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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Nachdem Baurath Gersdorff in Marienburg eine Restauration der Marien¬
statue beantragt hatte, veranlaßte der Geheime Oberbaurath Salzenberg in
Berlin Salviati zu einer Reise nach Marienburg. Derselbe besichtigte die
Statue im April 18V8 und übernahm die Restauration derselben um den Preis
von 1100 Thlrn. Im Sommer 1869 sendete er sodann einen seiner besten
Arbeiter, Angelo Gagliardotti, welcher früher u. A. im Mausoleum des Prinz-
Gemahl Albert von England zu Windsor, in Se. Paul zu London und im
Innern der neuen großen Oper zu Paris gearbeitet hatte, nach Marienburg,
woselbst derselbe, nachdem ihm ein festes Gerüst erbaut worden war, Mitte
Juli 1869 seine Arbeit in Angriff nahm. Bei Beginn der Arbeit fand sich
(wie bei fast allen Restaurations - Arbeiten), daß viel mehr zu thun sei, als
wie man Anfangs vermuthet hatte. Die Glaspasten waren an vielen Stellen
lose und fielen bei der geringsten Berührung herab. Ja, sogar die ganze
Krone der Madonna und das Postament derselben fielen zusammen und
mußten ganz neu gefertigt werden. Mit Rücksicht auf diese Mehrarbeiten wur¬
den dem Dr. Salviati noch weitere 300 Thlr. bewilligt, so daß die ganze
Restauration, einschließlich Gerüst und andere Nebenausgaben, einen Kosten¬
aufwand von gegen 2000 Thlr. verursacht hat.

Der Mosaieist Gagliardotti führte seine Arbeit in sehr sorgfältiger Weise
aus. Das Material in runden Kuchen und quadratischen Platten von 3 bis
Z Zoll Durchmesser kam aus Venedig. Mit einem Hammer wurden dieselben
in kleinere Stücke, je nachdem dieselben nothwendig, zertheilt, die etwa hin¬
derlichen Ecken und Kanten abgekniffen und die Stoßflächen durch Schleifen
auf einer eisernen Scheibe geplättet. Da diese Manipulationen auf dem Gerüst
sehr schwer auszuführen sind, fertigte Gagliardotti Papierschablonen der schad¬
haften Stellen, klebte auf dieselben die Paften in umgekehrter Lage auf und setzte
die so gewonnenen Stücke dann an den betreffenden Stellen mit einem aus
Kalk, carrarischem Marmor und etwas Ziegelmehl bereiteten Mörtel ein.
Nachdem die Schablonen abgelöst waren, wurden die Fugen in sorgfältigster
Weise verstrichen.

Da Gagliardotti seine Arbeit im Herbst 1869, der rauhen Witterung
wegen, nicht überwältigen konnte, verpackte er die Statue sorgfältig in Stroh
-- um den noch frischen Cement vor dem Frieren zu schützen -- und vollendete
sie im Sommer 1870"). Jetzt schaut die großartige, berühmte Statue wieder
in alter Pracht und Herrlichkeit über die weiten gesegneten Fluren des
R. Berg an. Marienburgers Werders.





') Inzwischen hat Gagliardotti noch ein großes Madonnenbild am Dom zu Erfurt aus¬
geführt. Vergl. Stegmann's Kunst und Gewerbe, Bd. IV. Seite 229--30.

Nachdem Baurath Gersdorff in Marienburg eine Restauration der Marien¬
statue beantragt hatte, veranlaßte der Geheime Oberbaurath Salzenberg in
Berlin Salviati zu einer Reise nach Marienburg. Derselbe besichtigte die
Statue im April 18V8 und übernahm die Restauration derselben um den Preis
von 1100 Thlrn. Im Sommer 1869 sendete er sodann einen seiner besten
Arbeiter, Angelo Gagliardotti, welcher früher u. A. im Mausoleum des Prinz-
Gemahl Albert von England zu Windsor, in Se. Paul zu London und im
Innern der neuen großen Oper zu Paris gearbeitet hatte, nach Marienburg,
woselbst derselbe, nachdem ihm ein festes Gerüst erbaut worden war, Mitte
Juli 1869 seine Arbeit in Angriff nahm. Bei Beginn der Arbeit fand sich
(wie bei fast allen Restaurations - Arbeiten), daß viel mehr zu thun sei, als
wie man Anfangs vermuthet hatte. Die Glaspasten waren an vielen Stellen
lose und fielen bei der geringsten Berührung herab. Ja, sogar die ganze
Krone der Madonna und das Postament derselben fielen zusammen und
mußten ganz neu gefertigt werden. Mit Rücksicht auf diese Mehrarbeiten wur¬
den dem Dr. Salviati noch weitere 300 Thlr. bewilligt, so daß die ganze
Restauration, einschließlich Gerüst und andere Nebenausgaben, einen Kosten¬
aufwand von gegen 2000 Thlr. verursacht hat.

Der Mosaieist Gagliardotti führte seine Arbeit in sehr sorgfältiger Weise
aus. Das Material in runden Kuchen und quadratischen Platten von 3 bis
Z Zoll Durchmesser kam aus Venedig. Mit einem Hammer wurden dieselben
in kleinere Stücke, je nachdem dieselben nothwendig, zertheilt, die etwa hin¬
derlichen Ecken und Kanten abgekniffen und die Stoßflächen durch Schleifen
auf einer eisernen Scheibe geplättet. Da diese Manipulationen auf dem Gerüst
sehr schwer auszuführen sind, fertigte Gagliardotti Papierschablonen der schad¬
haften Stellen, klebte auf dieselben die Paften in umgekehrter Lage auf und setzte
die so gewonnenen Stücke dann an den betreffenden Stellen mit einem aus
Kalk, carrarischem Marmor und etwas Ziegelmehl bereiteten Mörtel ein.
Nachdem die Schablonen abgelöst waren, wurden die Fugen in sorgfältigster
Weise verstrichen.

Da Gagliardotti seine Arbeit im Herbst 1869, der rauhen Witterung
wegen, nicht überwältigen konnte, verpackte er die Statue sorgfältig in Stroh
— um den noch frischen Cement vor dem Frieren zu schützen — und vollendete
sie im Sommer 1870"). Jetzt schaut die großartige, berühmte Statue wieder
in alter Pracht und Herrlichkeit über die weiten gesegneten Fluren des
R. Berg an. Marienburgers Werders.





') Inzwischen hat Gagliardotti noch ein großes Madonnenbild am Dom zu Erfurt aus¬
geführt. Vergl. Stegmann's Kunst und Gewerbe, Bd. IV. Seite 229—30.
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[0043] Nachdem Baurath Gersdorff in Marienburg eine Restauration der Marien¬ statue beantragt hatte, veranlaßte der Geheime Oberbaurath Salzenberg in Berlin Salviati zu einer Reise nach Marienburg. Derselbe besichtigte die Statue im April 18V8 und übernahm die Restauration derselben um den Preis von 1100 Thlrn. Im Sommer 1869 sendete er sodann einen seiner besten Arbeiter, Angelo Gagliardotti, welcher früher u. A. im Mausoleum des Prinz- Gemahl Albert von England zu Windsor, in Se. Paul zu London und im Innern der neuen großen Oper zu Paris gearbeitet hatte, nach Marienburg, woselbst derselbe, nachdem ihm ein festes Gerüst erbaut worden war, Mitte Juli 1869 seine Arbeit in Angriff nahm. Bei Beginn der Arbeit fand sich (wie bei fast allen Restaurations - Arbeiten), daß viel mehr zu thun sei, als wie man Anfangs vermuthet hatte. Die Glaspasten waren an vielen Stellen lose und fielen bei der geringsten Berührung herab. Ja, sogar die ganze Krone der Madonna und das Postament derselben fielen zusammen und mußten ganz neu gefertigt werden. Mit Rücksicht auf diese Mehrarbeiten wur¬ den dem Dr. Salviati noch weitere 300 Thlr. bewilligt, so daß die ganze Restauration, einschließlich Gerüst und andere Nebenausgaben, einen Kosten¬ aufwand von gegen 2000 Thlr. verursacht hat. Der Mosaieist Gagliardotti führte seine Arbeit in sehr sorgfältiger Weise aus. Das Material in runden Kuchen und quadratischen Platten von 3 bis Z Zoll Durchmesser kam aus Venedig. Mit einem Hammer wurden dieselben in kleinere Stücke, je nachdem dieselben nothwendig, zertheilt, die etwa hin¬ derlichen Ecken und Kanten abgekniffen und die Stoßflächen durch Schleifen auf einer eisernen Scheibe geplättet. Da diese Manipulationen auf dem Gerüst sehr schwer auszuführen sind, fertigte Gagliardotti Papierschablonen der schad¬ haften Stellen, klebte auf dieselben die Paften in umgekehrter Lage auf und setzte die so gewonnenen Stücke dann an den betreffenden Stellen mit einem aus Kalk, carrarischem Marmor und etwas Ziegelmehl bereiteten Mörtel ein. Nachdem die Schablonen abgelöst waren, wurden die Fugen in sorgfältigster Weise verstrichen. Da Gagliardotti seine Arbeit im Herbst 1869, der rauhen Witterung wegen, nicht überwältigen konnte, verpackte er die Statue sorgfältig in Stroh — um den noch frischen Cement vor dem Frieren zu schützen — und vollendete sie im Sommer 1870"). Jetzt schaut die großartige, berühmte Statue wieder in alter Pracht und Herrlichkeit über die weiten gesegneten Fluren des R. Berg an. Marienburgers Werders. ') Inzwischen hat Gagliardotti noch ein großes Madonnenbild am Dom zu Erfurt aus¬ geführt. Vergl. Stegmann's Kunst und Gewerbe, Bd. IV. Seite 229—30.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/43>, abgerufen am 26.06.2024.