kunstwerke zu gleicher Zeit sind! -- Für jeden sinnigen und gefühlvollen
Menschen knüpfen sich Erinnerungen an dieselben, und der tiefer Eingeweihte
wird daraus Lehren für die Gegenwart und Zukunft ziehen. -- Die histori¬
schen Baudenkmale tragen wesentlich dazu bei, den Sinn für die Geschichte
des Vaterlandes zu erwecken und zu heben, und den Fortschritt in der Bau¬
kunst zu fördern, sind also eins der wichtigsten Mittel für die sittliche Bil¬
dung des Volks.

Endlich haben die alten Bauwerke in den meisten Fällen auch noch einen
praktischen und einen nicht unbedeutenden pecuniären Werth, denn sie
sind, wenn die Bedürfnisse, für welche sie erbaut wurden (Burgen, Klöster,
fürstliche Residenzen) auch nicht mehr obwalten, für Zwecke unserer Zeit sehr
wohl verwendbar. Freilich kann zuweilen nur ein der Erhaltung des Bau¬
werks günstiger Wille diesen Zweck ausfindig machen, während der den alten
Bauten feindliche Sinn dasselbe in jeder Beziehung unbrauchbar findet. Stets
aber gehört pietätvoller Sinn dazu, das alte Gebäude für die modernen Be¬
dürfnisse einzurichten. -- Der pecuniäre Gewinn ist beim Abbruch alter Bauten
meist überaus gering, die Kosten für Errichtung eines neuen Gebäudes da¬
gegen sind stets sehr bedeutend. Schon oft ist vorgekommen, daß eine jüngere
Generation sorgfältig wieder aufgebaut hat, was eine ältere, als unnütz, ohne
Grund zerstört hatte.

Außerdem aber haben wir kein Recht, muthwillig zu zerstören, oder
gleichgültig verfallen zu lassen, was unsere Väter mit großer Liebe und be¬
deutenden Kosten ausgeführt haben, denn daran haben vielleicht noch unsere
Enkel ihre Freude.

Das sind die wichtigsten allgemein giltigen Gründe für Erhaltung
alter Baudenkmale. Die in vielen Fällen sehr triftigen Gründe für Zer¬
störung derselben sind so mannigfaltiger Art, so sehr an das Local, wo
es steht, an den zufälligen Besitzer desselben u. s. w. gebunden, daß eine all¬
gemeine Darlegung derselben unmöglich ist. Sie müssen in jedem einzelnen
Falle möglichst unparteisch erörtert werden. Der moderne Comfort der
Wohnungen, die nothwendig zu vermehrenden Verkehrswege :c. sind sehr
wichtige Factoren, welche nicht ungestraft ignorirt werden dürfen. Jede Zeit
hat ihre Rechte. Freilich darf man auch verlangen, daß an Stelle des zer¬
störten Alten ein besseres oder doch mindestens künstlerisch eben so gutes
neues Gebäude gesetzt werde, was jedoch leider sehr häufig nicht der Fall ist.
Es kommt in allen Städten oft genug vor, daß man alte stylvolle, solide
Giebelfacaden abträgt, um sie durch neue, styllose Scheinfafaden aus Gyps,
und Kalkputz zu ersetzen.

In frühern Jahrhunderten waren diese Verhältnisse in keiner Weise ge¬
ordnet. Trotzdem man vom Ueberlieferten nur sehr schwer sich lossagte,


und Kunstwerke zu gleicher Zeit sind! — Für jeden sinnigen und gefühlvollen
Menschen knüpfen sich Erinnerungen an dieselben, und der tiefer Eingeweihte
wird daraus Lehren für die Gegenwart und Zukunft ziehen. — Die histori¬
schen Baudenkmale tragen wesentlich dazu bei, den Sinn für die Geschichte
des Vaterlandes zu erwecken und zu heben, und den Fortschritt in der Bau¬
kunst zu fördern, sind also eins der wichtigsten Mittel für die sittliche Bil¬
dung des Volks.

Endlich haben die alten Bauwerke in den meisten Fällen auch noch einen
praktischen und einen nicht unbedeutenden pecuniären Werth, denn sie
sind, wenn die Bedürfnisse, für welche sie erbaut wurden (Burgen, Klöster,
fürstliche Residenzen) auch nicht mehr obwalten, für Zwecke unserer Zeit sehr
wohl verwendbar. Freilich kann zuweilen nur ein der Erhaltung des Bau¬
werks günstiger Wille diesen Zweck ausfindig machen, während der den alten
Bauten feindliche Sinn dasselbe in jeder Beziehung unbrauchbar findet. Stets
aber gehört pietätvoller Sinn dazu, das alte Gebäude für die modernen Be¬
dürfnisse einzurichten. — Der pecuniäre Gewinn ist beim Abbruch alter Bauten
meist überaus gering, die Kosten für Errichtung eines neuen Gebäudes da¬
gegen sind stets sehr bedeutend. Schon oft ist vorgekommen, daß eine jüngere
Generation sorgfältig wieder aufgebaut hat, was eine ältere, als unnütz, ohne
Grund zerstört hatte.

Außerdem aber haben wir kein Recht, muthwillig zu zerstören, oder
gleichgültig verfallen zu lassen, was unsere Väter mit großer Liebe und be¬
deutenden Kosten ausgeführt haben, denn daran haben vielleicht noch unsere
Enkel ihre Freude.

Das sind die wichtigsten allgemein giltigen Gründe für Erhaltung
alter Baudenkmale. Die in vielen Fällen sehr triftigen Gründe für Zer¬
störung derselben sind so mannigfaltiger Art, so sehr an das Local, wo
es steht, an den zufälligen Besitzer desselben u. s. w. gebunden, daß eine all¬
gemeine Darlegung derselben unmöglich ist. Sie müssen in jedem einzelnen
Falle möglichst unparteisch erörtert werden. Der moderne Comfort der
Wohnungen, die nothwendig zu vermehrenden Verkehrswege :c. sind sehr
wichtige Factoren, welche nicht ungestraft ignorirt werden dürfen. Jede Zeit
hat ihre Rechte. Freilich darf man auch verlangen, daß an Stelle des zer¬
störten Alten ein besseres oder doch mindestens künstlerisch eben so gutes
neues Gebäude gesetzt werde, was jedoch leider sehr häufig nicht der Fall ist.
Es kommt in allen Städten oft genug vor, daß man alte stylvolle, solide
Giebelfacaden abträgt, um sie durch neue, styllose Scheinfafaden aus Gyps,
und Kalkputz zu ersetzen.

In frühern Jahrhunderten waren diese Verhältnisse in keiner Weise ge¬
ordnet. Trotzdem man vom Ueberlieferten nur sehr schwer sich lossagte,


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[0254] und Kunstwerke zu gleicher Zeit sind! — Für jeden sinnigen und gefühlvollen Menschen knüpfen sich Erinnerungen an dieselben, und der tiefer Eingeweihte wird daraus Lehren für die Gegenwart und Zukunft ziehen. — Die histori¬ schen Baudenkmale tragen wesentlich dazu bei, den Sinn für die Geschichte des Vaterlandes zu erwecken und zu heben, und den Fortschritt in der Bau¬ kunst zu fördern, sind also eins der wichtigsten Mittel für die sittliche Bil¬ dung des Volks. Endlich haben die alten Bauwerke in den meisten Fällen auch noch einen praktischen und einen nicht unbedeutenden pecuniären Werth, denn sie sind, wenn die Bedürfnisse, für welche sie erbaut wurden (Burgen, Klöster, fürstliche Residenzen) auch nicht mehr obwalten, für Zwecke unserer Zeit sehr wohl verwendbar. Freilich kann zuweilen nur ein der Erhaltung des Bau¬ werks günstiger Wille diesen Zweck ausfindig machen, während der den alten Bauten feindliche Sinn dasselbe in jeder Beziehung unbrauchbar findet. Stets aber gehört pietätvoller Sinn dazu, das alte Gebäude für die modernen Be¬ dürfnisse einzurichten. — Der pecuniäre Gewinn ist beim Abbruch alter Bauten meist überaus gering, die Kosten für Errichtung eines neuen Gebäudes da¬ gegen sind stets sehr bedeutend. Schon oft ist vorgekommen, daß eine jüngere Generation sorgfältig wieder aufgebaut hat, was eine ältere, als unnütz, ohne Grund zerstört hatte. Außerdem aber haben wir kein Recht, muthwillig zu zerstören, oder gleichgültig verfallen zu lassen, was unsere Väter mit großer Liebe und be¬ deutenden Kosten ausgeführt haben, denn daran haben vielleicht noch unsere Enkel ihre Freude. Das sind die wichtigsten allgemein giltigen Gründe für Erhaltung alter Baudenkmale. Die in vielen Fällen sehr triftigen Gründe für Zer¬ störung derselben sind so mannigfaltiger Art, so sehr an das Local, wo es steht, an den zufälligen Besitzer desselben u. s. w. gebunden, daß eine all¬ gemeine Darlegung derselben unmöglich ist. Sie müssen in jedem einzelnen Falle möglichst unparteisch erörtert werden. Der moderne Comfort der Wohnungen, die nothwendig zu vermehrenden Verkehrswege :c. sind sehr wichtige Factoren, welche nicht ungestraft ignorirt werden dürfen. Jede Zeit hat ihre Rechte. Freilich darf man auch verlangen, daß an Stelle des zer¬ störten Alten ein besseres oder doch mindestens künstlerisch eben so gutes neues Gebäude gesetzt werde, was jedoch leider sehr häufig nicht der Fall ist. Es kommt in allen Städten oft genug vor, daß man alte stylvolle, solide Giebelfacaden abträgt, um sie durch neue, styllose Scheinfafaden aus Gyps, und Kalkputz zu ersetzen. In frühern Jahrhunderten waren diese Verhältnisse in keiner Weise ge¬ ordnet. Trotzdem man vom Ueberlieferten nur sehr schwer sich lossagte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/254>, abgerufen am 29.09.2024.