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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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testantismus den einzigen oder auch nur den vorherrschenden Glauben des
Landes bilde, es ist schon von Wichtigkeit, daß ein geringerer Theil von Pro¬
testanten zwischen Katholiken wohnt; jene geben dann die Vorbilder und
Führer ab, welche diese mit sich fortziehen. So haben die 53 Tausend Pro¬
testanten, welche unter den 458Vz Tausend Katholiken in Oberelsaß wohnen,
die hohe Blüthe der dortigen Industrie geschaffen, während die zahlreicheren
Lutheraner von Niederelsaß ('/z der Bevölkerung) die Entwickelung der dorti¬
gen Landwirthschaft, wozu eben auch eine nicht unbedeutende Industrie und
ansehnlicher Handel kommt, hervorgerufen haben. Aehnlich sind die Verhält¬
nisse im preußischen Rheinland, in der Rhetnpfalz, in Baden und überall wo
Protestanten unter Katholiken wohnen. namhaft sei nur noch eine jetzt
deutsche Provinz gemacht -- Posen. In der Landwirthschaft nimmt sie eine
hohe Stufe ein; sie steht kaum einer andern preußischen Provinz nach in der
Sorgfalt der Feldbestellung, in der umsichtigen Wahl der Feldfrüchte, in der
angestrengten Förderung der Ertragsfähigkeit des Bodens, in der Güte der
Viehstämme, im Reichthum an Nutzvieh, in der Tüchtigkeit und Zweckmäßig¬
keit der Ackergeräthe und landwirtschaftlichen Maschinen. Vor 60 Jahren
herrschte dort noch ganz die berüchtigte polnische Wirthschaft; wenn heute die
polnischen Landwirthe den protestantischen Deutschen, welche dort schon die
größere Hälfte des Bodens besitzen, in ihren Leistungen wenig nachstehen, so
ist der jetzige Zustand doch allein das Verdienst der Letzteren, indem sie die
Vorbilder abgaben, denen jene allmälig nachstrebten und nachkommen. Ich
zweifle nicht daran, daß die protestantischen Pfälzer, Nassauer, Saarbrückner
u. s. w. in Deutsch-Lothringen in kurzer Zeit einen gleichen Umschwung be¬
wirken werden, wozu freilich noch die verbesserten deutschen Schulen bei den
Eingeborenen mitwirken werden.

Die statistischen Zahlen, besonders die amtlichen, stehen übrigens den
vorstehend wiedergegebenen Nachrichten nicht immer zur Seite oder sie wider¬
sprechen sich auch gegenseitig, ein Uebelstand, welcher freilich in der Statistik
leider oft genug eintritt. Immerhin bietet sie doch den sichersten Anhalt zur
Beurtheilung der Staats- und volkswirtschaftlichen Zustände der Länder im
gesammten Durchschnitt. Wir stellen daher alle statistischen Angaben, welche
über die Landwirthschaft in vier ganz oder theilweise zu Deutschland gezogenen
Bezirken und in ganz Frankreich zu finden waren, zusammen, indem zum
Vergleiche, wo irgend möglich, entsprechende Zahlen aus Deutschland, be¬
sonders Preußen dazu gesetzt werden."

Nach der amtlichen "LtatistMö a^rieolö wurden im Jahre 1862
ermittelt:





testantismus den einzigen oder auch nur den vorherrschenden Glauben des
Landes bilde, es ist schon von Wichtigkeit, daß ein geringerer Theil von Pro¬
testanten zwischen Katholiken wohnt; jene geben dann die Vorbilder und
Führer ab, welche diese mit sich fortziehen. So haben die 53 Tausend Pro¬
testanten, welche unter den 458Vz Tausend Katholiken in Oberelsaß wohnen,
die hohe Blüthe der dortigen Industrie geschaffen, während die zahlreicheren
Lutheraner von Niederelsaß ('/z der Bevölkerung) die Entwickelung der dorti¬
gen Landwirthschaft, wozu eben auch eine nicht unbedeutende Industrie und
ansehnlicher Handel kommt, hervorgerufen haben. Aehnlich sind die Verhält¬
nisse im preußischen Rheinland, in der Rhetnpfalz, in Baden und überall wo
Protestanten unter Katholiken wohnen. namhaft sei nur noch eine jetzt
deutsche Provinz gemacht — Posen. In der Landwirthschaft nimmt sie eine
hohe Stufe ein; sie steht kaum einer andern preußischen Provinz nach in der
Sorgfalt der Feldbestellung, in der umsichtigen Wahl der Feldfrüchte, in der
angestrengten Förderung der Ertragsfähigkeit des Bodens, in der Güte der
Viehstämme, im Reichthum an Nutzvieh, in der Tüchtigkeit und Zweckmäßig¬
keit der Ackergeräthe und landwirtschaftlichen Maschinen. Vor 60 Jahren
herrschte dort noch ganz die berüchtigte polnische Wirthschaft; wenn heute die
polnischen Landwirthe den protestantischen Deutschen, welche dort schon die
größere Hälfte des Bodens besitzen, in ihren Leistungen wenig nachstehen, so
ist der jetzige Zustand doch allein das Verdienst der Letzteren, indem sie die
Vorbilder abgaben, denen jene allmälig nachstrebten und nachkommen. Ich
zweifle nicht daran, daß die protestantischen Pfälzer, Nassauer, Saarbrückner
u. s. w. in Deutsch-Lothringen in kurzer Zeit einen gleichen Umschwung be¬
wirken werden, wozu freilich noch die verbesserten deutschen Schulen bei den
Eingeborenen mitwirken werden.

Die statistischen Zahlen, besonders die amtlichen, stehen übrigens den
vorstehend wiedergegebenen Nachrichten nicht immer zur Seite oder sie wider¬
sprechen sich auch gegenseitig, ein Uebelstand, welcher freilich in der Statistik
leider oft genug eintritt. Immerhin bietet sie doch den sichersten Anhalt zur
Beurtheilung der Staats- und volkswirtschaftlichen Zustände der Länder im
gesammten Durchschnitt. Wir stellen daher alle statistischen Angaben, welche
über die Landwirthschaft in vier ganz oder theilweise zu Deutschland gezogenen
Bezirken und in ganz Frankreich zu finden waren, zusammen, indem zum
Vergleiche, wo irgend möglich, entsprechende Zahlen aus Deutschland, be¬
sonders Preußen dazu gesetzt werden."

Nach der amtlichen „LtatistMö a^rieolö wurden im Jahre 1862
ermittelt:





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[0106] testantismus den einzigen oder auch nur den vorherrschenden Glauben des Landes bilde, es ist schon von Wichtigkeit, daß ein geringerer Theil von Pro¬ testanten zwischen Katholiken wohnt; jene geben dann die Vorbilder und Führer ab, welche diese mit sich fortziehen. So haben die 53 Tausend Pro¬ testanten, welche unter den 458Vz Tausend Katholiken in Oberelsaß wohnen, die hohe Blüthe der dortigen Industrie geschaffen, während die zahlreicheren Lutheraner von Niederelsaß ('/z der Bevölkerung) die Entwickelung der dorti¬ gen Landwirthschaft, wozu eben auch eine nicht unbedeutende Industrie und ansehnlicher Handel kommt, hervorgerufen haben. Aehnlich sind die Verhält¬ nisse im preußischen Rheinland, in der Rhetnpfalz, in Baden und überall wo Protestanten unter Katholiken wohnen. namhaft sei nur noch eine jetzt deutsche Provinz gemacht — Posen. In der Landwirthschaft nimmt sie eine hohe Stufe ein; sie steht kaum einer andern preußischen Provinz nach in der Sorgfalt der Feldbestellung, in der umsichtigen Wahl der Feldfrüchte, in der angestrengten Förderung der Ertragsfähigkeit des Bodens, in der Güte der Viehstämme, im Reichthum an Nutzvieh, in der Tüchtigkeit und Zweckmäßig¬ keit der Ackergeräthe und landwirtschaftlichen Maschinen. Vor 60 Jahren herrschte dort noch ganz die berüchtigte polnische Wirthschaft; wenn heute die polnischen Landwirthe den protestantischen Deutschen, welche dort schon die größere Hälfte des Bodens besitzen, in ihren Leistungen wenig nachstehen, so ist der jetzige Zustand doch allein das Verdienst der Letzteren, indem sie die Vorbilder abgaben, denen jene allmälig nachstrebten und nachkommen. Ich zweifle nicht daran, daß die protestantischen Pfälzer, Nassauer, Saarbrückner u. s. w. in Deutsch-Lothringen in kurzer Zeit einen gleichen Umschwung be¬ wirken werden, wozu freilich noch die verbesserten deutschen Schulen bei den Eingeborenen mitwirken werden. Die statistischen Zahlen, besonders die amtlichen, stehen übrigens den vorstehend wiedergegebenen Nachrichten nicht immer zur Seite oder sie wider¬ sprechen sich auch gegenseitig, ein Uebelstand, welcher freilich in der Statistik leider oft genug eintritt. Immerhin bietet sie doch den sichersten Anhalt zur Beurtheilung der Staats- und volkswirtschaftlichen Zustände der Länder im gesammten Durchschnitt. Wir stellen daher alle statistischen Angaben, welche über die Landwirthschaft in vier ganz oder theilweise zu Deutschland gezogenen Bezirken und in ganz Frankreich zu finden waren, zusammen, indem zum Vergleiche, wo irgend möglich, entsprechende Zahlen aus Deutschland, be¬ sonders Preußen dazu gesetzt werden." Nach der amtlichen „LtatistMö a^rieolö wurden im Jahre 1862 ermittelt: Landwirthschaftlich angebauteFrankreich.Dey. der Murte.Dey. der Mosel.Dey. des Niedcr-Dep. des Ober- Flächen (OulturvL) mitRheins.Rheins. Helwren,HeNlMN,Hcltlirsu,Hektaren,Hettorcil, Getreide und mehlhaltige Früchte (karinimx »limeutsires) . .15,620.821198,232192,966107,26991,895 Gemüse u. Wurzelgewächse (vult. xotÄZvres et inÄraivIiöres) .2,640,86740,43945,967S9,67932,898 Künstliche Wiesen.....2,772,66026,02936,44818,80916,274 Natürliche Wiesen.....5,021,24V44,64041,77057,23057,323 Hütungen (kourrakes) . . -386,4111,6082ö417,5453,483 Schwarzbrache «^vliöres niortes)7,147,86244,64041,7703,75116,399 2,320,80917,348500212,820> 0,840

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/106>, abgerufen am 21.10.2024.