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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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1866, ging man mit einem Selbstvertrauen in den Krieg, das kaum Jemand
in der übrigen Welt theilte, das aber vollkommen berechtigt war. Und da
es vier Jahre früher nicht getäuscht hatte, so theilte es sich diesmal erheblich
rascher wenigstens denjenigen mit, welche wünschten, es theilen zu können.
Vor allem erfüllte es die Leitung der preußischen Bank. Diese gab daher allen
Filialen und Agenturen ihres weitverzweigten Geschäfts die Anweisung, in
der Gewährung von Credit an solide Kunden bis an die Grenzen des
Zulässigen zu gehen, gerade, wie wenn in der Welt nichts Außerordentliches
los wäre. Der heilsame Einfluß, welchen diese Anweisung auf den Verlauf
der volkswirthschaftlichen Krisis geäußerthat, ist kaum zu überschätzen; zumal
im Gegensatz zu der kläglichen Haltung, auf der sich manche kleinere Bank
betreffen ließ. Die Direction der Hannöverschen Bank z. B. hatte dergestalt
den Kopf verloren, daß sie ihren ständigen Kunden Einlagen von ein paar
tausend Thalern zurückschickte, damit es ihnen nur nicht einfalle, auf Grund
des getroffenen Abkommens ein paar tausend Thaler mehr als das Guthaben
entlehnen zu wollen. So blieb denn auch eine verdienstliche Anregung der
Braunschweiger Bank, sich unter den kleineren deutschen Zettelbanken über
gegenseitige Annahme der Noten zu verständigen, ohne praktische Folge.

Wie im Sommer 1866, so hatte man in Berlin auch diesmal wieder
Darlehnskassen von Staats wegen errichten zu müssen geglaubt, um Kauf¬
leuten und Industriellen über die Kriegszeit hinwegzuhelfen. Man weiß, daß
die volkswirtschaftliche Kritik dergleichen Nothschöpfungen des Staats
entweder überflüssig oder gefährlich findet. Diesmal zeigren sie sich, ebenso
wie 1866, von ihrer liebenswürdigeren Seite, nämlich nur allenfalls über¬
flüssig. Keine der errichteten Darlehnskassen wurde stark benutzt, mehrere
gar nicht oder beinahe gar nicht, und gingen daher auch schon im September
oder October wieder ein. Dagegen hat sich an verschiedenen Orten wie in
Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart, Leipzig u. f. f. der Handelsstand
durch außerordentliche Disconto- oder Lombard-Cassen selbst geholfen, und
von diesen Schöpfungen freier Eigenhilfe haben einige sehr bedeutende Umsätze
gemacht, also unzweifelhaft viel gethan, der Geschäftswelt die Ueberwindung
der Krisis zu erleichtern. Bankerotte sind aber überall nicht in ungewöhn¬
licher Zahl oder Schwere vorgekommen.

Es war gewiß ein hohes Zeichen nationaler Gesundheit, daß die den
Krieg begleitende geschäftliche Vertrauensstörung schon wieder abnahm, ehe
noch die Sil-ge von Wörth und Forbach der Furcht vor feindlicher Invasion
fürerst ein Ende machten. Verglichen mit den entsprechenden Vorgängen in
Frankreich war es eine wichtige frühe Bürgschaft definitiven Triumphs. An
nichts waren die Franzosen uns sicherer überlegen als in Capitalreichthum
und Geldmacht. Der Baarschatz der preußischen Bank verschwand neben


1866, ging man mit einem Selbstvertrauen in den Krieg, das kaum Jemand
in der übrigen Welt theilte, das aber vollkommen berechtigt war. Und da
es vier Jahre früher nicht getäuscht hatte, so theilte es sich diesmal erheblich
rascher wenigstens denjenigen mit, welche wünschten, es theilen zu können.
Vor allem erfüllte es die Leitung der preußischen Bank. Diese gab daher allen
Filialen und Agenturen ihres weitverzweigten Geschäfts die Anweisung, in
der Gewährung von Credit an solide Kunden bis an die Grenzen des
Zulässigen zu gehen, gerade, wie wenn in der Welt nichts Außerordentliches
los wäre. Der heilsame Einfluß, welchen diese Anweisung auf den Verlauf
der volkswirthschaftlichen Krisis geäußerthat, ist kaum zu überschätzen; zumal
im Gegensatz zu der kläglichen Haltung, auf der sich manche kleinere Bank
betreffen ließ. Die Direction der Hannöverschen Bank z. B. hatte dergestalt
den Kopf verloren, daß sie ihren ständigen Kunden Einlagen von ein paar
tausend Thalern zurückschickte, damit es ihnen nur nicht einfalle, auf Grund
des getroffenen Abkommens ein paar tausend Thaler mehr als das Guthaben
entlehnen zu wollen. So blieb denn auch eine verdienstliche Anregung der
Braunschweiger Bank, sich unter den kleineren deutschen Zettelbanken über
gegenseitige Annahme der Noten zu verständigen, ohne praktische Folge.

Wie im Sommer 1866, so hatte man in Berlin auch diesmal wieder
Darlehnskassen von Staats wegen errichten zu müssen geglaubt, um Kauf¬
leuten und Industriellen über die Kriegszeit hinwegzuhelfen. Man weiß, daß
die volkswirtschaftliche Kritik dergleichen Nothschöpfungen des Staats
entweder überflüssig oder gefährlich findet. Diesmal zeigren sie sich, ebenso
wie 1866, von ihrer liebenswürdigeren Seite, nämlich nur allenfalls über¬
flüssig. Keine der errichteten Darlehnskassen wurde stark benutzt, mehrere
gar nicht oder beinahe gar nicht, und gingen daher auch schon im September
oder October wieder ein. Dagegen hat sich an verschiedenen Orten wie in
Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart, Leipzig u. f. f. der Handelsstand
durch außerordentliche Disconto- oder Lombard-Cassen selbst geholfen, und
von diesen Schöpfungen freier Eigenhilfe haben einige sehr bedeutende Umsätze
gemacht, also unzweifelhaft viel gethan, der Geschäftswelt die Ueberwindung
der Krisis zu erleichtern. Bankerotte sind aber überall nicht in ungewöhn¬
licher Zahl oder Schwere vorgekommen.

Es war gewiß ein hohes Zeichen nationaler Gesundheit, daß die den
Krieg begleitende geschäftliche Vertrauensstörung schon wieder abnahm, ehe
noch die Sil-ge von Wörth und Forbach der Furcht vor feindlicher Invasion
fürerst ein Ende machten. Verglichen mit den entsprechenden Vorgängen in
Frankreich war es eine wichtige frühe Bürgschaft definitiven Triumphs. An
nichts waren die Franzosen uns sicherer überlegen als in Capitalreichthum
und Geldmacht. Der Baarschatz der preußischen Bank verschwand neben


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[0435] 1866, ging man mit einem Selbstvertrauen in den Krieg, das kaum Jemand in der übrigen Welt theilte, das aber vollkommen berechtigt war. Und da es vier Jahre früher nicht getäuscht hatte, so theilte es sich diesmal erheblich rascher wenigstens denjenigen mit, welche wünschten, es theilen zu können. Vor allem erfüllte es die Leitung der preußischen Bank. Diese gab daher allen Filialen und Agenturen ihres weitverzweigten Geschäfts die Anweisung, in der Gewährung von Credit an solide Kunden bis an die Grenzen des Zulässigen zu gehen, gerade, wie wenn in der Welt nichts Außerordentliches los wäre. Der heilsame Einfluß, welchen diese Anweisung auf den Verlauf der volkswirthschaftlichen Krisis geäußerthat, ist kaum zu überschätzen; zumal im Gegensatz zu der kläglichen Haltung, auf der sich manche kleinere Bank betreffen ließ. Die Direction der Hannöverschen Bank z. B. hatte dergestalt den Kopf verloren, daß sie ihren ständigen Kunden Einlagen von ein paar tausend Thalern zurückschickte, damit es ihnen nur nicht einfalle, auf Grund des getroffenen Abkommens ein paar tausend Thaler mehr als das Guthaben entlehnen zu wollen. So blieb denn auch eine verdienstliche Anregung der Braunschweiger Bank, sich unter den kleineren deutschen Zettelbanken über gegenseitige Annahme der Noten zu verständigen, ohne praktische Folge. Wie im Sommer 1866, so hatte man in Berlin auch diesmal wieder Darlehnskassen von Staats wegen errichten zu müssen geglaubt, um Kauf¬ leuten und Industriellen über die Kriegszeit hinwegzuhelfen. Man weiß, daß die volkswirtschaftliche Kritik dergleichen Nothschöpfungen des Staats entweder überflüssig oder gefährlich findet. Diesmal zeigren sie sich, ebenso wie 1866, von ihrer liebenswürdigeren Seite, nämlich nur allenfalls über¬ flüssig. Keine der errichteten Darlehnskassen wurde stark benutzt, mehrere gar nicht oder beinahe gar nicht, und gingen daher auch schon im September oder October wieder ein. Dagegen hat sich an verschiedenen Orten wie in Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart, Leipzig u. f. f. der Handelsstand durch außerordentliche Disconto- oder Lombard-Cassen selbst geholfen, und von diesen Schöpfungen freier Eigenhilfe haben einige sehr bedeutende Umsätze gemacht, also unzweifelhaft viel gethan, der Geschäftswelt die Ueberwindung der Krisis zu erleichtern. Bankerotte sind aber überall nicht in ungewöhn¬ licher Zahl oder Schwere vorgekommen. Es war gewiß ein hohes Zeichen nationaler Gesundheit, daß die den Krieg begleitende geschäftliche Vertrauensstörung schon wieder abnahm, ehe noch die Sil-ge von Wörth und Forbach der Furcht vor feindlicher Invasion fürerst ein Ende machten. Verglichen mit den entsprechenden Vorgängen in Frankreich war es eine wichtige frühe Bürgschaft definitiven Triumphs. An nichts waren die Franzosen uns sicherer überlegen als in Capitalreichthum und Geldmacht. Der Baarschatz der preußischen Bank verschwand neben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/435>, abgerufen am 23.07.2024.