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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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nachdem sich eine dicke Schicht von orientalischem Humus k,darübergezogen,
den Freiheitsbaum emporsprießen lassen; aber er sieht eher aus wie eine ver¬
krüppelte und kümmerlich hinsiechende Ceder des Libanons, denn wie eine
lebenskräftige deutsche Eiche.

So das Fundament der badischen Demokratie. Und: yMis g-rox, WAS
rex -- wenn es erlaubt ist, das alte Sprichwort in echt demokratischer Weise
umzukehren. Zwei Mann hoch sitzen ihre Anhänger in der 2. Kammer.
Der Eine, v. Feder, erklärte seine früheren Bedenken gegen den Anschluß an
den Nordbund für beseitigt, glaubte sogar an einer freiheitlichen Entwicklung
des neuen Reiches nicht verzweifeln zu sollen, gab den Verfassungsverträgen
seine Zustimmung, enthielt sich aber der Abstimmung über die Militärcon¬
vention, weil es mit derselben noch keine Eile habe. Der Andere, Kayser,
sagte gar nichts, und stimmte bei den Verfassungsverträgen mit Ja, bei der
Militärconvention mit Nein, was ihn jedoch nicht hinderte, der Adresse an
den Großherzog, welche demselben für seine, bei der Convention doch wohl am
meisten bewiesene, nationale Gesinnung dankt, wieder mit einem kräftigen Ja
beizutreten. -- Doch auch in die 1. Kammer, sogar in die Region der
Standesherren, reichen die Spuren der Partei. Graf Berl lahm gen scheint
die demokratische Ader und den derben Witz seines reichsritterlichen Ahnherrn
für ein Erbstück zu halten, das von dem pietätvollen Enkel nach Kräften be¬
nutzt werden muß. So durfte es denn auch diesmal nicht anders sein. Zu¬
dem mochte er es nöthig genug haben, sich den definitiven Verzicht auf den
unter Oesterreichs Aegide zu errichtenden Südbund durch ein paar nicht zur
Sache gehörige Seitenhiebe zu versüßen. Im Uebrigen konnte er seiner Ge¬
wohnheit gemäß nicht enden, ohne etwas Apartes für sich zu haben, und so
schloß er denn als enragirter Verfechter der vollständigen Annexion an Preußen.

Und damit wären wir wieder an dem Punkte, der für die Zukunft zum
Losungsworte aller Unzufriedenen in Baden werden zu sollen scheint. Die
nationalliberale Partei wird diesem Manöver gegenüber einen sehr einfachen
Stand haben. Die Frage: ob Bundesstaat, ob Einheitsstaat? läßt sich heute
nicht mehr theoretisch entscheiden; ihre Lösung wird abhängen von der Probe,
die das jetzt Geschaffene zu bestehen haben wird, und über deren Ergebniß
wird sich erst nach einer Reihe von Jahren ein Urtheil fällen lassen. Mitt¬
lerweile kann der praktische Politiker sich die Ziele seiner Arbeit nur inner¬
halb der Grenzen des Bundesstaats vorzeichnen, was für Baden bedeutet:
einerseits, Kräftigung der Centralgewalt und liberale Gesetzgebung in allen
naturgemäß gemeinsamen Angelegenheiten; andererseits Erhaltung und Wei¬
terbildung seiner freiheitlichen Zustände im Innern. Daß namentlich in
ersterer Beziehung viel zu thun bleibt, darüber geben wir uns keiner Täu¬
schung hin. Kein Verständiger in Süddeutschland, der bisher um die ratio-


nachdem sich eine dicke Schicht von orientalischem Humus k,darübergezogen,
den Freiheitsbaum emporsprießen lassen; aber er sieht eher aus wie eine ver¬
krüppelte und kümmerlich hinsiechende Ceder des Libanons, denn wie eine
lebenskräftige deutsche Eiche.

So das Fundament der badischen Demokratie. Und: yMis g-rox, WAS
rex — wenn es erlaubt ist, das alte Sprichwort in echt demokratischer Weise
umzukehren. Zwei Mann hoch sitzen ihre Anhänger in der 2. Kammer.
Der Eine, v. Feder, erklärte seine früheren Bedenken gegen den Anschluß an
den Nordbund für beseitigt, glaubte sogar an einer freiheitlichen Entwicklung
des neuen Reiches nicht verzweifeln zu sollen, gab den Verfassungsverträgen
seine Zustimmung, enthielt sich aber der Abstimmung über die Militärcon¬
vention, weil es mit derselben noch keine Eile habe. Der Andere, Kayser,
sagte gar nichts, und stimmte bei den Verfassungsverträgen mit Ja, bei der
Militärconvention mit Nein, was ihn jedoch nicht hinderte, der Adresse an
den Großherzog, welche demselben für seine, bei der Convention doch wohl am
meisten bewiesene, nationale Gesinnung dankt, wieder mit einem kräftigen Ja
beizutreten. — Doch auch in die 1. Kammer, sogar in die Region der
Standesherren, reichen die Spuren der Partei. Graf Berl lahm gen scheint
die demokratische Ader und den derben Witz seines reichsritterlichen Ahnherrn
für ein Erbstück zu halten, das von dem pietätvollen Enkel nach Kräften be¬
nutzt werden muß. So durfte es denn auch diesmal nicht anders sein. Zu¬
dem mochte er es nöthig genug haben, sich den definitiven Verzicht auf den
unter Oesterreichs Aegide zu errichtenden Südbund durch ein paar nicht zur
Sache gehörige Seitenhiebe zu versüßen. Im Uebrigen konnte er seiner Ge¬
wohnheit gemäß nicht enden, ohne etwas Apartes für sich zu haben, und so
schloß er denn als enragirter Verfechter der vollständigen Annexion an Preußen.

Und damit wären wir wieder an dem Punkte, der für die Zukunft zum
Losungsworte aller Unzufriedenen in Baden werden zu sollen scheint. Die
nationalliberale Partei wird diesem Manöver gegenüber einen sehr einfachen
Stand haben. Die Frage: ob Bundesstaat, ob Einheitsstaat? läßt sich heute
nicht mehr theoretisch entscheiden; ihre Lösung wird abhängen von der Probe,
die das jetzt Geschaffene zu bestehen haben wird, und über deren Ergebniß
wird sich erst nach einer Reihe von Jahren ein Urtheil fällen lassen. Mitt¬
lerweile kann der praktische Politiker sich die Ziele seiner Arbeit nur inner¬
halb der Grenzen des Bundesstaats vorzeichnen, was für Baden bedeutet:
einerseits, Kräftigung der Centralgewalt und liberale Gesetzgebung in allen
naturgemäß gemeinsamen Angelegenheiten; andererseits Erhaltung und Wei¬
terbildung seiner freiheitlichen Zustände im Innern. Daß namentlich in
ersterer Beziehung viel zu thun bleibt, darüber geben wir uns keiner Täu¬
schung hin. Kein Verständiger in Süddeutschland, der bisher um die ratio-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/84>, abgerufen am 28.09.2024.