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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Kinäsr äem Icoee." Der Schuß blieb ohne Wirkung ; der Schütze aber er¬
blindete vor Aller Augen.

Während der langen Jahrhunderte, da Marienburg unter der Herrschaft
der Polen zu leiden hatte und schmachvoll verwüstet wurde, wurde das Ma¬
donnenbild nicht nur gänzlich vernachlässigt, sondern gelegentlich auch wohl
absichtlich verstümmelt. Als endlich durch die unermüdliche Thätigkeit des
Oberpräsidenten v. Schön (seit 1817) die Marienburg aus tiefstem Verfall
und unwürdiger Schändung zu neuem Glanz sich erhob, wurde auch der
Madonna eine würdige Restauration zu Theil. Schön ließ durch Vermitte¬
lung des Staatsrath Niebuhr, preußischen Gesandten in Rom. 6S00 Stück
Paften aus Rom kommen (sie kosteten 196 Thlr.), andere 9200 Stück, nach
specieller Angabe des damaligen Bauconducteur A. Gersdorsf. in der Glas¬
hütte des Regierungsrath Metzger zu Zensur bei Rheinsberg (für den Preis
von 463 Thlr. 162/g Sgr.) anfertigen und mit denselben im Sommer 1823
durch Alexander Gregori, einen Arbeiter aus der päpstlichen Mosaikfabrik zu
Rom (der für diese Arbeit 600 Thlr. erhielt), das kolossale Marienbild wieder¬
herstellen. Die, außer dem Gerüst, gegen 1200 Thlr. betragenden Kosten
der Restauration wurden durch freiwillige Beiträge der katholischen Geistlich¬
keit, besonders des Bischofs von Ermland, Fürsten von Hohenzollern, gedeckt.
Doch hat diese Restauration -- man war mit der Arbeit des Gregori von
Anfang an nicht zufrieden -- sich nicht bewährt. Das Bindemittel war nicht
haltbar. In Folge dessen fielen nach und nach einzelne Glaspasten aus und
es entstanden dadurch an dem Bilde unangenehme Flecken.

Der gerechtfertigte Wunsch einer abermaligen, bessern Restauration trat
mit besonderer Lebhaftigkeit hervor, als Dr. Salviati in Venedig, ein geist¬
voller, energisch thätiger Mann von deutscher Bildung, die alte Kunst des
Mosaiks zu neuem Leben erweckt hatte. Durch den Anblick der herrlichen
Mosaiken in der altehrwürdigen Kirche des heiligen Marcus zu Venedig und
den bis dahin tiefen Verfall, der in Venedig einst in hoher Blüthe stehenden
Glasfabrikation zum Nachdenken angeregt, gründete er, voll Begeisterung für
den Ruhm seiner Vaterstadt, unter großen Opfern, im Verein mit einigen
andern geschickten Männern im Jahre 1839 in Venedig eine Mosaikfabrik,
restaurirte zuerst in trefflicher Weise die Mosaiken in Lau Nareo, erregte durch
seine neuen Arbeiten auf verschiedenen Ausstellungen Aufsehen und führte dann
zunächst in England mehrere große Werke aus Durch seine auf der Pariser
Weltausstellung von 1867 ausgestellten Mosaiken und Gläser, welche den
alten Venetianischen Arbeiten in jeder Beziehung gleichgestellt werden können**),
zog er endlich die allgemeinste Aufmerksamkeit aus sich.




') Stehe or. A. Salviati, Ueber Mosaiken (London 1865).
") Berge. Jacob Falke, Moderne Kunst-Zndustrie, Seite 7ü ff.

Kinäsr äem Icoee." Der Schuß blieb ohne Wirkung ; der Schütze aber er¬
blindete vor Aller Augen.

Während der langen Jahrhunderte, da Marienburg unter der Herrschaft
der Polen zu leiden hatte und schmachvoll verwüstet wurde, wurde das Ma¬
donnenbild nicht nur gänzlich vernachlässigt, sondern gelegentlich auch wohl
absichtlich verstümmelt. Als endlich durch die unermüdliche Thätigkeit des
Oberpräsidenten v. Schön (seit 1817) die Marienburg aus tiefstem Verfall
und unwürdiger Schändung zu neuem Glanz sich erhob, wurde auch der
Madonna eine würdige Restauration zu Theil. Schön ließ durch Vermitte¬
lung des Staatsrath Niebuhr, preußischen Gesandten in Rom. 6S00 Stück
Paften aus Rom kommen (sie kosteten 196 Thlr.), andere 9200 Stück, nach
specieller Angabe des damaligen Bauconducteur A. Gersdorsf. in der Glas¬
hütte des Regierungsrath Metzger zu Zensur bei Rheinsberg (für den Preis
von 463 Thlr. 162/g Sgr.) anfertigen und mit denselben im Sommer 1823
durch Alexander Gregori, einen Arbeiter aus der päpstlichen Mosaikfabrik zu
Rom (der für diese Arbeit 600 Thlr. erhielt), das kolossale Marienbild wieder¬
herstellen. Die, außer dem Gerüst, gegen 1200 Thlr. betragenden Kosten
der Restauration wurden durch freiwillige Beiträge der katholischen Geistlich¬
keit, besonders des Bischofs von Ermland, Fürsten von Hohenzollern, gedeckt.
Doch hat diese Restauration — man war mit der Arbeit des Gregori von
Anfang an nicht zufrieden — sich nicht bewährt. Das Bindemittel war nicht
haltbar. In Folge dessen fielen nach und nach einzelne Glaspasten aus und
es entstanden dadurch an dem Bilde unangenehme Flecken.

Der gerechtfertigte Wunsch einer abermaligen, bessern Restauration trat
mit besonderer Lebhaftigkeit hervor, als Dr. Salviati in Venedig, ein geist¬
voller, energisch thätiger Mann von deutscher Bildung, die alte Kunst des
Mosaiks zu neuem Leben erweckt hatte. Durch den Anblick der herrlichen
Mosaiken in der altehrwürdigen Kirche des heiligen Marcus zu Venedig und
den bis dahin tiefen Verfall, der in Venedig einst in hoher Blüthe stehenden
Glasfabrikation zum Nachdenken angeregt, gründete er, voll Begeisterung für
den Ruhm seiner Vaterstadt, unter großen Opfern, im Verein mit einigen
andern geschickten Männern im Jahre 1839 in Venedig eine Mosaikfabrik,
restaurirte zuerst in trefflicher Weise die Mosaiken in Lau Nareo, erregte durch
seine neuen Arbeiten auf verschiedenen Ausstellungen Aufsehen und führte dann
zunächst in England mehrere große Werke aus Durch seine auf der Pariser
Weltausstellung von 1867 ausgestellten Mosaiken und Gläser, welche den
alten Venetianischen Arbeiten in jeder Beziehung gleichgestellt werden können**),
zog er endlich die allgemeinste Aufmerksamkeit aus sich.




') Stehe or. A. Salviati, Ueber Mosaiken (London 1865).
") Berge. Jacob Falke, Moderne Kunst-Zndustrie, Seite 7ü ff.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/42>, abgerufen am 26.06.2024.