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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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auch die Angelegenheit der politischen Einigung Deutschlands von^Baden
in Fluß gebracht ward. Auch das freilich war bei der bekannten Haltung
von Fürst und Volk zu erwarten. Ueber diese Erwartungen hinaus aber
ging es, daß von Baden nicht der bloße Eintritt der süddeutschen Staaten
in den bisherigen Nordbund, sondern zugleich eine wesentliche Stärkung der
Centralgewalt in militärischer und diplomatischer Beziehung vorgeschlagen
ward. Einen besseren Beweis der Wahrhaftigkeit und zugleich der Freiwillig¬
keit ihrer nationalen Gesinnung konnte die badische Regierung nicht liefern.
Daß ihre Vorschläge in allen Punkten, wo die bayrischen und würtembergi-
schen Einflüsse von entscheidenden Gewicht waren, scheitern mußten, ist
nur allzu begreiflich; um so höher aber wird es anzuschlagen sein, wenn
sie sich durch den schwellenden Strom particularistischer Velleitäten, der sich in
Versailles breit machte, nicht wankend machen ließ, sondern ihr ursprüngliches
Programm, wenigstens soweit Baden in Frage kam, möglichst zur Ausführung,
zu bringen suchte. Die Militärconvention, derzufolge das badische Contingent
einfach in die preußische Armee aufgeht, gibt Zeugniß davon -- ein Zeugniß,
das nicht allein die Regierung, sondern auch -- und zwar in erster Linie --
den Fürsten ehrt. Den überschwänglichen Lobpreisungen gegenüber, mit welchen
im verflossenen Jahre der Patriotismus so manchen deutschen Landesvaters
in ziemlich unmotivirter Weise gefeiert worden, ist es ein wohlthuendes Be¬
wußtsein, daß die reiche und warme Anerkennung, welche dem Großherzog von
Baden in der Adresse des Landtags gezollt wird, in der That nichts enthält,
als die blanke Wahrheit. Wäre es den übrigen süddeutschen Fürsten auch
nur in ähnlicher Weise gelungen, ihr dynastisches Selbstgefühl zu beugen
unter den nationalen Gedanken, es wäre uns erspart geblieben, das wieder
erstandene deutsche Reich in der Gestalt eines verrenkten und verschränkten
Leibes, die bleiernen Fesseln der bayrischen und schwäbischen Clauseln an
Händen und Füßen, begrüßen zu müssen.

Doch lassen wir unnütze Klagen! So wie sie waren, mußten die Verträge
angenommen werden, jede Aenderung war ausgeschlossen. Für die nationale
Partei in Baden konnte die Frage nur die sein, ob die Versailler Abmachungen
die bisherige Verfassung des Norddeutschen Bundes nicht etwa in ihrem Lebenskerne
afficiren würden. Von diesem Gesichtspunkte aus behandelten die Berichterstatter
in beiden Häusern ihren Gegenstand. Hier wie dort half man sich über die schweren
Bedenken hinweg mit dem Troste, daß das jetzt Erreichte immer noch viel
mehr sei, als man noch vor sechs Monaten habe erwarten können. Die Regie¬
rung befand sich dabei in der Lage, noch nachträglich eine kleine Herzenser¬
leichterung verschaffen zu können durch die Mittheilung, daß es den Be¬
mühungen Badens und Hessens noch im letzten Augenblicke gelungen sei,
dem vielberufenen, ausschließlich aus Bayern, Sachsen und Würtemberg


auch die Angelegenheit der politischen Einigung Deutschlands von^Baden
in Fluß gebracht ward. Auch das freilich war bei der bekannten Haltung
von Fürst und Volk zu erwarten. Ueber diese Erwartungen hinaus aber
ging es, daß von Baden nicht der bloße Eintritt der süddeutschen Staaten
in den bisherigen Nordbund, sondern zugleich eine wesentliche Stärkung der
Centralgewalt in militärischer und diplomatischer Beziehung vorgeschlagen
ward. Einen besseren Beweis der Wahrhaftigkeit und zugleich der Freiwillig¬
keit ihrer nationalen Gesinnung konnte die badische Regierung nicht liefern.
Daß ihre Vorschläge in allen Punkten, wo die bayrischen und würtembergi-
schen Einflüsse von entscheidenden Gewicht waren, scheitern mußten, ist
nur allzu begreiflich; um so höher aber wird es anzuschlagen sein, wenn
sie sich durch den schwellenden Strom particularistischer Velleitäten, der sich in
Versailles breit machte, nicht wankend machen ließ, sondern ihr ursprüngliches
Programm, wenigstens soweit Baden in Frage kam, möglichst zur Ausführung,
zu bringen suchte. Die Militärconvention, derzufolge das badische Contingent
einfach in die preußische Armee aufgeht, gibt Zeugniß davon — ein Zeugniß,
das nicht allein die Regierung, sondern auch — und zwar in erster Linie —
den Fürsten ehrt. Den überschwänglichen Lobpreisungen gegenüber, mit welchen
im verflossenen Jahre der Patriotismus so manchen deutschen Landesvaters
in ziemlich unmotivirter Weise gefeiert worden, ist es ein wohlthuendes Be¬
wußtsein, daß die reiche und warme Anerkennung, welche dem Großherzog von
Baden in der Adresse des Landtags gezollt wird, in der That nichts enthält,
als die blanke Wahrheit. Wäre es den übrigen süddeutschen Fürsten auch
nur in ähnlicher Weise gelungen, ihr dynastisches Selbstgefühl zu beugen
unter den nationalen Gedanken, es wäre uns erspart geblieben, das wieder
erstandene deutsche Reich in der Gestalt eines verrenkten und verschränkten
Leibes, die bleiernen Fesseln der bayrischen und schwäbischen Clauseln an
Händen und Füßen, begrüßen zu müssen.

Doch lassen wir unnütze Klagen! So wie sie waren, mußten die Verträge
angenommen werden, jede Aenderung war ausgeschlossen. Für die nationale
Partei in Baden konnte die Frage nur die sein, ob die Versailler Abmachungen
die bisherige Verfassung des Norddeutschen Bundes nicht etwa in ihrem Lebenskerne
afficiren würden. Von diesem Gesichtspunkte aus behandelten die Berichterstatter
in beiden Häusern ihren Gegenstand. Hier wie dort half man sich über die schweren
Bedenken hinweg mit dem Troste, daß das jetzt Erreichte immer noch viel
mehr sei, als man noch vor sechs Monaten habe erwarten können. Die Regie¬
rung befand sich dabei in der Lage, noch nachträglich eine kleine Herzenser¬
leichterung verschaffen zu können durch die Mittheilung, daß es den Be¬
mühungen Badens und Hessens noch im letzten Augenblicke gelungen sei,
dem vielberufenen, ausschließlich aus Bayern, Sachsen und Würtemberg


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/80>, abgerufen am 28.09.2024.