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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Sommer d. I, trotz der äußersten Beschränkung des Militär-Etats durch die
Ständekammer schlagfertig in's Feld rücken konnten. Er wurde zum Danke
für seine Leistungen im Frühjahr v. I. bei dem Sturm der Volkspartei gegen
das von ihm nach Preußischem Muster eingeführte Kriegsdienstgesetz von
seinen Collegen der "Volksstimmung" geopfert; jetzt wird er von Tübingen
und Reutlingen, den bisherigen Domänen der groß-deutschen Demokratie
nach Berlin gesandt. Fürst Hohenlohe-Langenburg ist der einzige unter den
schwäbischen Standesherrn, der ohne Rücksicht auf seine fürstliche Stellung
und die Beziehungen zum Hof seit dem Jahr 1866 in den schwierigsten
Zeiten treu zur deutschen Partei hielt; auch jetzt zeichnete sich sein Programm
dadurch vor allen andern aus, daß es am meisten den Anforderungen des
Liberalismus gerecht wurde, insbesondere die Nothwendigkeit der Ergänzung
der Reichsverfassung in wahrhaft constitutionellen Sinn, die Aufstellung eines
verantwortlichen Reichsministeriums und die Verminderung der Militärlast
befürwortete.

Uebrigens lehnte es die deutsche Partei in Schwaben, welche bisher die
Elemente der nationalliberalen und freieonservativen, theilweise auch der Fort¬
schrittspartei des Nordens zum gemeinsamen Kampf gegen die vereinigte
ultramontane, demokratische und particularistische Partei zusammenschloß, M
den Wahlen ab, ein gemeinsames bindendes Programm in der einen oder andern
Richtung auszustellen: mit Bestimmtheit läßt sich übrigens schon jetzt behaup¬
ten, daß sämmtliche oben genannten Abgeordneten sich zwischen der national-
liberalen und freieonservativen Partei vertheilen werden.

Am meisten dürste wohl das Programm Römers, der mit Rücksicht auf
seine schneidige Energie, die Klarheit seiner Ziele und seine umfangreichen
politische Bildung die hervorragendste Stellung unter .den schwäbischen Ab¬
geordneten einnehmen wird, der Stimmung der nationalen Partei und der
Mehrheit der Gewählten entsprechen. Ihm gilt es vor Allem, die Reichsver¬
fassung ihrem Geist nach in's Leben einzuführen, sie gegen jeden Angriff,
namentlich gegen jede Gefährdung durch das Wiedererwachen des Particularis-
mus zu vertheidigen. Namentlich tritt er dem Verlangen entgegen, sofort
wieder Aenderungen in der Verfassung vorzunehmen, und mit dem (Anreißen
dessen zu beginnen, was eben erst aufgebaut worden sei. Ein Sturm auf die
Grundbestimmungen der Verfassung würde überdieß einen Conflict mit dem
Bundesrath herbeiführen, während wir in der nächsten Zeit der Einigkeit der
Reichsgewalten dringend bedürfen; würde eine großartige politische Agitation
nöthig machen, während uns Friede und Versöhnung im Innern so nöthig
sei; würde endlich ohne Zweifel die föderativem Elemente der Verfassung,
namentlich die Bedeutung des Bundesraths gefährden, auf welche man in
Württemberg und Bayern so großen Werth lege. Die Loyalität erfordere,


Sommer d. I, trotz der äußersten Beschränkung des Militär-Etats durch die
Ständekammer schlagfertig in's Feld rücken konnten. Er wurde zum Danke
für seine Leistungen im Frühjahr v. I. bei dem Sturm der Volkspartei gegen
das von ihm nach Preußischem Muster eingeführte Kriegsdienstgesetz von
seinen Collegen der „Volksstimmung" geopfert; jetzt wird er von Tübingen
und Reutlingen, den bisherigen Domänen der groß-deutschen Demokratie
nach Berlin gesandt. Fürst Hohenlohe-Langenburg ist der einzige unter den
schwäbischen Standesherrn, der ohne Rücksicht auf seine fürstliche Stellung
und die Beziehungen zum Hof seit dem Jahr 1866 in den schwierigsten
Zeiten treu zur deutschen Partei hielt; auch jetzt zeichnete sich sein Programm
dadurch vor allen andern aus, daß es am meisten den Anforderungen des
Liberalismus gerecht wurde, insbesondere die Nothwendigkeit der Ergänzung
der Reichsverfassung in wahrhaft constitutionellen Sinn, die Aufstellung eines
verantwortlichen Reichsministeriums und die Verminderung der Militärlast
befürwortete.

Uebrigens lehnte es die deutsche Partei in Schwaben, welche bisher die
Elemente der nationalliberalen und freieonservativen, theilweise auch der Fort¬
schrittspartei des Nordens zum gemeinsamen Kampf gegen die vereinigte
ultramontane, demokratische und particularistische Partei zusammenschloß, M
den Wahlen ab, ein gemeinsames bindendes Programm in der einen oder andern
Richtung auszustellen: mit Bestimmtheit läßt sich übrigens schon jetzt behaup¬
ten, daß sämmtliche oben genannten Abgeordneten sich zwischen der national-
liberalen und freieonservativen Partei vertheilen werden.

Am meisten dürste wohl das Programm Römers, der mit Rücksicht auf
seine schneidige Energie, die Klarheit seiner Ziele und seine umfangreichen
politische Bildung die hervorragendste Stellung unter .den schwäbischen Ab¬
geordneten einnehmen wird, der Stimmung der nationalen Partei und der
Mehrheit der Gewählten entsprechen. Ihm gilt es vor Allem, die Reichsver¬
fassung ihrem Geist nach in's Leben einzuführen, sie gegen jeden Angriff,
namentlich gegen jede Gefährdung durch das Wiedererwachen des Particularis-
mus zu vertheidigen. Namentlich tritt er dem Verlangen entgegen, sofort
wieder Aenderungen in der Verfassung vorzunehmen, und mit dem (Anreißen
dessen zu beginnen, was eben erst aufgebaut worden sei. Ein Sturm auf die
Grundbestimmungen der Verfassung würde überdieß einen Conflict mit dem
Bundesrath herbeiführen, während wir in der nächsten Zeit der Einigkeit der
Reichsgewalten dringend bedürfen; würde eine großartige politische Agitation
nöthig machen, während uns Friede und Versöhnung im Innern so nöthig
sei; würde endlich ohne Zweifel die föderativem Elemente der Verfassung,
namentlich die Bedeutung des Bundesraths gefährden, auf welche man in
Württemberg und Bayern so großen Werth lege. Die Loyalität erfordere,


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[0523] Sommer d. I, trotz der äußersten Beschränkung des Militär-Etats durch die Ständekammer schlagfertig in's Feld rücken konnten. Er wurde zum Danke für seine Leistungen im Frühjahr v. I. bei dem Sturm der Volkspartei gegen das von ihm nach Preußischem Muster eingeführte Kriegsdienstgesetz von seinen Collegen der „Volksstimmung" geopfert; jetzt wird er von Tübingen und Reutlingen, den bisherigen Domänen der groß-deutschen Demokratie nach Berlin gesandt. Fürst Hohenlohe-Langenburg ist der einzige unter den schwäbischen Standesherrn, der ohne Rücksicht auf seine fürstliche Stellung und die Beziehungen zum Hof seit dem Jahr 1866 in den schwierigsten Zeiten treu zur deutschen Partei hielt; auch jetzt zeichnete sich sein Programm dadurch vor allen andern aus, daß es am meisten den Anforderungen des Liberalismus gerecht wurde, insbesondere die Nothwendigkeit der Ergänzung der Reichsverfassung in wahrhaft constitutionellen Sinn, die Aufstellung eines verantwortlichen Reichsministeriums und die Verminderung der Militärlast befürwortete. Uebrigens lehnte es die deutsche Partei in Schwaben, welche bisher die Elemente der nationalliberalen und freieonservativen, theilweise auch der Fort¬ schrittspartei des Nordens zum gemeinsamen Kampf gegen die vereinigte ultramontane, demokratische und particularistische Partei zusammenschloß, M den Wahlen ab, ein gemeinsames bindendes Programm in der einen oder andern Richtung auszustellen: mit Bestimmtheit läßt sich übrigens schon jetzt behaup¬ ten, daß sämmtliche oben genannten Abgeordneten sich zwischen der national- liberalen und freieonservativen Partei vertheilen werden. Am meisten dürste wohl das Programm Römers, der mit Rücksicht auf seine schneidige Energie, die Klarheit seiner Ziele und seine umfangreichen politische Bildung die hervorragendste Stellung unter .den schwäbischen Ab¬ geordneten einnehmen wird, der Stimmung der nationalen Partei und der Mehrheit der Gewählten entsprechen. Ihm gilt es vor Allem, die Reichsver¬ fassung ihrem Geist nach in's Leben einzuführen, sie gegen jeden Angriff, namentlich gegen jede Gefährdung durch das Wiedererwachen des Particularis- mus zu vertheidigen. Namentlich tritt er dem Verlangen entgegen, sofort wieder Aenderungen in der Verfassung vorzunehmen, und mit dem (Anreißen dessen zu beginnen, was eben erst aufgebaut worden sei. Ein Sturm auf die Grundbestimmungen der Verfassung würde überdieß einen Conflict mit dem Bundesrath herbeiführen, während wir in der nächsten Zeit der Einigkeit der Reichsgewalten dringend bedürfen; würde eine großartige politische Agitation nöthig machen, während uns Friede und Versöhnung im Innern so nöthig sei; würde endlich ohne Zweifel die föderativem Elemente der Verfassung, namentlich die Bedeutung des Bundesraths gefährden, auf welche man in Württemberg und Bayern so großen Werth lege. Die Loyalität erfordere,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/523>, abgerufen am 22.07.2024.