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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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in mehreren Städten in heftigster Weise entbrannt ist, fortsetzen, so verlieren
beide Theile, je nachdem die eine oder die andere Partei gerade einen beson¬
ders einflußreichen Mann in ihrer Mitte hat. Doch wird überall während
des Streites um Erhaltung oder Beseitigung der historischen Denkmale einer¬
seits stets das eine oder das andere zu Grunde gehen, anderseits der Fort¬
schritt im praktischen Leben in empfindlicher Weise behindert werden.

Kann dagegen der Kampf vermieden, der Zwist durch Vermittelung bei¬
gelegt werden, so werden beide Theile nur gewinnen. Eine Einigung beider
Parteien ist aber durchaus nicht unmöglich. -- Es kommt nur darauf an.
daß Einer auf den Andern Rücksicht nimmt, daß Jeder bereit ist, eine Klei¬
nigkeit zu Gunsten des Andern zu opfern. Dazu wird aber jeder Archäolog
bereit sein, der die Bedürfnisse des Lebens und Verkehres unserer Tage näher
ins Auge faßt, jeder Liberale, der die Geschichte näher studirt hat. .

Daß Chroniken, Urkunden, Briefe, Bücher, Kupferstiche, Zeichnungen
u. f. w. ein sehr wesentliches Hülfsmittel für die Geschichtsforschung sind, und
daß das eingehendere Studium dieser Documente während der letzten Decen-
nien uns einen sehr viel klarern Einblick in die Verhältnisse unserer Vergangen¬
heit verschafft hat, ist allbekannt. Daher sorgt man fast überall in aner¬
kennender und dankenswerther Weise für Erhaltung alter Schriftstücke, für
Ordnung der Archive und Bibliotheken. Muthwillige Zerstörungen der¬
selben*) bezeichnet man mit Recht als einen Act der Barbarei und des Wan¬
dalismus.

Aber Denkmale aus Stein, Bronce, Eisen, Thon, Holz ze. sind ebenfalls
Urkunden zur Geschichte eines Volks und zwar gehören sie gerade zu den
allerwichtigsten derselben, denn die Kunstdenkmale gewähren uns den treuesten
Spiegel von dem Stande der Cultur eines Volkes. "Die Baudenkmale,
sagt ein geistreicher Forscher, sind treue, unverfälschte Zeugnisse für das geistige
wie materielle Leben eines Zeitalters!" Sie sind die ehernen Buchstaben der
Geschichte, mit denen dieselbe sich in den Herzen des Volkes von Nachkommen
zu Nachkommen einprägt. Und in der That sprechen Bauwerke in den
meisten Fällen viel deutlicher, als alle schriftlichen Urkunden, stehen an Glaub¬
würdigkeit hoch über denselben und sind in trefflichster Weise geeignet, die
schriftliche Ueberlieferung zu ergänzen**) und zu berichtigen***). Und nicht allein





-) Ueber den Verlust der Bibliothek in Straßburg siehe: Augsburger Allgemeine Zeitung
1870, Ur. 250, Beilage. D. V. -- Jedenfalls ist die Zerstörung der Straßburger Bibliothek durch
unser Bombardement keine "muthwillige" gewesen, vielmehr trägt die Verantwortlichkeit für
diesen großen Verlust lediglich die französische Behörde, die den leicht zerstörlichen Schatz nicht
D. Red. rechtzeitig barg.
-) Als ein Beispiel siehe meinen Aufsatz über Stuhm in Erbkams Zeitschrift für Bau¬
wesen, Jahrgang 1860.
Ein Beispiel führt F. v. Quast in den Preußischen Provinzial-Blnttem l85t, Bd. IX,
Seite 73, an.

in mehreren Städten in heftigster Weise entbrannt ist, fortsetzen, so verlieren
beide Theile, je nachdem die eine oder die andere Partei gerade einen beson¬
ders einflußreichen Mann in ihrer Mitte hat. Doch wird überall während
des Streites um Erhaltung oder Beseitigung der historischen Denkmale einer¬
seits stets das eine oder das andere zu Grunde gehen, anderseits der Fort¬
schritt im praktischen Leben in empfindlicher Weise behindert werden.

Kann dagegen der Kampf vermieden, der Zwist durch Vermittelung bei¬
gelegt werden, so werden beide Theile nur gewinnen. Eine Einigung beider
Parteien ist aber durchaus nicht unmöglich. — Es kommt nur darauf an.
daß Einer auf den Andern Rücksicht nimmt, daß Jeder bereit ist, eine Klei¬
nigkeit zu Gunsten des Andern zu opfern. Dazu wird aber jeder Archäolog
bereit sein, der die Bedürfnisse des Lebens und Verkehres unserer Tage näher
ins Auge faßt, jeder Liberale, der die Geschichte näher studirt hat. .

Daß Chroniken, Urkunden, Briefe, Bücher, Kupferstiche, Zeichnungen
u. f. w. ein sehr wesentliches Hülfsmittel für die Geschichtsforschung sind, und
daß das eingehendere Studium dieser Documente während der letzten Decen-
nien uns einen sehr viel klarern Einblick in die Verhältnisse unserer Vergangen¬
heit verschafft hat, ist allbekannt. Daher sorgt man fast überall in aner¬
kennender und dankenswerther Weise für Erhaltung alter Schriftstücke, für
Ordnung der Archive und Bibliotheken. Muthwillige Zerstörungen der¬
selben*) bezeichnet man mit Recht als einen Act der Barbarei und des Wan¬
dalismus.

Aber Denkmale aus Stein, Bronce, Eisen, Thon, Holz ze. sind ebenfalls
Urkunden zur Geschichte eines Volks und zwar gehören sie gerade zu den
allerwichtigsten derselben, denn die Kunstdenkmale gewähren uns den treuesten
Spiegel von dem Stande der Cultur eines Volkes. „Die Baudenkmale,
sagt ein geistreicher Forscher, sind treue, unverfälschte Zeugnisse für das geistige
wie materielle Leben eines Zeitalters!" Sie sind die ehernen Buchstaben der
Geschichte, mit denen dieselbe sich in den Herzen des Volkes von Nachkommen
zu Nachkommen einprägt. Und in der That sprechen Bauwerke in den
meisten Fällen viel deutlicher, als alle schriftlichen Urkunden, stehen an Glaub¬
würdigkeit hoch über denselben und sind in trefflichster Weise geeignet, die
schriftliche Ueberlieferung zu ergänzen**) und zu berichtigen***). Und nicht allein





-) Ueber den Verlust der Bibliothek in Straßburg siehe: Augsburger Allgemeine Zeitung
1870, Ur. 250, Beilage. D. V. — Jedenfalls ist die Zerstörung der Straßburger Bibliothek durch
unser Bombardement keine „muthwillige" gewesen, vielmehr trägt die Verantwortlichkeit für
diesen großen Verlust lediglich die französische Behörde, die den leicht zerstörlichen Schatz nicht
D. Red. rechtzeitig barg.
-) Als ein Beispiel siehe meinen Aufsatz über Stuhm in Erbkams Zeitschrift für Bau¬
wesen, Jahrgang 1860.
Ein Beispiel führt F. v. Quast in den Preußischen Provinzial-Blnttem l85t, Bd. IX,
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[0252] in mehreren Städten in heftigster Weise entbrannt ist, fortsetzen, so verlieren beide Theile, je nachdem die eine oder die andere Partei gerade einen beson¬ ders einflußreichen Mann in ihrer Mitte hat. Doch wird überall während des Streites um Erhaltung oder Beseitigung der historischen Denkmale einer¬ seits stets das eine oder das andere zu Grunde gehen, anderseits der Fort¬ schritt im praktischen Leben in empfindlicher Weise behindert werden. Kann dagegen der Kampf vermieden, der Zwist durch Vermittelung bei¬ gelegt werden, so werden beide Theile nur gewinnen. Eine Einigung beider Parteien ist aber durchaus nicht unmöglich. — Es kommt nur darauf an. daß Einer auf den Andern Rücksicht nimmt, daß Jeder bereit ist, eine Klei¬ nigkeit zu Gunsten des Andern zu opfern. Dazu wird aber jeder Archäolog bereit sein, der die Bedürfnisse des Lebens und Verkehres unserer Tage näher ins Auge faßt, jeder Liberale, der die Geschichte näher studirt hat. . Daß Chroniken, Urkunden, Briefe, Bücher, Kupferstiche, Zeichnungen u. f. w. ein sehr wesentliches Hülfsmittel für die Geschichtsforschung sind, und daß das eingehendere Studium dieser Documente während der letzten Decen- nien uns einen sehr viel klarern Einblick in die Verhältnisse unserer Vergangen¬ heit verschafft hat, ist allbekannt. Daher sorgt man fast überall in aner¬ kennender und dankenswerther Weise für Erhaltung alter Schriftstücke, für Ordnung der Archive und Bibliotheken. Muthwillige Zerstörungen der¬ selben*) bezeichnet man mit Recht als einen Act der Barbarei und des Wan¬ dalismus. Aber Denkmale aus Stein, Bronce, Eisen, Thon, Holz ze. sind ebenfalls Urkunden zur Geschichte eines Volks und zwar gehören sie gerade zu den allerwichtigsten derselben, denn die Kunstdenkmale gewähren uns den treuesten Spiegel von dem Stande der Cultur eines Volkes. „Die Baudenkmale, sagt ein geistreicher Forscher, sind treue, unverfälschte Zeugnisse für das geistige wie materielle Leben eines Zeitalters!" Sie sind die ehernen Buchstaben der Geschichte, mit denen dieselbe sich in den Herzen des Volkes von Nachkommen zu Nachkommen einprägt. Und in der That sprechen Bauwerke in den meisten Fällen viel deutlicher, als alle schriftlichen Urkunden, stehen an Glaub¬ würdigkeit hoch über denselben und sind in trefflichster Weise geeignet, die schriftliche Ueberlieferung zu ergänzen**) und zu berichtigen***). Und nicht allein -) Ueber den Verlust der Bibliothek in Straßburg siehe: Augsburger Allgemeine Zeitung 1870, Ur. 250, Beilage. D. V. — Jedenfalls ist die Zerstörung der Straßburger Bibliothek durch unser Bombardement keine „muthwillige" gewesen, vielmehr trägt die Verantwortlichkeit für diesen großen Verlust lediglich die französische Behörde, die den leicht zerstörlichen Schatz nicht D. Red. rechtzeitig barg. -) Als ein Beispiel siehe meinen Aufsatz über Stuhm in Erbkams Zeitschrift für Bau¬ wesen, Jahrgang 1860. Ein Beispiel führt F. v. Quast in den Preußischen Provinzial-Blnttem l85t, Bd. IX, Seite 73, an.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/252>, abgerufen am 29.09.2024.