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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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des Herrn Carl Mayer aus Europa und Stuttgart, die Ihr gewiß gelten
laßt. Der letztere hat nämlich die beider Feier am Denkmal Heinrich Simons am
4. und 5. October 1862 gesprochenen Reden und Toaste besonders herausge¬
geben und darunter befindet sich auch einer des Herrn Johann Jacoby, "des
einzigen deutschen Mannes," welcher in Kürze dahin lautet, "die alte Sage,
der Brocken werde einst mitten in der Schweiz stehen, müsse wahr werden
durch einen Bruderbund zwischen Deutschland und der Schweiz." Wie,
wenn nun der deutsche Kanzler zu Herrn Joh. Jacoby sagte: "Herr Johann
Jacoby, Sie gefallen mir; der Worte sind genug gewechselt, laßt uns nun
endlich Thaten sehn. Versetzen Sie mir mal rasch den Brocken nach der
Schweiz, aber so, daß er in Deutschland stehen bleibt, natürlich. Sie sollen
auch, bis Sie den "Bruderbund" fertig haben, Reichskanzler sein." Wehe
Euch, wenn Johann Jacoby Reichskanzler wäre!

Aber genug von diesen Autoritäten. Wir sind Willens, Euch von Tag
zu Tag eine weit höhere, bessere zu offenbaren: Das Leben und Wirken
des deutschen Volkes im Frieden. Von den Ufern des schwäbischen
Meeres bis zu den Höhen vor Belfort bildet nun das deutsche Reich
Eure Grenze; wenn Ihr vom Chasseral oder Weißenstein aus die blaue Kette
des Wasgenwaldes am Horizont erblickt, so schaut Ihr in deutsches Land.
Diese mächtige, ausgedehnte Nachbarschaft, die heute so vielen unter Euch eine
Quelle der Sorge, der Beunruhigung ist, wird in wenig Jahren schon Euch
ein Gefühl der Ruhe und Sicherheit bereiten, wie Jhrs nie kanntet, so lange
französische Kanonen von Großhüningen aus bis zur "Basler Brücke" trugen.
Allmählig wird auch den leidenschaftlichsten Deutschenhassern unter Euch klar
werden, daß die Verstärkung der deutschen Macht eine verstärkte Bürgschaft
anhaltenden Friedens, edler freiheitlicher Entwickelung, uneigennützigen Schutzes
für alle mindermächtigen Nachbarn bedeutet. Ihr werdet dann die jetzt noch
verkannte einfache Thatsache begreifen, daß der deutsche Landmann, der an Eurer
Grenze die Furchen pflügt, auf seiner Brust das eiserne Kreuz trägt, und an
der Wand seines besten Zimmers unter dem Bilde des deutschen Kaisers die
Waffen gekreuzt hat, die er an der Lisaine schwang, ein weit weniger schlach¬
tendurstiger Herr, einsehr viel bescheidenerer Nachbar ist, als die rothhosigen Berufs¬
soldaten, die des Sonntags Eure Grenzorte unsicher zu machen pflegten. Alsdann
findet Ihr wohl auch die Ruhe und Lust, Eure inneren Verhältnisse in erfreulicherer
Weise zu reformiren und auf diejenige Höhe moderner Cultur zu bringen,
daß auch Deutschland wieder von der Schweiz fruchtbringende Anregung em¬
pfängt zu neuen Werken der Freiheit, des Friedens und guter Menschensitte.
Das möge der wetteifernde Ehrgeiz sein in allen Beziehungen unsrer beiden
S. . z. Völker! In treuer Gesinnung Dein




des Herrn Carl Mayer aus Europa und Stuttgart, die Ihr gewiß gelten
laßt. Der letztere hat nämlich die beider Feier am Denkmal Heinrich Simons am
4. und 5. October 1862 gesprochenen Reden und Toaste besonders herausge¬
geben und darunter befindet sich auch einer des Herrn Johann Jacoby, „des
einzigen deutschen Mannes," welcher in Kürze dahin lautet, „die alte Sage,
der Brocken werde einst mitten in der Schweiz stehen, müsse wahr werden
durch einen Bruderbund zwischen Deutschland und der Schweiz." Wie,
wenn nun der deutsche Kanzler zu Herrn Joh. Jacoby sagte: „Herr Johann
Jacoby, Sie gefallen mir; der Worte sind genug gewechselt, laßt uns nun
endlich Thaten sehn. Versetzen Sie mir mal rasch den Brocken nach der
Schweiz, aber so, daß er in Deutschland stehen bleibt, natürlich. Sie sollen
auch, bis Sie den „Bruderbund" fertig haben, Reichskanzler sein." Wehe
Euch, wenn Johann Jacoby Reichskanzler wäre!

Aber genug von diesen Autoritäten. Wir sind Willens, Euch von Tag
zu Tag eine weit höhere, bessere zu offenbaren: Das Leben und Wirken
des deutschen Volkes im Frieden. Von den Ufern des schwäbischen
Meeres bis zu den Höhen vor Belfort bildet nun das deutsche Reich
Eure Grenze; wenn Ihr vom Chasseral oder Weißenstein aus die blaue Kette
des Wasgenwaldes am Horizont erblickt, so schaut Ihr in deutsches Land.
Diese mächtige, ausgedehnte Nachbarschaft, die heute so vielen unter Euch eine
Quelle der Sorge, der Beunruhigung ist, wird in wenig Jahren schon Euch
ein Gefühl der Ruhe und Sicherheit bereiten, wie Jhrs nie kanntet, so lange
französische Kanonen von Großhüningen aus bis zur „Basler Brücke" trugen.
Allmählig wird auch den leidenschaftlichsten Deutschenhassern unter Euch klar
werden, daß die Verstärkung der deutschen Macht eine verstärkte Bürgschaft
anhaltenden Friedens, edler freiheitlicher Entwickelung, uneigennützigen Schutzes
für alle mindermächtigen Nachbarn bedeutet. Ihr werdet dann die jetzt noch
verkannte einfache Thatsache begreifen, daß der deutsche Landmann, der an Eurer
Grenze die Furchen pflügt, auf seiner Brust das eiserne Kreuz trägt, und an
der Wand seines besten Zimmers unter dem Bilde des deutschen Kaisers die
Waffen gekreuzt hat, die er an der Lisaine schwang, ein weit weniger schlach¬
tendurstiger Herr, einsehr viel bescheidenerer Nachbar ist, als die rothhosigen Berufs¬
soldaten, die des Sonntags Eure Grenzorte unsicher zu machen pflegten. Alsdann
findet Ihr wohl auch die Ruhe und Lust, Eure inneren Verhältnisse in erfreulicherer
Weise zu reformiren und auf diejenige Höhe moderner Cultur zu bringen,
daß auch Deutschland wieder von der Schweiz fruchtbringende Anregung em¬
pfängt zu neuen Werken der Freiheit, des Friedens und guter Menschensitte.
Das möge der wetteifernde Ehrgeiz sein in allen Beziehungen unsrer beiden
S. . z. Völker! In treuer Gesinnung Dein




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[0184] des Herrn Carl Mayer aus Europa und Stuttgart, die Ihr gewiß gelten laßt. Der letztere hat nämlich die beider Feier am Denkmal Heinrich Simons am 4. und 5. October 1862 gesprochenen Reden und Toaste besonders herausge¬ geben und darunter befindet sich auch einer des Herrn Johann Jacoby, „des einzigen deutschen Mannes," welcher in Kürze dahin lautet, „die alte Sage, der Brocken werde einst mitten in der Schweiz stehen, müsse wahr werden durch einen Bruderbund zwischen Deutschland und der Schweiz." Wie, wenn nun der deutsche Kanzler zu Herrn Joh. Jacoby sagte: „Herr Johann Jacoby, Sie gefallen mir; der Worte sind genug gewechselt, laßt uns nun endlich Thaten sehn. Versetzen Sie mir mal rasch den Brocken nach der Schweiz, aber so, daß er in Deutschland stehen bleibt, natürlich. Sie sollen auch, bis Sie den „Bruderbund" fertig haben, Reichskanzler sein." Wehe Euch, wenn Johann Jacoby Reichskanzler wäre! Aber genug von diesen Autoritäten. Wir sind Willens, Euch von Tag zu Tag eine weit höhere, bessere zu offenbaren: Das Leben und Wirken des deutschen Volkes im Frieden. Von den Ufern des schwäbischen Meeres bis zu den Höhen vor Belfort bildet nun das deutsche Reich Eure Grenze; wenn Ihr vom Chasseral oder Weißenstein aus die blaue Kette des Wasgenwaldes am Horizont erblickt, so schaut Ihr in deutsches Land. Diese mächtige, ausgedehnte Nachbarschaft, die heute so vielen unter Euch eine Quelle der Sorge, der Beunruhigung ist, wird in wenig Jahren schon Euch ein Gefühl der Ruhe und Sicherheit bereiten, wie Jhrs nie kanntet, so lange französische Kanonen von Großhüningen aus bis zur „Basler Brücke" trugen. Allmählig wird auch den leidenschaftlichsten Deutschenhassern unter Euch klar werden, daß die Verstärkung der deutschen Macht eine verstärkte Bürgschaft anhaltenden Friedens, edler freiheitlicher Entwickelung, uneigennützigen Schutzes für alle mindermächtigen Nachbarn bedeutet. Ihr werdet dann die jetzt noch verkannte einfache Thatsache begreifen, daß der deutsche Landmann, der an Eurer Grenze die Furchen pflügt, auf seiner Brust das eiserne Kreuz trägt, und an der Wand seines besten Zimmers unter dem Bilde des deutschen Kaisers die Waffen gekreuzt hat, die er an der Lisaine schwang, ein weit weniger schlach¬ tendurstiger Herr, einsehr viel bescheidenerer Nachbar ist, als die rothhosigen Berufs¬ soldaten, die des Sonntags Eure Grenzorte unsicher zu machen pflegten. Alsdann findet Ihr wohl auch die Ruhe und Lust, Eure inneren Verhältnisse in erfreulicherer Weise zu reformiren und auf diejenige Höhe moderner Cultur zu bringen, daß auch Deutschland wieder von der Schweiz fruchtbringende Anregung em¬ pfängt zu neuen Werken der Freiheit, des Friedens und guter Menschensitte. Das möge der wetteifernde Ehrgeiz sein in allen Beziehungen unsrer beiden S. . z. Völker! In treuer Gesinnung Dein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/184>, abgerufen am 28.09.2024.