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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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bisher als ein Anhänger der großdeutschen und ultramontanen Partei, war
ein Clubgenosse Mohls, gegen den er jetzt in demselben Wahlkreis <13) in den
Kampf eintrat. Um die Wahl des letzteren, der, wenn auch unschädlich, doch
durch seine endlosen Reden eine unerträgliche Qual für den Reichstag, wie
bisher für das Zollparlament gewesen wäre, zu beseitigen, und da man auf
die Durchsetzung eines erprobten nationalen Kandidaten in dem stark katho¬
lischen Bezirk verzichten mußte, vereinigte die nationale Partei ihre Stimmen
auf Streich, nachdem derselbe im Landtag für die Reichsverfassung gestimmt
und den Wählern zu G aildorf die Zusage gemacht hatte, daß er der katholi¬
schen Partei im Reichstag nicht beitreten werde.

Außer diesen beiden nicht ausschließlich auf die Rechnung der nationalen
Partei zu setzenden Wahlen hat diese letztere in 12 Wahlkreisen (von im
Ganzen 17 Kreisen) ihre Kandidaten theils mit Stimmeneinhelligkeit, theils
mit großen Majoritäten durchgesetzt, und auch bei den zwei noch ausstehen¬
den engeren Wahlen (Wahlkreis 8 und 9) ist nach dem Ergebniß der Vor¬
wahl an ihrem Sieg nicht zu zweifeln, so daß Schwaben in Wahrheit unter"
17 Abgeordneten nur einen einzigen Gegner der Neugestaltung des deutschen
Reiches nach Berlin sendet, den einzigen Ueberrest zugleich aus der bekannten
Schaar der,17 Zollschwaben.

Jene 12 Abgeordnete sind nach der Reihenfolge der Wahlkreise: Kauf¬
mann G. Müller (1). Professor vt'. Nehscher (2), Staatsrath Goppelt (3),
Dr. O. Elben, Redacteur des schwäbischen Mercurs (4), Fabrikdirector Ke߬
ler (5), Staatsminister von Wagner (6), Commerzienrath Chevalier (7), Rechts¬
anwalt Hölder (lO), Obertribunalrath Weber, Präsident der Kammer der Ab¬
geordneten (11), Fürst Hermann von Hohenlohe-Langenburg (12), Professor
Römer (14), Rechtsanwalt Schmid (15). Hölder und Römer sind als die
Borkämpfer der nationalen Partei Schwabens, G. Müller durch seine Thätig¬
keit im Vorstand des deutschen Handelstags bekannt; des letzteren Wahl in
der Residenzstadt Stuttgart war wohl neben der Wahl Römers diejenige,
welche den bisherigen Particularisten die größte Ueberwindung kostete. Rey-
scher war bis zum Jahr 1849, wo er wegen eines mißfälligen ihm fälschlich
beigelegten Artikels in der damaligen "Deutschen Zeitung", wie neuer¬
dings Pauli gemaßregelt wurde, ordentlicher Professor der Rechts¬
wissenschaft in Tübingen, seitdem lebt er als Privatgelehrter in Cannstatt.
Goppelt, wie Müller dem Handelsstand angehörig, war im Märzministerium
1848/49 Finanzminister und ist seit langen Jahren ein treuer Anhänger der
nationalen Sache. Freiherr von Wagner war bekanntlich unter dem Ministe¬
rium Varnbüler der einzige Minister, an dessen deutscher Gesinnung Nie¬
mand zweifelte, der Reorganisator des Württembergischen Militärs nach dem
Jahr 186", dem allein das Verdienst gebührt, daß unsre Truppen im


bisher als ein Anhänger der großdeutschen und ultramontanen Partei, war
ein Clubgenosse Mohls, gegen den er jetzt in demselben Wahlkreis <13) in den
Kampf eintrat. Um die Wahl des letzteren, der, wenn auch unschädlich, doch
durch seine endlosen Reden eine unerträgliche Qual für den Reichstag, wie
bisher für das Zollparlament gewesen wäre, zu beseitigen, und da man auf
die Durchsetzung eines erprobten nationalen Kandidaten in dem stark katho¬
lischen Bezirk verzichten mußte, vereinigte die nationale Partei ihre Stimmen
auf Streich, nachdem derselbe im Landtag für die Reichsverfassung gestimmt
und den Wählern zu G aildorf die Zusage gemacht hatte, daß er der katholi¬
schen Partei im Reichstag nicht beitreten werde.

Außer diesen beiden nicht ausschließlich auf die Rechnung der nationalen
Partei zu setzenden Wahlen hat diese letztere in 12 Wahlkreisen (von im
Ganzen 17 Kreisen) ihre Kandidaten theils mit Stimmeneinhelligkeit, theils
mit großen Majoritäten durchgesetzt, und auch bei den zwei noch ausstehen¬
den engeren Wahlen (Wahlkreis 8 und 9) ist nach dem Ergebniß der Vor¬
wahl an ihrem Sieg nicht zu zweifeln, so daß Schwaben in Wahrheit unter"
17 Abgeordneten nur einen einzigen Gegner der Neugestaltung des deutschen
Reiches nach Berlin sendet, den einzigen Ueberrest zugleich aus der bekannten
Schaar der,17 Zollschwaben.

Jene 12 Abgeordnete sind nach der Reihenfolge der Wahlkreise: Kauf¬
mann G. Müller (1). Professor vt'. Nehscher (2), Staatsrath Goppelt (3),
Dr. O. Elben, Redacteur des schwäbischen Mercurs (4), Fabrikdirector Ke߬
ler (5), Staatsminister von Wagner (6), Commerzienrath Chevalier (7), Rechts¬
anwalt Hölder (lO), Obertribunalrath Weber, Präsident der Kammer der Ab¬
geordneten (11), Fürst Hermann von Hohenlohe-Langenburg (12), Professor
Römer (14), Rechtsanwalt Schmid (15). Hölder und Römer sind als die
Borkämpfer der nationalen Partei Schwabens, G. Müller durch seine Thätig¬
keit im Vorstand des deutschen Handelstags bekannt; des letzteren Wahl in
der Residenzstadt Stuttgart war wohl neben der Wahl Römers diejenige,
welche den bisherigen Particularisten die größte Ueberwindung kostete. Rey-
scher war bis zum Jahr 1849, wo er wegen eines mißfälligen ihm fälschlich
beigelegten Artikels in der damaligen „Deutschen Zeitung", wie neuer¬
dings Pauli gemaßregelt wurde, ordentlicher Professor der Rechts¬
wissenschaft in Tübingen, seitdem lebt er als Privatgelehrter in Cannstatt.
Goppelt, wie Müller dem Handelsstand angehörig, war im Märzministerium
1848/49 Finanzminister und ist seit langen Jahren ein treuer Anhänger der
nationalen Sache. Freiherr von Wagner war bekanntlich unter dem Ministe¬
rium Varnbüler der einzige Minister, an dessen deutscher Gesinnung Nie¬
mand zweifelte, der Reorganisator des Württembergischen Militärs nach dem
Jahr 186», dem allein das Verdienst gebührt, daß unsre Truppen im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/522>, abgerufen am 23.07.2024.