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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Vogesen aus dieser Bahn sechs passirt. Ehe die Bahn im Thale der Zorn,
eines kleinen Flusses, welcher von jenseit des Gebirges her dem Rheine zu¬
strömt, ins eigentliche Gebirge tritt, sieht man verschiedene Burgruinen vor
sich bald aus der linken, bald auf der rechten Seite. Die nächste Station ist
dann Zabern, französisch Saverne, ein einfaches Gebirgsstädtchen, ausgezeichnet
nur durch das hoch aus dem Thale emporsteigende Schloß, welches sofort
ausschließlich die Aufmerksamkeit des Reisenden fesselt. Man theilte uns mit,
die Stadt habe das Schloß, welches zuletzt ihr gehörte, Louis Napoleon geschenkt,
(von diesem wurde es zu einem Asyle für Wittwen und Töchter solcher Mi¬
litärs bestimmt, welche der Ehrenlegion angehört hatten) und habe es jetzt
nach dessen Sturze wieder an sich nehmen wollen. Dem sei aber die deutsche
Militärbehörde entgegengetreten und habe es, als Rechtsnachfolgerin des be¬
siegten Kaisers, für sich in Besitz genommen. Während der Zug hier an¬
hielt -- ich fuhr in einem Salonwagen mit neun Collegen zusammen, wo¬
runter Präsident Simson -- wurde mancher Scherz über Schiller's Fridolin
und die tugendhafte Gräfin von Saverne gemacht, welche Schiller dem Vers¬
maße zum Trotze hätte von Zabern nennen müssen. Man wollte nach der
Ortslage berechnen, wo der Eisenhammer gestanden haben müsse.

Hier sieht man den Thurm der Burg Greifenstein hoch über der Stadt
liegen, jenseits im Gebirge hoch über dem Walde die Trümmer des Schlosses
Hoh-Barr, weiterhin zwei Burgruinen, beide Geroldseck geheißen. Das
malerische, aber sehr enge Thal der Zorn führte uns dann weiter in's Ge¬
birge, und schon hier hatten wir Gelegenheit, von neuem die ausgezeichneten
Arbeiten des französischen Weg- und Canalbaues zu bewundern, worin uns
Frankreich ohne alle Frage überlegen ist, während wir nur die Entschul¬
digung haben, daß bis jetzt die Zerrissenheit Deutschlands keine größeren
Unternehmungen dieser Art gestattet habe. Der Rhein - Marne-Canal durch¬
schneidet hier neben der Eisenbahn das Gebirge, und streckenweise laufen beide
unmittelbar neben dem Flusse und der Landstraße hin. Man braucht von
den ersten Ausläufern an ungefähr eine Stunde, um in Saarburg das Ende
des Gebirges und zugleich die Sprachgrenze zwischen Frankreich und Deutsch¬
land zu erreichen. Auf dem ganzen Wege fährt man ununterbrochen über
hohe Dämme, Viaducte, Brücken und durch Eisenbahntunnels, welche aber
auch für den Canal mit das Gebirge eröffnen; mehr als einmal sieht man
den Canal über Weg oder Eisenbahn hingeleitet. Da wo die Bahn das
Thal der Zorn verläßt, spannt sich kühn eine prächtige Brücke mit einem
Bogen über den Fluß, mit dem andern über den Canal, welcher letztere sich
rechts von ihr entfernt, um vor dem letzten, dem größten und bemer¬
kenswerthesten Tunnel von Ertzweilec wieder mit ihr zusammenzutreffen und
in ihrer Gesellschaft das Gebirge zu durchbrechen. Beim Eingange des Tun-


Vogesen aus dieser Bahn sechs passirt. Ehe die Bahn im Thale der Zorn,
eines kleinen Flusses, welcher von jenseit des Gebirges her dem Rheine zu¬
strömt, ins eigentliche Gebirge tritt, sieht man verschiedene Burgruinen vor
sich bald aus der linken, bald auf der rechten Seite. Die nächste Station ist
dann Zabern, französisch Saverne, ein einfaches Gebirgsstädtchen, ausgezeichnet
nur durch das hoch aus dem Thale emporsteigende Schloß, welches sofort
ausschließlich die Aufmerksamkeit des Reisenden fesselt. Man theilte uns mit,
die Stadt habe das Schloß, welches zuletzt ihr gehörte, Louis Napoleon geschenkt,
(von diesem wurde es zu einem Asyle für Wittwen und Töchter solcher Mi¬
litärs bestimmt, welche der Ehrenlegion angehört hatten) und habe es jetzt
nach dessen Sturze wieder an sich nehmen wollen. Dem sei aber die deutsche
Militärbehörde entgegengetreten und habe es, als Rechtsnachfolgerin des be¬
siegten Kaisers, für sich in Besitz genommen. Während der Zug hier an¬
hielt — ich fuhr in einem Salonwagen mit neun Collegen zusammen, wo¬
runter Präsident Simson — wurde mancher Scherz über Schiller's Fridolin
und die tugendhafte Gräfin von Saverne gemacht, welche Schiller dem Vers¬
maße zum Trotze hätte von Zabern nennen müssen. Man wollte nach der
Ortslage berechnen, wo der Eisenhammer gestanden haben müsse.

Hier sieht man den Thurm der Burg Greifenstein hoch über der Stadt
liegen, jenseits im Gebirge hoch über dem Walde die Trümmer des Schlosses
Hoh-Barr, weiterhin zwei Burgruinen, beide Geroldseck geheißen. Das
malerische, aber sehr enge Thal der Zorn führte uns dann weiter in's Ge¬
birge, und schon hier hatten wir Gelegenheit, von neuem die ausgezeichneten
Arbeiten des französischen Weg- und Canalbaues zu bewundern, worin uns
Frankreich ohne alle Frage überlegen ist, während wir nur die Entschul¬
digung haben, daß bis jetzt die Zerrissenheit Deutschlands keine größeren
Unternehmungen dieser Art gestattet habe. Der Rhein - Marne-Canal durch¬
schneidet hier neben der Eisenbahn das Gebirge, und streckenweise laufen beide
unmittelbar neben dem Flusse und der Landstraße hin. Man braucht von
den ersten Ausläufern an ungefähr eine Stunde, um in Saarburg das Ende
des Gebirges und zugleich die Sprachgrenze zwischen Frankreich und Deutsch¬
land zu erreichen. Auf dem ganzen Wege fährt man ununterbrochen über
hohe Dämme, Viaducte, Brücken und durch Eisenbahntunnels, welche aber
auch für den Canal mit das Gebirge eröffnen; mehr als einmal sieht man
den Canal über Weg oder Eisenbahn hingeleitet. Da wo die Bahn das
Thal der Zorn verläßt, spannt sich kühn eine prächtige Brücke mit einem
Bogen über den Fluß, mit dem andern über den Canal, welcher letztere sich
rechts von ihr entfernt, um vor dem letzten, dem größten und bemer¬
kenswerthesten Tunnel von Ertzweilec wieder mit ihr zusammenzutreffen und
in ihrer Gesellschaft das Gebirge zu durchbrechen. Beim Eingange des Tun-


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[0347] Vogesen aus dieser Bahn sechs passirt. Ehe die Bahn im Thale der Zorn, eines kleinen Flusses, welcher von jenseit des Gebirges her dem Rheine zu¬ strömt, ins eigentliche Gebirge tritt, sieht man verschiedene Burgruinen vor sich bald aus der linken, bald auf der rechten Seite. Die nächste Station ist dann Zabern, französisch Saverne, ein einfaches Gebirgsstädtchen, ausgezeichnet nur durch das hoch aus dem Thale emporsteigende Schloß, welches sofort ausschließlich die Aufmerksamkeit des Reisenden fesselt. Man theilte uns mit, die Stadt habe das Schloß, welches zuletzt ihr gehörte, Louis Napoleon geschenkt, (von diesem wurde es zu einem Asyle für Wittwen und Töchter solcher Mi¬ litärs bestimmt, welche der Ehrenlegion angehört hatten) und habe es jetzt nach dessen Sturze wieder an sich nehmen wollen. Dem sei aber die deutsche Militärbehörde entgegengetreten und habe es, als Rechtsnachfolgerin des be¬ siegten Kaisers, für sich in Besitz genommen. Während der Zug hier an¬ hielt — ich fuhr in einem Salonwagen mit neun Collegen zusammen, wo¬ runter Präsident Simson — wurde mancher Scherz über Schiller's Fridolin und die tugendhafte Gräfin von Saverne gemacht, welche Schiller dem Vers¬ maße zum Trotze hätte von Zabern nennen müssen. Man wollte nach der Ortslage berechnen, wo der Eisenhammer gestanden haben müsse. Hier sieht man den Thurm der Burg Greifenstein hoch über der Stadt liegen, jenseits im Gebirge hoch über dem Walde die Trümmer des Schlosses Hoh-Barr, weiterhin zwei Burgruinen, beide Geroldseck geheißen. Das malerische, aber sehr enge Thal der Zorn führte uns dann weiter in's Ge¬ birge, und schon hier hatten wir Gelegenheit, von neuem die ausgezeichneten Arbeiten des französischen Weg- und Canalbaues zu bewundern, worin uns Frankreich ohne alle Frage überlegen ist, während wir nur die Entschul¬ digung haben, daß bis jetzt die Zerrissenheit Deutschlands keine größeren Unternehmungen dieser Art gestattet habe. Der Rhein - Marne-Canal durch¬ schneidet hier neben der Eisenbahn das Gebirge, und streckenweise laufen beide unmittelbar neben dem Flusse und der Landstraße hin. Man braucht von den ersten Ausläufern an ungefähr eine Stunde, um in Saarburg das Ende des Gebirges und zugleich die Sprachgrenze zwischen Frankreich und Deutsch¬ land zu erreichen. Auf dem ganzen Wege fährt man ununterbrochen über hohe Dämme, Viaducte, Brücken und durch Eisenbahntunnels, welche aber auch für den Canal mit das Gebirge eröffnen; mehr als einmal sieht man den Canal über Weg oder Eisenbahn hingeleitet. Da wo die Bahn das Thal der Zorn verläßt, spannt sich kühn eine prächtige Brücke mit einem Bogen über den Fluß, mit dem andern über den Canal, welcher letztere sich rechts von ihr entfernt, um vor dem letzten, dem größten und bemer¬ kenswerthesten Tunnel von Ertzweilec wieder mit ihr zusammenzutreffen und in ihrer Gesellschaft das Gebirge zu durchbrechen. Beim Eingange des Tun-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/347>, abgerufen am 29.06.2024.