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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Wirker bestrafte man hart, weil er einen seiner Stühle außerhalb Landes ver¬
kauft hatte, während ein anderer büßte, weil er sich einen halb eisernen
zugelegt (1733). .

Dagegen blühte schon seit 1714 unser Zwiebelmarkt, freilich ohne die üblichen
Kaffeegesellschaften, da damals der Kaffee noch nicht die allgemeine Verbreitung
hatte; kleiner Wollenverkauf fand schon seit 1700 in der Windischengasse statt,
nur wegen Feuersgefahr war er 1714 verlegt. Letzteres Datum führen wir
an, weil eine französische Zeitung*) neuern Datums, welche eine hübsche
Abbildung unseres heutigen Wollmarktes bringt, die Behauptung aufstellt,
Carl August habe denselben gegründet, um sich gegen die Uebergriffe Preußens
sicher zu stellen.

Was man im Handelswege nicht erreichte, wurde durch Auctionen ver¬
sucht, die an keinem bessern Platze als auf dem obern Saale des Gymnasiums
abgehalten werden konnten. Namentlich Bücherauctionen waren dort in voller
Blüthe. Auf diese hatte die Polizei deßhalb ihr besonderes Augenmerk, weil
sie jeden Bücherdefect je nach Format und pro Band, auch in Progressionen,
bis zu 2 Thlr. bestrafte (1759). **)

Einen wesentlichen Aufschwung im Gebiete des Gewerbes und Handels
nahm Weimar erst durch Bertuch's Schöpfungen, welcher 1791 ein sogenann¬
tes kaufmännisches Commissionscomptoir gründete, in dem jeder Producent
öffentlich ausstellte und so die Muster seiner Fabrikate dem Auslande zugäng¬
lich machte. Sein Verdienst nachdrücklicher hervorzuheben, gestattet diese Skizze
nicht, er ist aber schon deshalb einer der bedeutendsten Träger unserer Cultur,
weil er trieb, und nicht, wie die Menge, getrieben oder geleitet wurde.

Wo man weiter gehen konnte, ohne den gesammten Zuschnitt der Zu¬
stände zu ändern, geschah es im vollsten Maße. Namentlich im Gebiet der
Forst- und Landwirthschaft. Erstere erfreut sich eines lang- und altbewährten
Ruhmes. Die Forstmandate und Ordnungen zeugen für die Umsicht der Be¬
wirthschaftung, wenn jene logisch und stilistisch auch keine Meisterwerke waren
und man z. B. das Schießen mit "geladenem Gewehr" ganz besonders ver¬
bieten zu müssen glaubte.***) Der Vernichtung der Wälder arbeitete man
vielfach entgegen; größere Etablissements durften nur Holz neben Steinkohlen
brauchen, den kleineren Wirthschaften suchte man die öffentlich ausgestellten
Sparöfen zu empfehlen; man prämiirte ein Steinkohlentransportmittel, 1-)
welches die Kohlen zu Wasser von Ilmenau aus dem Lande zuführte. Auch






') Die eingegangene L'Illustration von Laurent Lapp.
*
*) Für jeden nicht zur Auction kommenden Band wurde je nach Format 8, 16 Gr.,
1 und 2 Thlr. bezahlt.
Mandat von 1750.
f) Die Prämie für die verschiedenen hier genannten Erfindungen betrug je 150 Thlr.

Wirker bestrafte man hart, weil er einen seiner Stühle außerhalb Landes ver¬
kauft hatte, während ein anderer büßte, weil er sich einen halb eisernen
zugelegt (1733). .

Dagegen blühte schon seit 1714 unser Zwiebelmarkt, freilich ohne die üblichen
Kaffeegesellschaften, da damals der Kaffee noch nicht die allgemeine Verbreitung
hatte; kleiner Wollenverkauf fand schon seit 1700 in der Windischengasse statt,
nur wegen Feuersgefahr war er 1714 verlegt. Letzteres Datum führen wir
an, weil eine französische Zeitung*) neuern Datums, welche eine hübsche
Abbildung unseres heutigen Wollmarktes bringt, die Behauptung aufstellt,
Carl August habe denselben gegründet, um sich gegen die Uebergriffe Preußens
sicher zu stellen.

Was man im Handelswege nicht erreichte, wurde durch Auctionen ver¬
sucht, die an keinem bessern Platze als auf dem obern Saale des Gymnasiums
abgehalten werden konnten. Namentlich Bücherauctionen waren dort in voller
Blüthe. Auf diese hatte die Polizei deßhalb ihr besonderes Augenmerk, weil
sie jeden Bücherdefect je nach Format und pro Band, auch in Progressionen,
bis zu 2 Thlr. bestrafte (1759). **)

Einen wesentlichen Aufschwung im Gebiete des Gewerbes und Handels
nahm Weimar erst durch Bertuch's Schöpfungen, welcher 1791 ein sogenann¬
tes kaufmännisches Commissionscomptoir gründete, in dem jeder Producent
öffentlich ausstellte und so die Muster seiner Fabrikate dem Auslande zugäng¬
lich machte. Sein Verdienst nachdrücklicher hervorzuheben, gestattet diese Skizze
nicht, er ist aber schon deshalb einer der bedeutendsten Träger unserer Cultur,
weil er trieb, und nicht, wie die Menge, getrieben oder geleitet wurde.

Wo man weiter gehen konnte, ohne den gesammten Zuschnitt der Zu¬
stände zu ändern, geschah es im vollsten Maße. Namentlich im Gebiet der
Forst- und Landwirthschaft. Erstere erfreut sich eines lang- und altbewährten
Ruhmes. Die Forstmandate und Ordnungen zeugen für die Umsicht der Be¬
wirthschaftung, wenn jene logisch und stilistisch auch keine Meisterwerke waren
und man z. B. das Schießen mit „geladenem Gewehr" ganz besonders ver¬
bieten zu müssen glaubte.***) Der Vernichtung der Wälder arbeitete man
vielfach entgegen; größere Etablissements durften nur Holz neben Steinkohlen
brauchen, den kleineren Wirthschaften suchte man die öffentlich ausgestellten
Sparöfen zu empfehlen; man prämiirte ein Steinkohlentransportmittel, 1-)
welches die Kohlen zu Wasser von Ilmenau aus dem Lande zuführte. Auch






') Die eingegangene L'Illustration von Laurent Lapp.
*
*) Für jeden nicht zur Auction kommenden Band wurde je nach Format 8, 16 Gr.,
1 und 2 Thlr. bezahlt.
Mandat von 1750.
f) Die Prämie für die verschiedenen hier genannten Erfindungen betrug je 150 Thlr.
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[0139] Wirker bestrafte man hart, weil er einen seiner Stühle außerhalb Landes ver¬ kauft hatte, während ein anderer büßte, weil er sich einen halb eisernen zugelegt (1733). . Dagegen blühte schon seit 1714 unser Zwiebelmarkt, freilich ohne die üblichen Kaffeegesellschaften, da damals der Kaffee noch nicht die allgemeine Verbreitung hatte; kleiner Wollenverkauf fand schon seit 1700 in der Windischengasse statt, nur wegen Feuersgefahr war er 1714 verlegt. Letzteres Datum führen wir an, weil eine französische Zeitung*) neuern Datums, welche eine hübsche Abbildung unseres heutigen Wollmarktes bringt, die Behauptung aufstellt, Carl August habe denselben gegründet, um sich gegen die Uebergriffe Preußens sicher zu stellen. Was man im Handelswege nicht erreichte, wurde durch Auctionen ver¬ sucht, die an keinem bessern Platze als auf dem obern Saale des Gymnasiums abgehalten werden konnten. Namentlich Bücherauctionen waren dort in voller Blüthe. Auf diese hatte die Polizei deßhalb ihr besonderes Augenmerk, weil sie jeden Bücherdefect je nach Format und pro Band, auch in Progressionen, bis zu 2 Thlr. bestrafte (1759). **) Einen wesentlichen Aufschwung im Gebiete des Gewerbes und Handels nahm Weimar erst durch Bertuch's Schöpfungen, welcher 1791 ein sogenann¬ tes kaufmännisches Commissionscomptoir gründete, in dem jeder Producent öffentlich ausstellte und so die Muster seiner Fabrikate dem Auslande zugäng¬ lich machte. Sein Verdienst nachdrücklicher hervorzuheben, gestattet diese Skizze nicht, er ist aber schon deshalb einer der bedeutendsten Träger unserer Cultur, weil er trieb, und nicht, wie die Menge, getrieben oder geleitet wurde. Wo man weiter gehen konnte, ohne den gesammten Zuschnitt der Zu¬ stände zu ändern, geschah es im vollsten Maße. Namentlich im Gebiet der Forst- und Landwirthschaft. Erstere erfreut sich eines lang- und altbewährten Ruhmes. Die Forstmandate und Ordnungen zeugen für die Umsicht der Be¬ wirthschaftung, wenn jene logisch und stilistisch auch keine Meisterwerke waren und man z. B. das Schießen mit „geladenem Gewehr" ganz besonders ver¬ bieten zu müssen glaubte.***) Der Vernichtung der Wälder arbeitete man vielfach entgegen; größere Etablissements durften nur Holz neben Steinkohlen brauchen, den kleineren Wirthschaften suchte man die öffentlich ausgestellten Sparöfen zu empfehlen; man prämiirte ein Steinkohlentransportmittel, 1-) welches die Kohlen zu Wasser von Ilmenau aus dem Lande zuführte. Auch ') Die eingegangene L'Illustration von Laurent Lapp. * *) Für jeden nicht zur Auction kommenden Band wurde je nach Format 8, 16 Gr., 1 und 2 Thlr. bezahlt. Mandat von 1750. f) Die Prämie für die verschiedenen hier genannten Erfindungen betrug je 150 Thlr.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/139>, abgerufen am 28.12.2024.