Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

England. Noch in Dresden entwirft er das 3. Finale, vollendet jedoch das
ganze Werk erst in London mit der nachträglichen Composition der Preghiera
zum 2. Act am 10. Apr., 2 Tage vor der Aufführung am 12. Apr. 1826.

2) Werfen wir nun den Blick auf Einzelnes, was seine Corresp ondenz
in Bezug auf die Composition des Oberon darbietet. Es wird
dazu dienen, seine Thätigkeit als Componist nach manchen Seiten hin
näher zu beleuchten und deren Würdigung zu vermitteln. -- Am 18. Decbr.
1822 schon schreibt er an Professor H. Lichtenstein nach Berlin: "--- unter¬
dessen hat man mir auch angetragen, eine Oper für London zu schreiben.
Du siehst, daß es mir nicht an Gelegenheit fehlt, durch Vielschreiberei dummes
Zeug zu liefern. Ich lasse mich aber nicht irren und warte auf die gute
Stunde." Den 30. Decbr. 1824 schreibt er dem Freunde wieder: "-- habe
ich endlich von London den 1. Act des Oberon erhalten, der mir sehr wohl
gefällt. Die Verse sind musikalisch und fließend, das Ganze auf Pracht be¬
rechnet. Was hilft mir aber Ein Act, da man mir nicht einmal den Plan
des Ganzen mitgeschickt hat." Am 6. Jan. äußert er sich in gleichem Sinne
Kemble gegenüber, indem er diesem schreibt: "Ehe ich nicht bekannt bin
mit der Ausdehnung und dem Charakter aller musikalischen Nummern, kann
ich weder die Steigerung des Effectes noch die eigenthümliche Färbung jedes
einzelnen Stückes berechnen. Ohne die sichere Uebersicht des Ganzen kann
sich meine Fantasie unmöglich entfalten oder an Einzelheiten gebunden werden."
-- Indem hier auf die brieflichen Mittheilungen W.'s an Planche, die
oben "zur Geschichte des Textes der Oper" gegeben wurden, zurückgewiesen
wird, da deren Inhalt auch die Geschichte der Composition derselben eingehend
berührt, folge als deren Ergänzung hier noch eine Aeußerung W.'s an
Lichten stein. Sie dient zugleich als Beweis, wie W, wenn er auch bereits
am 23. Jan. 1823 mit Ausbildung seiner "Ideen zu Oberon" erfüllt war,
doch auch bei dieser Oper, wie bei seinen früheren, längere Zeit schon inner¬
lich arbeitete. Noch am 4. Sept. schrieb er nemlich diesem Freunde: "--
Bis Ende Febr. muß der Oberon fertig sein, und noch steht keine Note auf
dem Papier" (d. h. in Partitur, denn Ur. 1. 2, 4 und 5 waren flüchtig ent¬
worfen). "Das wäre noch so arg nicht; aber -- der Dienst und 100,000
Störungen von Außen und auch wohl mitunter von Innen! Nun, Gott
wird helfen!" --

Als W. aber, nach London gekommen, noch, sehr gegen seine Neigung,
2 Musikstücke dem beliebten Braham, seinem Huon, zu Gefallen componiren
mußte -- die große Scene statt Huon's ursprünglicher Arie Ur. ö und die
Preghiera im 2. Acte -- schreibt er am 31. März der Gattin von London:
"-- Durch die Scenen im Freischütz" (die er in den sogenannten "Oratorien"
sConcerte im Coventgarden-TheaterZ wiederholt auszuführen hatte) "sind die


England. Noch in Dresden entwirft er das 3. Finale, vollendet jedoch das
ganze Werk erst in London mit der nachträglichen Composition der Preghiera
zum 2. Act am 10. Apr., 2 Tage vor der Aufführung am 12. Apr. 1826.

2) Werfen wir nun den Blick auf Einzelnes, was seine Corresp ondenz
in Bezug auf die Composition des Oberon darbietet. Es wird
dazu dienen, seine Thätigkeit als Componist nach manchen Seiten hin
näher zu beleuchten und deren Würdigung zu vermitteln. — Am 18. Decbr.
1822 schon schreibt er an Professor H. Lichtenstein nach Berlin: „—- unter¬
dessen hat man mir auch angetragen, eine Oper für London zu schreiben.
Du siehst, daß es mir nicht an Gelegenheit fehlt, durch Vielschreiberei dummes
Zeug zu liefern. Ich lasse mich aber nicht irren und warte auf die gute
Stunde." Den 30. Decbr. 1824 schreibt er dem Freunde wieder: „— habe
ich endlich von London den 1. Act des Oberon erhalten, der mir sehr wohl
gefällt. Die Verse sind musikalisch und fließend, das Ganze auf Pracht be¬
rechnet. Was hilft mir aber Ein Act, da man mir nicht einmal den Plan
des Ganzen mitgeschickt hat." Am 6. Jan. äußert er sich in gleichem Sinne
Kemble gegenüber, indem er diesem schreibt: „Ehe ich nicht bekannt bin
mit der Ausdehnung und dem Charakter aller musikalischen Nummern, kann
ich weder die Steigerung des Effectes noch die eigenthümliche Färbung jedes
einzelnen Stückes berechnen. Ohne die sichere Uebersicht des Ganzen kann
sich meine Fantasie unmöglich entfalten oder an Einzelheiten gebunden werden."
— Indem hier auf die brieflichen Mittheilungen W.'s an Planche, die
oben „zur Geschichte des Textes der Oper" gegeben wurden, zurückgewiesen
wird, da deren Inhalt auch die Geschichte der Composition derselben eingehend
berührt, folge als deren Ergänzung hier noch eine Aeußerung W.'s an
Lichten stein. Sie dient zugleich als Beweis, wie W, wenn er auch bereits
am 23. Jan. 1823 mit Ausbildung seiner „Ideen zu Oberon" erfüllt war,
doch auch bei dieser Oper, wie bei seinen früheren, längere Zeit schon inner¬
lich arbeitete. Noch am 4. Sept. schrieb er nemlich diesem Freunde: „—
Bis Ende Febr. muß der Oberon fertig sein, und noch steht keine Note auf
dem Papier" (d. h. in Partitur, denn Ur. 1. 2, 4 und 5 waren flüchtig ent¬
worfen). „Das wäre noch so arg nicht; aber — der Dienst und 100,000
Störungen von Außen und auch wohl mitunter von Innen! Nun, Gott
wird helfen!" —

Als W. aber, nach London gekommen, noch, sehr gegen seine Neigung,
2 Musikstücke dem beliebten Braham, seinem Huon, zu Gefallen componiren
mußte — die große Scene statt Huon's ursprünglicher Arie Ur. ö und die
Preghiera im 2. Acte — schreibt er am 31. März der Gattin von London:
„— Durch die Scenen im Freischütz" (die er in den sogenannten „Oratorien"
sConcerte im Coventgarden-TheaterZ wiederholt auszuführen hatte) „sind die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0475" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125719"/>
            <p xml:id="ID_1582" prev="#ID_1581"> England. Noch in Dresden entwirft er das 3. Finale, vollendet jedoch das<lb/>
ganze Werk erst in London mit der nachträglichen Composition der Preghiera<lb/>
zum 2. Act am 10. Apr., 2 Tage vor der Aufführung am 12. Apr. 1826.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1583"> 2) Werfen wir nun den Blick auf Einzelnes, was seine Corresp ondenz<lb/>
in Bezug auf die Composition des Oberon darbietet. Es wird<lb/>
dazu dienen, seine Thätigkeit als Componist nach manchen Seiten hin<lb/>
näher zu beleuchten und deren Würdigung zu vermitteln. &#x2014; Am 18. Decbr.<lb/>
1822 schon schreibt er an Professor H. Lichtenstein nach Berlin: &#x201E;&#x2014;- unter¬<lb/>
dessen hat man mir auch angetragen, eine Oper für London zu schreiben.<lb/>
Du siehst, daß es mir nicht an Gelegenheit fehlt, durch Vielschreiberei dummes<lb/>
Zeug zu liefern. Ich lasse mich aber nicht irren und warte auf die gute<lb/>
Stunde." Den 30. Decbr. 1824 schreibt er dem Freunde wieder: &#x201E;&#x2014; habe<lb/>
ich endlich von London den 1. Act des Oberon erhalten, der mir sehr wohl<lb/>
gefällt. Die Verse sind musikalisch und fließend, das Ganze auf Pracht be¬<lb/>
rechnet. Was hilft mir aber Ein Act, da man mir nicht einmal den Plan<lb/>
des Ganzen mitgeschickt hat." Am 6. Jan. äußert er sich in gleichem Sinne<lb/>
Kemble gegenüber, indem er diesem schreibt: &#x201E;Ehe ich nicht bekannt bin<lb/>
mit der Ausdehnung und dem Charakter aller musikalischen Nummern, kann<lb/>
ich weder die Steigerung des Effectes noch die eigenthümliche Färbung jedes<lb/>
einzelnen Stückes berechnen. Ohne die sichere Uebersicht des Ganzen kann<lb/>
sich meine Fantasie unmöglich entfalten oder an Einzelheiten gebunden werden."<lb/>
&#x2014; Indem hier auf die brieflichen Mittheilungen W.'s an Planche, die<lb/>
oben &#x201E;zur Geschichte des Textes der Oper" gegeben wurden, zurückgewiesen<lb/>
wird, da deren Inhalt auch die Geschichte der Composition derselben eingehend<lb/>
berührt, folge als deren Ergänzung hier noch eine Aeußerung W.'s an<lb/>
Lichten stein. Sie dient zugleich als Beweis, wie W, wenn er auch bereits<lb/>
am 23. Jan. 1823 mit Ausbildung seiner &#x201E;Ideen zu Oberon" erfüllt war,<lb/>
doch auch bei dieser Oper, wie bei seinen früheren, längere Zeit schon inner¬<lb/>
lich arbeitete. Noch am 4. Sept. schrieb er nemlich diesem Freunde: &#x201E;&#x2014;<lb/>
Bis Ende Febr. muß der Oberon fertig sein, und noch steht keine Note auf<lb/>
dem Papier" (d. h. in Partitur, denn Ur. 1. 2, 4 und 5 waren flüchtig ent¬<lb/>
worfen). &#x201E;Das wäre noch so arg nicht; aber &#x2014; der Dienst und 100,000<lb/>
Störungen von Außen und auch wohl mitunter von Innen! Nun, Gott<lb/>
wird helfen!" &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1584" next="#ID_1585"> Als W. aber, nach London gekommen, noch, sehr gegen seine Neigung,<lb/>
2 Musikstücke dem beliebten Braham, seinem Huon, zu Gefallen componiren<lb/>
mußte &#x2014; die große Scene statt Huon's ursprünglicher Arie Ur. ö und die<lb/>
Preghiera im 2. Acte &#x2014; schreibt er am 31. März der Gattin von London:<lb/>
&#x201E;&#x2014; Durch die Scenen im Freischütz" (die er in den sogenannten &#x201E;Oratorien"<lb/>
sConcerte im Coventgarden-TheaterZ wiederholt auszuführen hatte) &#x201E;sind die</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0475] England. Noch in Dresden entwirft er das 3. Finale, vollendet jedoch das ganze Werk erst in London mit der nachträglichen Composition der Preghiera zum 2. Act am 10. Apr., 2 Tage vor der Aufführung am 12. Apr. 1826. 2) Werfen wir nun den Blick auf Einzelnes, was seine Corresp ondenz in Bezug auf die Composition des Oberon darbietet. Es wird dazu dienen, seine Thätigkeit als Componist nach manchen Seiten hin näher zu beleuchten und deren Würdigung zu vermitteln. — Am 18. Decbr. 1822 schon schreibt er an Professor H. Lichtenstein nach Berlin: „—- unter¬ dessen hat man mir auch angetragen, eine Oper für London zu schreiben. Du siehst, daß es mir nicht an Gelegenheit fehlt, durch Vielschreiberei dummes Zeug zu liefern. Ich lasse mich aber nicht irren und warte auf die gute Stunde." Den 30. Decbr. 1824 schreibt er dem Freunde wieder: „— habe ich endlich von London den 1. Act des Oberon erhalten, der mir sehr wohl gefällt. Die Verse sind musikalisch und fließend, das Ganze auf Pracht be¬ rechnet. Was hilft mir aber Ein Act, da man mir nicht einmal den Plan des Ganzen mitgeschickt hat." Am 6. Jan. äußert er sich in gleichem Sinne Kemble gegenüber, indem er diesem schreibt: „Ehe ich nicht bekannt bin mit der Ausdehnung und dem Charakter aller musikalischen Nummern, kann ich weder die Steigerung des Effectes noch die eigenthümliche Färbung jedes einzelnen Stückes berechnen. Ohne die sichere Uebersicht des Ganzen kann sich meine Fantasie unmöglich entfalten oder an Einzelheiten gebunden werden." — Indem hier auf die brieflichen Mittheilungen W.'s an Planche, die oben „zur Geschichte des Textes der Oper" gegeben wurden, zurückgewiesen wird, da deren Inhalt auch die Geschichte der Composition derselben eingehend berührt, folge als deren Ergänzung hier noch eine Aeußerung W.'s an Lichten stein. Sie dient zugleich als Beweis, wie W, wenn er auch bereits am 23. Jan. 1823 mit Ausbildung seiner „Ideen zu Oberon" erfüllt war, doch auch bei dieser Oper, wie bei seinen früheren, längere Zeit schon inner¬ lich arbeitete. Noch am 4. Sept. schrieb er nemlich diesem Freunde: „— Bis Ende Febr. muß der Oberon fertig sein, und noch steht keine Note auf dem Papier" (d. h. in Partitur, denn Ur. 1. 2, 4 und 5 waren flüchtig ent¬ worfen). „Das wäre noch so arg nicht; aber — der Dienst und 100,000 Störungen von Außen und auch wohl mitunter von Innen! Nun, Gott wird helfen!" — Als W. aber, nach London gekommen, noch, sehr gegen seine Neigung, 2 Musikstücke dem beliebten Braham, seinem Huon, zu Gefallen componiren mußte — die große Scene statt Huon's ursprünglicher Arie Ur. ö und die Preghiera im 2. Acte — schreibt er am 31. März der Gattin von London: „— Durch die Scenen im Freischütz" (die er in den sogenannten „Oratorien" sConcerte im Coventgarden-TheaterZ wiederholt auszuführen hatte) „sind die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/475
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/475>, abgerufen am 23.07.2024.