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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Derselbe Geist kennzeichnet auch die folgenden Jahre und nur das Auf¬
treten Karl's IV. von Lothringen bringt einen etwas frischeren Hauch in den
Kampf. Ihm gelingt es, seit langer Zeit wieder einmal, die Franzosen im
freien Felde zu schlagen, an der Conzer Brücke, und in Folge dessen Trier
zu nehmen. Aber leider rafft ihn kurze Zeit später der Tod dahin. Die
errungenen Vortheile festzuhalten, war sein Neffe, Karl V., entschlossen. "Jetzt
oder niemals!" stand auf seinen Fahnen, als er sich anschickte, Lothringen,
das Erbe seines Hauses zurückzuerobern. Mit rascher Hand eroberte er
Longwy; jubelnd grüßte ihn das lothringische Landvolk als den angestammten
lieben Herrn; als er jedoch auf Nancy vorrückte, trat ihm Crequi mit über¬
mächtigen Heeresmassen entgegen, und wie er sich auch wenden mochte --
überall fand er den Marschall auf seinem Wege. Ohne daß es zu einer
Schlacht kam wurde der Herzog, dem die erwartete Unterstützung der Reichs¬
armee ausblieb, wieder in die Pfalz zurückmanövrirt. Rasch dra^ge?n die
Franzosen nach; aufs Neue überschritten sie den Rhein; Freiburg, das Haupt¬
kriegsmagazin des kaiserlichen Heeres siel in ihre Hände, und nun gestalteten
sich die Umstände dermaßen trostlos, daß das Reich in Unterhandlungen
eintrat. Das Jahr 1678 führte den Frieden von Nymwegen herbei. Lud¬
wig XIV. triumphirte. Er erhielt die burgundische Freigrafschaft und sieben
flandrische Festungen, (Se. Omer, Upern, Cambrai und Valenciennes, Cord6,
Maubeuge und Bauvay) Plätze von unschätzbarer militärischer Bedeutung,
um welche Frankreich und Deutschland schon wiederholt gerungen hatten.
Seine Uebergriffe im Elsaß sollten gutgeheißen werden, und selbst auf dem
rechten Rheinufer faßte er Fuß, indem er Freiburg im Breisgau behielt:
eine immerwährende Bedrohung des Reichs. -- Vom Herzogthum Lothringen
sollten Nancy und Longwy an Frankreich abgetreten werden; aber da der
Herzog hiegegen protestirte, verblieb Ludwig im Besitz des ganzen Landes.
Welche Verluste für das Reich! um so schmerzlicher als auch den Bundes¬
genossen Frankreichs, den Schweden, all' die deutschen Lande aufs Neue ab¬
getreten werden sollten, welche das Schwert des großen Kurfürsten zurück¬
erobert hatte. Dringend beschwor dieser den Kaiser, mit Aufbietung aller
Kräfte, namentlich des Elsasses wegen, auch ohne Holland und Spanien den
Krieg gegen Frankreich fortzusetzen. Vergebens! Der sonst so stolze Habs¬
burger schloß den schmachvollsten Frieden ab, dem das Reich jemals beige¬
treten ist. Auch jetzt noch versuchte Friedrich Wilhelm Widerstand' zu leisten,
obgleich ihm Louvois drohte, er werde "erst Lippstadt, dann Magdeburg
nehmen und den Krieg nicht auf schwedische Weise führen;" noch 1679 hatte
der Marschall Crequi an der Weser den brandenburgischen General Spaen
zu bekämpfen. Endlich aber, von Allen verlassen, mußte auch Brandenburg
die Waffen niederlegen. Schmerzlich bewegt war der Kurfürst, als er den


Derselbe Geist kennzeichnet auch die folgenden Jahre und nur das Auf¬
treten Karl's IV. von Lothringen bringt einen etwas frischeren Hauch in den
Kampf. Ihm gelingt es, seit langer Zeit wieder einmal, die Franzosen im
freien Felde zu schlagen, an der Conzer Brücke, und in Folge dessen Trier
zu nehmen. Aber leider rafft ihn kurze Zeit später der Tod dahin. Die
errungenen Vortheile festzuhalten, war sein Neffe, Karl V., entschlossen. „Jetzt
oder niemals!" stand auf seinen Fahnen, als er sich anschickte, Lothringen,
das Erbe seines Hauses zurückzuerobern. Mit rascher Hand eroberte er
Longwy; jubelnd grüßte ihn das lothringische Landvolk als den angestammten
lieben Herrn; als er jedoch auf Nancy vorrückte, trat ihm Crequi mit über¬
mächtigen Heeresmassen entgegen, und wie er sich auch wenden mochte —
überall fand er den Marschall auf seinem Wege. Ohne daß es zu einer
Schlacht kam wurde der Herzog, dem die erwartete Unterstützung der Reichs¬
armee ausblieb, wieder in die Pfalz zurückmanövrirt. Rasch dra^ge?n die
Franzosen nach; aufs Neue überschritten sie den Rhein; Freiburg, das Haupt¬
kriegsmagazin des kaiserlichen Heeres siel in ihre Hände, und nun gestalteten
sich die Umstände dermaßen trostlos, daß das Reich in Unterhandlungen
eintrat. Das Jahr 1678 führte den Frieden von Nymwegen herbei. Lud¬
wig XIV. triumphirte. Er erhielt die burgundische Freigrafschaft und sieben
flandrische Festungen, (Se. Omer, Upern, Cambrai und Valenciennes, Cord6,
Maubeuge und Bauvay) Plätze von unschätzbarer militärischer Bedeutung,
um welche Frankreich und Deutschland schon wiederholt gerungen hatten.
Seine Uebergriffe im Elsaß sollten gutgeheißen werden, und selbst auf dem
rechten Rheinufer faßte er Fuß, indem er Freiburg im Breisgau behielt:
eine immerwährende Bedrohung des Reichs. — Vom Herzogthum Lothringen
sollten Nancy und Longwy an Frankreich abgetreten werden; aber da der
Herzog hiegegen protestirte, verblieb Ludwig im Besitz des ganzen Landes.
Welche Verluste für das Reich! um so schmerzlicher als auch den Bundes¬
genossen Frankreichs, den Schweden, all' die deutschen Lande aufs Neue ab¬
getreten werden sollten, welche das Schwert des großen Kurfürsten zurück¬
erobert hatte. Dringend beschwor dieser den Kaiser, mit Aufbietung aller
Kräfte, namentlich des Elsasses wegen, auch ohne Holland und Spanien den
Krieg gegen Frankreich fortzusetzen. Vergebens! Der sonst so stolze Habs¬
burger schloß den schmachvollsten Frieden ab, dem das Reich jemals beige¬
treten ist. Auch jetzt noch versuchte Friedrich Wilhelm Widerstand' zu leisten,
obgleich ihm Louvois drohte, er werde „erst Lippstadt, dann Magdeburg
nehmen und den Krieg nicht auf schwedische Weise führen;" noch 1679 hatte
der Marschall Crequi an der Weser den brandenburgischen General Spaen
zu bekämpfen. Endlich aber, von Allen verlassen, mußte auch Brandenburg
die Waffen niederlegen. Schmerzlich bewegt war der Kurfürst, als er den


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[0467] Derselbe Geist kennzeichnet auch die folgenden Jahre und nur das Auf¬ treten Karl's IV. von Lothringen bringt einen etwas frischeren Hauch in den Kampf. Ihm gelingt es, seit langer Zeit wieder einmal, die Franzosen im freien Felde zu schlagen, an der Conzer Brücke, und in Folge dessen Trier zu nehmen. Aber leider rafft ihn kurze Zeit später der Tod dahin. Die errungenen Vortheile festzuhalten, war sein Neffe, Karl V., entschlossen. „Jetzt oder niemals!" stand auf seinen Fahnen, als er sich anschickte, Lothringen, das Erbe seines Hauses zurückzuerobern. Mit rascher Hand eroberte er Longwy; jubelnd grüßte ihn das lothringische Landvolk als den angestammten lieben Herrn; als er jedoch auf Nancy vorrückte, trat ihm Crequi mit über¬ mächtigen Heeresmassen entgegen, und wie er sich auch wenden mochte — überall fand er den Marschall auf seinem Wege. Ohne daß es zu einer Schlacht kam wurde der Herzog, dem die erwartete Unterstützung der Reichs¬ armee ausblieb, wieder in die Pfalz zurückmanövrirt. Rasch dra^ge?n die Franzosen nach; aufs Neue überschritten sie den Rhein; Freiburg, das Haupt¬ kriegsmagazin des kaiserlichen Heeres siel in ihre Hände, und nun gestalteten sich die Umstände dermaßen trostlos, daß das Reich in Unterhandlungen eintrat. Das Jahr 1678 führte den Frieden von Nymwegen herbei. Lud¬ wig XIV. triumphirte. Er erhielt die burgundische Freigrafschaft und sieben flandrische Festungen, (Se. Omer, Upern, Cambrai und Valenciennes, Cord6, Maubeuge und Bauvay) Plätze von unschätzbarer militärischer Bedeutung, um welche Frankreich und Deutschland schon wiederholt gerungen hatten. Seine Uebergriffe im Elsaß sollten gutgeheißen werden, und selbst auf dem rechten Rheinufer faßte er Fuß, indem er Freiburg im Breisgau behielt: eine immerwährende Bedrohung des Reichs. — Vom Herzogthum Lothringen sollten Nancy und Longwy an Frankreich abgetreten werden; aber da der Herzog hiegegen protestirte, verblieb Ludwig im Besitz des ganzen Landes. Welche Verluste für das Reich! um so schmerzlicher als auch den Bundes¬ genossen Frankreichs, den Schweden, all' die deutschen Lande aufs Neue ab¬ getreten werden sollten, welche das Schwert des großen Kurfürsten zurück¬ erobert hatte. Dringend beschwor dieser den Kaiser, mit Aufbietung aller Kräfte, namentlich des Elsasses wegen, auch ohne Holland und Spanien den Krieg gegen Frankreich fortzusetzen. Vergebens! Der sonst so stolze Habs¬ burger schloß den schmachvollsten Frieden ab, dem das Reich jemals beige¬ treten ist. Auch jetzt noch versuchte Friedrich Wilhelm Widerstand' zu leisten, obgleich ihm Louvois drohte, er werde „erst Lippstadt, dann Magdeburg nehmen und den Krieg nicht auf schwedische Weise führen;" noch 1679 hatte der Marschall Crequi an der Weser den brandenburgischen General Spaen zu bekämpfen. Endlich aber, von Allen verlassen, mußte auch Brandenburg die Waffen niederlegen. Schmerzlich bewegt war der Kurfürst, als er den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/467>, abgerufen am 22.07.2024.