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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Dingen nie Herz und Nieren prüft, glaubt man in Herrn Debranz nur eine
"bezahlteFeder" erblicken zu müssen, und das trotz der eben gerügten etymologischen
Unmöglichkeit. Aber im Memorial wurden doch und gleichzeitig östreichische,
türkische, rumänische, päpstliche, italienische und brasilianische Interessen neben¬
einander vertreten' -- ein dialectisches Kinderspiel, wenn man an die Viel¬
seitigkeitdenkt, deren sich Herr Ganesco, der Motto-Wallache pg.r excellence, in
seiner Europe, seinem Nain ^jaune und schließlich seinem Parlament
erfreute.

Anfänglich, wie gesagt, hielt sich Herr Ganesco für den Chef des jung¬
republikanischen Europa, was ihn nicht abhielt, im Jahre 1863, während des
Frankfurter Fürstentages, gemeinschaftlich für Kaiser Franz-Joseph, den Her¬
zog von Koburg und so und so viel kleinere deutsche Fürstlichkeiten zu schwär¬
men, welche die Ehre, im Blatte dieses Mannes durch besondere Artikel ge¬
feiert zu werden, durch besondere -- wie soll ich sagen -- Jnsertionsgebühren
oder Honorarzuschüsse? -- erstehen mußten. Der junge Republikaner, der zu
seiner Zeit in Paris namentlich die uns lleur der Hugoanbeter zu Mitar¬
beitern hatte, deren Antibonapartismus ihn aber nicht abhielt, mit Drouyn
de L'huys, damaligem Minister des Aeußern, in ein commerzielles Verhältniß
zu treten, bekam außerdem noch gewisse Polizei- und Regierungscorrespon-
denzen, deren Autor Niemand Anderes war, als jener Marie Esendier, später
einer der Redacteure der France, den Herzog Gramont ganz zuletzt zu seinem
Preßagenten bestellte.

Aber Herr Gregory, der von jeher viel Geld brauchte -- wurde er doch
einst öffentlich einer Hemdenrechnung wegen im Betrage von 3S00 Franken
gemahnt -- verkaufte die Europe*), als die dortigen Manipulationen bei dem
ausgeschürften Publicum nicht mehr zogen, und aus dem Jung-europäischen
Republikaner wurde der Erfinder des Jungtürkenthums, dem Allah-Allah und
Mustapha Fazyl Pascha, der enterbte Bruder des Vicekönigs von Aegypten,
allein rechtmäßiger Prophet war. Als Jungtürke bezog Herr Ganesco einen
auf 4 Jahre garantirten Secretärgehalt von je 60,000 Franken, den er,
einfach gegen eine Abschlagssumme, an einen Lyoner Wucherer verkaufte,
als es sich darum handelte, die nöthigen Summen aufzubringen, um seinen
Wahlkreis in Montmorency, der ihn erst in den Generalrats wählte und ihn
dann nicht in die Kammer brachte, allsonntäglich mit einem Gloria, d. i.
einer Tasse Cafe' mit obligatem Cognac, zu bewirthen. Denn Herr Ganesco
war vom sittlichen Ernst seiner Stellung durchdrungen und nichts hätte ihn
dazu bringen können, seinen Wählern das "Kalb" des Deputirten Rogniat
schlachten, oder die schmackhaften "Rastels" des Abgeordneten Rouxin für sie



") Ja nicht zu verwechseln mit der "Europa" im Verlage des Herrn Ernst Keil, die un¬
geheuer liberal ist, und von keinem Ganesco redigirt wird.

Dingen nie Herz und Nieren prüft, glaubt man in Herrn Debranz nur eine
„bezahlteFeder" erblicken zu müssen, und das trotz der eben gerügten etymologischen
Unmöglichkeit. Aber im Memorial wurden doch und gleichzeitig östreichische,
türkische, rumänische, päpstliche, italienische und brasilianische Interessen neben¬
einander vertreten' — ein dialectisches Kinderspiel, wenn man an die Viel¬
seitigkeitdenkt, deren sich Herr Ganesco, der Motto-Wallache pg.r excellence, in
seiner Europe, seinem Nain ^jaune und schließlich seinem Parlament
erfreute.

Anfänglich, wie gesagt, hielt sich Herr Ganesco für den Chef des jung¬
republikanischen Europa, was ihn nicht abhielt, im Jahre 1863, während des
Frankfurter Fürstentages, gemeinschaftlich für Kaiser Franz-Joseph, den Her¬
zog von Koburg und so und so viel kleinere deutsche Fürstlichkeiten zu schwär¬
men, welche die Ehre, im Blatte dieses Mannes durch besondere Artikel ge¬
feiert zu werden, durch besondere — wie soll ich sagen — Jnsertionsgebühren
oder Honorarzuschüsse? — erstehen mußten. Der junge Republikaner, der zu
seiner Zeit in Paris namentlich die uns lleur der Hugoanbeter zu Mitar¬
beitern hatte, deren Antibonapartismus ihn aber nicht abhielt, mit Drouyn
de L'huys, damaligem Minister des Aeußern, in ein commerzielles Verhältniß
zu treten, bekam außerdem noch gewisse Polizei- und Regierungscorrespon-
denzen, deren Autor Niemand Anderes war, als jener Marie Esendier, später
einer der Redacteure der France, den Herzog Gramont ganz zuletzt zu seinem
Preßagenten bestellte.

Aber Herr Gregory, der von jeher viel Geld brauchte — wurde er doch
einst öffentlich einer Hemdenrechnung wegen im Betrage von 3S00 Franken
gemahnt — verkaufte die Europe*), als die dortigen Manipulationen bei dem
ausgeschürften Publicum nicht mehr zogen, und aus dem Jung-europäischen
Republikaner wurde der Erfinder des Jungtürkenthums, dem Allah-Allah und
Mustapha Fazyl Pascha, der enterbte Bruder des Vicekönigs von Aegypten,
allein rechtmäßiger Prophet war. Als Jungtürke bezog Herr Ganesco einen
auf 4 Jahre garantirten Secretärgehalt von je 60,000 Franken, den er,
einfach gegen eine Abschlagssumme, an einen Lyoner Wucherer verkaufte,
als es sich darum handelte, die nöthigen Summen aufzubringen, um seinen
Wahlkreis in Montmorency, der ihn erst in den Generalrats wählte und ihn
dann nicht in die Kammer brachte, allsonntäglich mit einem Gloria, d. i.
einer Tasse Cafe' mit obligatem Cognac, zu bewirthen. Denn Herr Ganesco
war vom sittlichen Ernst seiner Stellung durchdrungen und nichts hätte ihn
dazu bringen können, seinen Wählern das „Kalb" des Deputirten Rogniat
schlachten, oder die schmackhaften „Rastels" des Abgeordneten Rouxin für sie



») Ja nicht zu verwechseln mit der „Europa" im Verlage des Herrn Ernst Keil, die un¬
geheuer liberal ist, und von keinem Ganesco redigirt wird.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/51>, abgerufen am 29.06.2024.