Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.tete gehabt. Was den äußerlichen Empfang anbetrifft, welchen öffentliche und Arm in Arm mit einem jungen, für Deutschlands Wissenschaft begeisterten Gttiizl'oder I. 1871. (!L
tete gehabt. Was den äußerlichen Empfang anbetrifft, welchen öffentliche und Arm in Arm mit einem jungen, für Deutschlands Wissenschaft begeisterten Gttiizl'oder I. 1871. (!L
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tete gehabt. Was den äußerlichen Empfang anbetrifft, welchen öffentliche und
private Persönlichkeiten wetteifernd dem Monarchen bereitet haben, so werden
dessen Einzelheiten in Vergleich gestellt mit dem großen über Berlin aus ge¬
gossenen Lichtmeer vom 3. März; und wenngleich der in Stearin und Gas
gegebene Ausdruck der Freude an jenem Abend einen noch allgemeineren Um¬
fang hatte als gestern, so wird doch anerkannt, daß in pyrotechnischer Be¬
ziehung die gestrige Illumination geschmackvoller war, als ihre Vorgängerin.
Und was vor allem rühmend bemerkt wird, ist die im Verhältniß zu den
vor vierzehn Tagen stattgefundenen Festlichkeiten überaus ruhige und gesittete
Haltung unserer niederen Volksklassen. Am 3. März benahm sich unser
süßer Pöbel in einer den Cylinderhüten und Damenkleidern entschieden feind¬
seligen Weise; für das gestrige Auftreten der Massen aber sagt ein in der
Form und Ausstattung unserer bisherigen Kriegsdepeschen, deren wir seit dem
30. Juli bis zum 3. März hundert und neunzig an unseren Säulen prangen
sahen, gefaßter Erlaß des Polizeipräsidenten feierlichen Dank. In der That,
selbst bis zu den am wenigsten gebildeten Schichten hinab mag die Erkennt¬
niß von der historischen Bedeutung des Momentes gedrungen sein, welchen
Berlin gestern feierte; und auch der geringste Mann suchte die Rückkehr des
Kaisers aus Frankreich mit gleichem Sinne aufzufassen, wie er die Wiederkunft
des Königs von Eins am 18. Juli 1870 gefühlt hatte.
Arm in Arm mit einem jungen, für Deutschlands Wissenschaft begeisterten
Italiener, stand ich damals vor acht Monaten inmitten einer das „Heil Dir
im Siegerkranz" singenden Menge an der Rampe des einfachen neben die
Bibliothek gelehnten Palastes, und ewig unvergeßlich werden dem calabresischen
Galantuomo, wie er mir in seinen Briefen meldet, der ruhige Stolz und die
imponirende Erhebung sein, mit welchen damals das Berliner Volk sich um
seinen beleidigten Fürsten schaarte. Gestern war es ein älterer Gentleman
aus Neuengland, mit dem zusammen ich in vier auf einander folgenden Wa¬
gen den Kaiser, seinen Sohn, seinen Schwiegersohn und den „alten Moltke"
an uns vorüberrollen sah, aber der vielerfahrene Amerikaner konnte sich nicht
genugthun in Lobeserhebungen über die feierliche Mäßigung, in welcher die
doch so sehr gemischte und so hoch erregte Menge sich gefiel. „Das ist wahr¬
lich anständiger und gediegener, als der Empfang, welchen unser Publikum
dem U. S. Grant nach der Einnahme von Richmond bereitet hat", äußerte er.
Nicht etwa kalt wurde der Kaiser bewillkommt, aber auch nicht mit fieber¬
haften Freudenbezeigungen; warm, in bewußter Freude, schlug das Herz des
Volkes dem sehnlichst erwarteten „Liebling" entgegen, wie unsere National-
Hymne den Monarchen nennt. Das ist freilich nicht die „phrenetische Gluth",
an welche unsere westlichen Erbfeinde gewöhnt sind und so könnte auch von
der gestrigen Wirkung, welche die auf dem Bahnhof vor allem Publikum ver-
Gttiizl'oder I. 1871. (!L
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