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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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im Bürgerstande aber sich hinter den Namen "Grobhäuser, Krikel - Krakel"
und "Drei Bißchen Spiel" zu verstecken suchte. Gemeinen Ständen, wie
Livreebedienten, ja Unterofficieren und Officieren wurde durch öffentliches
Mandat die Summe von 10 Thalern als zulässiges Creditmaximum bestimmt.
Schlittenfahren*) mit Geläute war nur mit höherer Genehmigung erlaubt,
und weit hinein in das Jahrhundert galt die Ordnung von 1763, daß man
nur um Verwandte des ersten Grades, dagegen kein Diener um seinen
Herrn trauern durfte. Freudentage der Familie, Taus- und Confir-
mationstage standen, was die Ausdehnung der Festlichkeiten anlangt
unter Controle und die sprüchwörtlich gewordene Kleiderordnung veranlaßte
den Herzog Carl August, daß er das luxuriöse Tragen cattunener Kleidung,
die recht eigentlich durch eine Eisenacher Fabrik in Mode kam, in der milde¬
sten Form untersagte, indem er zwar das Auftragen gestattete, aber mit
unerbittlicher Strenge verfügte, daß die Sachen zur Controle auf der Polizei
vorgezeigt werden mußten, um daselbst abgestempelt zu werden. **)

Wie dann mit steigender Bildung allmählich die größere Selbstständigkeit
des Bürgerthums in's Leben trat und welche Mittel zur Förderung der so¬
cialen Stellung angewandt wurden, davon später.

Dem Beamten stände wohnte je nach Stellung Bildung inne. Was
ihn im Allgemeinen charakterisier, ist eine gewisse Ueberschätzung im Bewußt¬
sein seines Werthes, Folge davon seine absolute Abgeschlossenheit. Was wir
in andern Staaten jener Zeit zu beobachten vielfach Gelegenheit haben, ist
bei uns nicht der Fall; der Beamte war im Ganzen arbeitsam, pflicht¬
treu. Der treffliche Einfluß von Oben zeigte sich auch hier. Uns liegen
vorzügliche Beispiele von Rechtssinn und Entschlossenheit, die Rechte gegen
die Gewalt zu vertheidigen, vor. Wo Servilismus in den höchsten Beamten¬
kreisen nicht herrscht, pflegt er auch weiter unten nicht zu gedeihen.

Und doch war im Ganzen die sociale Lage des Beamtenthums nicht
glänzend, weil man mit einem verhältnißmäßig großen Apparate arbeitete.
Im Jahre 1769 zählen wir ohne Volksschullehrer 842 Beamte incl. der
Universität. Hundert Jahr später, bei so wesentlich gesteigerten Culturver¬
hältnissen, arbeitet das Großherzogthum mit 1889 Beamten, worunter aber
allein 700 Volksschullehrer inbegriffen sind. Also ein ungünstiges Verhältniß
für das vorige Jahrhundert, dessen Gehalte selbst mit Rücksicht auf die Billig¬
keit der Lebensmittel und die Höhe des Geldwerthes nicht bedeutend waren.
1790 hatte die erste Stelle im Staate 1400 Thaler Gehalt. Goethe meinte,
als er Schuckmann für den Weimarischen Staatsdienst gewinnen wollte, daß
die Besoldung nur mit Rücksicht auf die Einfachheit des Lebens erträglich sei,




") Gesetz vom 22. Sept. 1778.
Mandat v. 17S7.

im Bürgerstande aber sich hinter den Namen „Grobhäuser, Krikel - Krakel"
und „Drei Bißchen Spiel" zu verstecken suchte. Gemeinen Ständen, wie
Livreebedienten, ja Unterofficieren und Officieren wurde durch öffentliches
Mandat die Summe von 10 Thalern als zulässiges Creditmaximum bestimmt.
Schlittenfahren*) mit Geläute war nur mit höherer Genehmigung erlaubt,
und weit hinein in das Jahrhundert galt die Ordnung von 1763, daß man
nur um Verwandte des ersten Grades, dagegen kein Diener um seinen
Herrn trauern durfte. Freudentage der Familie, Taus- und Confir-
mationstage standen, was die Ausdehnung der Festlichkeiten anlangt
unter Controle und die sprüchwörtlich gewordene Kleiderordnung veranlaßte
den Herzog Carl August, daß er das luxuriöse Tragen cattunener Kleidung,
die recht eigentlich durch eine Eisenacher Fabrik in Mode kam, in der milde¬
sten Form untersagte, indem er zwar das Auftragen gestattete, aber mit
unerbittlicher Strenge verfügte, daß die Sachen zur Controle auf der Polizei
vorgezeigt werden mußten, um daselbst abgestempelt zu werden. **)

Wie dann mit steigender Bildung allmählich die größere Selbstständigkeit
des Bürgerthums in's Leben trat und welche Mittel zur Förderung der so¬
cialen Stellung angewandt wurden, davon später.

Dem Beamten stände wohnte je nach Stellung Bildung inne. Was
ihn im Allgemeinen charakterisier, ist eine gewisse Ueberschätzung im Bewußt¬
sein seines Werthes, Folge davon seine absolute Abgeschlossenheit. Was wir
in andern Staaten jener Zeit zu beobachten vielfach Gelegenheit haben, ist
bei uns nicht der Fall; der Beamte war im Ganzen arbeitsam, pflicht¬
treu. Der treffliche Einfluß von Oben zeigte sich auch hier. Uns liegen
vorzügliche Beispiele von Rechtssinn und Entschlossenheit, die Rechte gegen
die Gewalt zu vertheidigen, vor. Wo Servilismus in den höchsten Beamten¬
kreisen nicht herrscht, pflegt er auch weiter unten nicht zu gedeihen.

Und doch war im Ganzen die sociale Lage des Beamtenthums nicht
glänzend, weil man mit einem verhältnißmäßig großen Apparate arbeitete.
Im Jahre 1769 zählen wir ohne Volksschullehrer 842 Beamte incl. der
Universität. Hundert Jahr später, bei so wesentlich gesteigerten Culturver¬
hältnissen, arbeitet das Großherzogthum mit 1889 Beamten, worunter aber
allein 700 Volksschullehrer inbegriffen sind. Also ein ungünstiges Verhältniß
für das vorige Jahrhundert, dessen Gehalte selbst mit Rücksicht auf die Billig¬
keit der Lebensmittel und die Höhe des Geldwerthes nicht bedeutend waren.
1790 hatte die erste Stelle im Staate 1400 Thaler Gehalt. Goethe meinte,
als er Schuckmann für den Weimarischen Staatsdienst gewinnen wollte, daß
die Besoldung nur mit Rücksicht auf die Einfachheit des Lebens erträglich sei,




") Gesetz vom 22. Sept. 1778.
Mandat v. 17S7.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/132>, abgerufen am 08.01.2025.