Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.verschaffen, dürste wohl ewig in der Nacht der Zeiten verborgen bleiben. Freilich besaß die französische Presse noch zwei Exemplare ähnlichen Ca- Wie der Staatsgelehrte Gründer des Memorial zu seinem wohlklingen¬ verschaffen, dürste wohl ewig in der Nacht der Zeiten verborgen bleiben. Freilich besaß die französische Presse noch zwei Exemplare ähnlichen Ca- Wie der Staatsgelehrte Gründer des Memorial zu seinem wohlklingen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125294"/> <p xml:id="ID_172" prev="#ID_171"> verschaffen, dürste wohl ewig in der Nacht der Zeiten verborgen bleiben.<lb/> Genug, daß er gleichzeitig in Brüssel, Dresden und Nimes, wo er sich gern<lb/> mit dem Gelde des Kurfürsten von Hessen zum französischen Deputirten hätte<lb/> wählen lassen wollen, wenn er überhaupt im Stande gewesen wäre, eine an¬<lb/> dere als seine eigene Stimme auf sich zu vereinigen, daß er, sage ich, in allen<lb/> diesen Städten je ein sogenanntes „Bulletin international" ins Leben<lb/> rief, das an Kühnheit der Enten und Unverfrorenheit der politischen Combi¬<lb/> nationen, sowie nebenbei an Preußenhaß, Alles übertraf, was jemals unter<lb/> einen Preßschwengel gekommen. In Deutschland, wo man den Mann nicht<lb/> kannte, beging man leider den Fehler, Herrn Baragnon und seine grotesken<lb/> Elueulcationen ernst zu nehmen, und, indem man ihn und sein Bulletin<lb/> durch berliner Officiöse angreifen und bekämpfen ließ, verlieh man diesen<lb/> Organen und ihrem fadenscheinigen Inhalt eine Wichtigkeit, welche sie bis dahin<lb/> lediglich in den blöden Augen der Capitalverleiher, nicht einmal in denjenigen<lb/> der eigenen Redacteure besaßen. Wer später einmal eine Geschichte des jour¬<lb/> nalistischen Humbug im 19. Jahrhundert wird schreiben wollen, muß diesen<lb/> Girardin in Westentaschenformat und seine Bulletins mit Aufmerksamkeit ver¬<lb/> folgen, da schwerlich irgendwo sich die Geldschneiderei in so cynischer Form<lb/> auf das politische Gebiet gewagt haben mag, wie eben hier.</p><lb/> <p xml:id="ID_173"> Freilich besaß die französische Presse noch zwei Exemplare ähnlichen Ca-<lb/> libers, aber beide waren Nichtfranzosen: Ich denke an die Herren Debranz<lb/> de Saldepenna, den famosen Redacteur des Me'morial diplomatique, einen<lb/> gebornen Dalmatiner, und Herrn Gregory Ganesco, von der Frank¬<lb/> furter Lurops, seligen Andenkens, der es als moldau-wallachischer Chef<lb/> des jung-republikanischen Europa bis zum Generalrats des Cantons von<lb/> Montmorency bei Paris und zum Unter-Leib-Journalisten Rouher's gebracht<lb/> hatte, dessen Leibfederheld bekanntlich von jeher Ernest Dre'olle gewesen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_174" next="#ID_175"> Wie der Staatsgelehrte Gründer des Memorial zu seinem wohlklingen¬<lb/> den Titel gekommen, darüber erzählen sich die pariser Salons eine Geschichte,<lb/> die pikanter, als etymologisch begründet ist. Als Hofliterat des nachmaligen<lb/> Kaisers Maximilian war Herrn Debranz vom Erzherzoge Max, während<lb/> seiner Statthalterschaft im lombardo-venetianischen Königreich, die eiserne<lb/> Krone und somit die Ritterwürde verliehen worden. Die Wiener Staats-<lb/> ccmzlei, welche das betreffende Diplom nur höchst widerwillig ausfüllte, weil<lb/> es einem Manne von der Feder galt , hatte dem neuen Chevalier auch einen<lb/> neuen Titel zu verleihen, und so fand sie, des Unmuthes voll, kein anderes<lb/> Wort als „saläa, yerva". welches Leute, die des Italienischen unkundig<lb/> sind, ironisch mit „bezahlte Feder" übersetzen, während es schlechterdings<lb/> in der Sprache Tasso's „s^atg." oder ähnlich heißen müßte. Sicher ist, daß<lb/> man schlechterdings die Historie so erzählt, und da man in Paris in solchen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
verschaffen, dürste wohl ewig in der Nacht der Zeiten verborgen bleiben.
Genug, daß er gleichzeitig in Brüssel, Dresden und Nimes, wo er sich gern
mit dem Gelde des Kurfürsten von Hessen zum französischen Deputirten hätte
wählen lassen wollen, wenn er überhaupt im Stande gewesen wäre, eine an¬
dere als seine eigene Stimme auf sich zu vereinigen, daß er, sage ich, in allen
diesen Städten je ein sogenanntes „Bulletin international" ins Leben
rief, das an Kühnheit der Enten und Unverfrorenheit der politischen Combi¬
nationen, sowie nebenbei an Preußenhaß, Alles übertraf, was jemals unter
einen Preßschwengel gekommen. In Deutschland, wo man den Mann nicht
kannte, beging man leider den Fehler, Herrn Baragnon und seine grotesken
Elueulcationen ernst zu nehmen, und, indem man ihn und sein Bulletin
durch berliner Officiöse angreifen und bekämpfen ließ, verlieh man diesen
Organen und ihrem fadenscheinigen Inhalt eine Wichtigkeit, welche sie bis dahin
lediglich in den blöden Augen der Capitalverleiher, nicht einmal in denjenigen
der eigenen Redacteure besaßen. Wer später einmal eine Geschichte des jour¬
nalistischen Humbug im 19. Jahrhundert wird schreiben wollen, muß diesen
Girardin in Westentaschenformat und seine Bulletins mit Aufmerksamkeit ver¬
folgen, da schwerlich irgendwo sich die Geldschneiderei in so cynischer Form
auf das politische Gebiet gewagt haben mag, wie eben hier.
Freilich besaß die französische Presse noch zwei Exemplare ähnlichen Ca-
libers, aber beide waren Nichtfranzosen: Ich denke an die Herren Debranz
de Saldepenna, den famosen Redacteur des Me'morial diplomatique, einen
gebornen Dalmatiner, und Herrn Gregory Ganesco, von der Frank¬
furter Lurops, seligen Andenkens, der es als moldau-wallachischer Chef
des jung-republikanischen Europa bis zum Generalrats des Cantons von
Montmorency bei Paris und zum Unter-Leib-Journalisten Rouher's gebracht
hatte, dessen Leibfederheld bekanntlich von jeher Ernest Dre'olle gewesen war.
Wie der Staatsgelehrte Gründer des Memorial zu seinem wohlklingen¬
den Titel gekommen, darüber erzählen sich die pariser Salons eine Geschichte,
die pikanter, als etymologisch begründet ist. Als Hofliterat des nachmaligen
Kaisers Maximilian war Herrn Debranz vom Erzherzoge Max, während
seiner Statthalterschaft im lombardo-venetianischen Königreich, die eiserne
Krone und somit die Ritterwürde verliehen worden. Die Wiener Staats-
ccmzlei, welche das betreffende Diplom nur höchst widerwillig ausfüllte, weil
es einem Manne von der Feder galt , hatte dem neuen Chevalier auch einen
neuen Titel zu verleihen, und so fand sie, des Unmuthes voll, kein anderes
Wort als „saläa, yerva". welches Leute, die des Italienischen unkundig
sind, ironisch mit „bezahlte Feder" übersetzen, während es schlechterdings
in der Sprache Tasso's „s^atg." oder ähnlich heißen müßte. Sicher ist, daß
man schlechterdings die Historie so erzählt, und da man in Paris in solchen
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