Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den stand. Auch Zeus hat riesige Ungeheuer derselben Abstammung wie die
Titanen zu Gehülfen: Dämonen des Gewitters, die Blitz und Donner schleu¬
dernden Kyklopen mit dem Feuerauge,, und die hunderthändtgen Unholde der
brausenden Meereswogen kehren aus der finstern Tiefe, wo sie gefesselt waren,
zurück, um ihm den Sieg zu erstreiten. Außerdem aber hat die getreue Styr,
die geheimnißvolle Urquelle alles Lebens, ihre Kinder, Eifer und Sieg, Kraft
und Gewalt, dem vom Schicksal ausersehenen Herrscher zugeführt, daß sie ihm
auf allen Wegen folgen.

In der Schilderung des Kampfes, wie sie HesioK im Anschluß an
die Volkssage gibt, tritt das Persönliche fast gar nicht hervor. Ungeheure
Kräfte messen sich gegen einander: kein Wort fällt, der einzelnen Kämpfer
wird fast gar nicht gedacht. Felsen werden gegen die Titanen geschleudert, das
Meer brüllt, die Erde dröhnt, der weite Himmel kracht von der Erschütte¬
rung, der Olympos wankt unter dem Ansturm der Unsterblichen, bis in den
nebligen Tartaros drang der Stoß der Füße und das gellende Getöse. Von
beiden Seiten erscholl der Schlachtruf zum gestirnten Himmel. Da hielt auch
Zeus seinen Muth nicht länger zurück. Beständig schritt er einher, vom
Himmel und vom Olymp herab blitzend; die Donnerkeile flogen aus seiner
schweren Hand, zündeten wirbelnd die heilige Flamme an, und nun prasselt
ringsum die Erde in Feuer, und der unendliche Wald brennt, der Boden und
die Fluthen des Okeanos sieden, die Titanen sind eingehüllt in heißen Qualm,
die Flamme und die Blitze blenden ihre Augen. Es war, als ob Himmel
und Erde übereinanderstürzten, die Winde und das Kampfgewühl rührten"
den Staub zwischen beiden auf. Unter den Vorkämpfern schleudern jene drei
Niesen, die hunderthändigen, dreihundert Felsen und beschatten die Titanen
mit ihren Geschossen. Endlich werden die Besiegten gefesselt und unter die
Erde gebannt, so tief, als der Himmel über ihr ist.

So kommt Zeus auf den Thron, der Herr des harmonisch geordneten
Weltalls, der nach den ewigen Satzungen einer sittlichen Weltordnung
regiert und den übrigen Göttern ihre Würden und Machtgebiete zutheilt,
während freilich die Ueberwundenen, im Finstern grollend, noch vielfach hier
und da sich geltend machen.

Es ist freilich nur eine schwächere Copie dieses großartigen Naturge¬
mäldes, wenn gegen das neue Götterreich die übermüthigen Giganten ins
Feld geführt werden, gleichfalls Kinder des Himmels und der Erde, vulca-
nische Kräfte, die das Gleichgewicht des Weltenbaues gewaltsam durchbrechen.
Auch sie schleudern Felsen und Eichen, thürmen den Pelion auf den Ossa, um
den Himmel zu erstürmen. Jetzt betheiligt sich die ganze Schaar der mit
Zeus verbundenen Olympier an der Schlacht, besonders Athene, die Göttin
des klaren Aethers und des hellen Geistes. Dem Einen, der schon flieht, wirft


den stand. Auch Zeus hat riesige Ungeheuer derselben Abstammung wie die
Titanen zu Gehülfen: Dämonen des Gewitters, die Blitz und Donner schleu¬
dernden Kyklopen mit dem Feuerauge,, und die hunderthändtgen Unholde der
brausenden Meereswogen kehren aus der finstern Tiefe, wo sie gefesselt waren,
zurück, um ihm den Sieg zu erstreiten. Außerdem aber hat die getreue Styr,
die geheimnißvolle Urquelle alles Lebens, ihre Kinder, Eifer und Sieg, Kraft
und Gewalt, dem vom Schicksal ausersehenen Herrscher zugeführt, daß sie ihm
auf allen Wegen folgen.

In der Schilderung des Kampfes, wie sie HesioK im Anschluß an
die Volkssage gibt, tritt das Persönliche fast gar nicht hervor. Ungeheure
Kräfte messen sich gegen einander: kein Wort fällt, der einzelnen Kämpfer
wird fast gar nicht gedacht. Felsen werden gegen die Titanen geschleudert, das
Meer brüllt, die Erde dröhnt, der weite Himmel kracht von der Erschütte¬
rung, der Olympos wankt unter dem Ansturm der Unsterblichen, bis in den
nebligen Tartaros drang der Stoß der Füße und das gellende Getöse. Von
beiden Seiten erscholl der Schlachtruf zum gestirnten Himmel. Da hielt auch
Zeus seinen Muth nicht länger zurück. Beständig schritt er einher, vom
Himmel und vom Olymp herab blitzend; die Donnerkeile flogen aus seiner
schweren Hand, zündeten wirbelnd die heilige Flamme an, und nun prasselt
ringsum die Erde in Feuer, und der unendliche Wald brennt, der Boden und
die Fluthen des Okeanos sieden, die Titanen sind eingehüllt in heißen Qualm,
die Flamme und die Blitze blenden ihre Augen. Es war, als ob Himmel
und Erde übereinanderstürzten, die Winde und das Kampfgewühl rührten«
den Staub zwischen beiden auf. Unter den Vorkämpfern schleudern jene drei
Niesen, die hunderthändigen, dreihundert Felsen und beschatten die Titanen
mit ihren Geschossen. Endlich werden die Besiegten gefesselt und unter die
Erde gebannt, so tief, als der Himmel über ihr ist.

So kommt Zeus auf den Thron, der Herr des harmonisch geordneten
Weltalls, der nach den ewigen Satzungen einer sittlichen Weltordnung
regiert und den übrigen Göttern ihre Würden und Machtgebiete zutheilt,
während freilich die Ueberwundenen, im Finstern grollend, noch vielfach hier
und da sich geltend machen.

Es ist freilich nur eine schwächere Copie dieses großartigen Naturge¬
mäldes, wenn gegen das neue Götterreich die übermüthigen Giganten ins
Feld geführt werden, gleichfalls Kinder des Himmels und der Erde, vulca-
nische Kräfte, die das Gleichgewicht des Weltenbaues gewaltsam durchbrechen.
Auch sie schleudern Felsen und Eichen, thürmen den Pelion auf den Ossa, um
den Himmel zu erstürmen. Jetzt betheiligt sich die ganze Schaar der mit
Zeus verbundenen Olympier an der Schlacht, besonders Athene, die Göttin
des klaren Aethers und des hellen Geistes. Dem Einen, der schon flieht, wirft


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125579"/>
            <p xml:id="ID_1186" prev="#ID_1185"> den stand. Auch Zeus hat riesige Ungeheuer derselben Abstammung wie die<lb/>
Titanen zu Gehülfen: Dämonen des Gewitters, die Blitz und Donner schleu¬<lb/>
dernden Kyklopen mit dem Feuerauge,, und die hunderthändtgen Unholde der<lb/>
brausenden Meereswogen kehren aus der finstern Tiefe, wo sie gefesselt waren,<lb/>
zurück, um ihm den Sieg zu erstreiten. Außerdem aber hat die getreue Styr,<lb/>
die geheimnißvolle Urquelle alles Lebens, ihre Kinder, Eifer und Sieg, Kraft<lb/>
und Gewalt, dem vom Schicksal ausersehenen Herrscher zugeführt, daß sie ihm<lb/>
auf allen Wegen folgen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1187"> In der Schilderung des Kampfes, wie sie HesioK im Anschluß an<lb/>
die Volkssage gibt, tritt das Persönliche fast gar nicht hervor. Ungeheure<lb/>
Kräfte messen sich gegen einander: kein Wort fällt, der einzelnen Kämpfer<lb/>
wird fast gar nicht gedacht. Felsen werden gegen die Titanen geschleudert, das<lb/>
Meer brüllt, die Erde dröhnt, der weite Himmel kracht von der Erschütte¬<lb/>
rung, der Olympos wankt unter dem Ansturm der Unsterblichen, bis in den<lb/>
nebligen Tartaros drang der Stoß der Füße und das gellende Getöse. Von<lb/>
beiden Seiten erscholl der Schlachtruf zum gestirnten Himmel. Da hielt auch<lb/>
Zeus seinen Muth nicht länger zurück. Beständig schritt er einher, vom<lb/>
Himmel und vom Olymp herab blitzend; die Donnerkeile flogen aus seiner<lb/>
schweren Hand, zündeten wirbelnd die heilige Flamme an, und nun prasselt<lb/>
ringsum die Erde in Feuer, und der unendliche Wald brennt, der Boden und<lb/>
die Fluthen des Okeanos sieden, die Titanen sind eingehüllt in heißen Qualm,<lb/>
die Flamme und die Blitze blenden ihre Augen. Es war, als ob Himmel<lb/>
und Erde übereinanderstürzten, die Winde und das Kampfgewühl rührten«<lb/>
den Staub zwischen beiden auf. Unter den Vorkämpfern schleudern jene drei<lb/>
Niesen, die hunderthändigen, dreihundert Felsen und beschatten die Titanen<lb/>
mit ihren Geschossen. Endlich werden die Besiegten gefesselt und unter die<lb/>
Erde gebannt, so tief, als der Himmel über ihr ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1188"> So kommt Zeus auf den Thron, der Herr des harmonisch geordneten<lb/>
Weltalls, der nach den ewigen Satzungen einer sittlichen Weltordnung<lb/>
regiert und den übrigen Göttern ihre Würden und Machtgebiete zutheilt,<lb/>
während freilich die Ueberwundenen, im Finstern grollend, noch vielfach hier<lb/>
und da sich geltend machen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1189" next="#ID_1190"> Es ist freilich nur eine schwächere Copie dieses großartigen Naturge¬<lb/>
mäldes, wenn gegen das neue Götterreich die übermüthigen Giganten ins<lb/>
Feld geführt werden, gleichfalls Kinder des Himmels und der Erde, vulca-<lb/>
nische Kräfte, die das Gleichgewicht des Weltenbaues gewaltsam durchbrechen.<lb/>
Auch sie schleudern Felsen und Eichen, thürmen den Pelion auf den Ossa, um<lb/>
den Himmel zu erstürmen. Jetzt betheiligt sich die ganze Schaar der mit<lb/>
Zeus verbundenen Olympier an der Schlacht, besonders Athene, die Göttin<lb/>
des klaren Aethers und des hellen Geistes. Dem Einen, der schon flieht, wirft</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0335] den stand. Auch Zeus hat riesige Ungeheuer derselben Abstammung wie die Titanen zu Gehülfen: Dämonen des Gewitters, die Blitz und Donner schleu¬ dernden Kyklopen mit dem Feuerauge,, und die hunderthändtgen Unholde der brausenden Meereswogen kehren aus der finstern Tiefe, wo sie gefesselt waren, zurück, um ihm den Sieg zu erstreiten. Außerdem aber hat die getreue Styr, die geheimnißvolle Urquelle alles Lebens, ihre Kinder, Eifer und Sieg, Kraft und Gewalt, dem vom Schicksal ausersehenen Herrscher zugeführt, daß sie ihm auf allen Wegen folgen. In der Schilderung des Kampfes, wie sie HesioK im Anschluß an die Volkssage gibt, tritt das Persönliche fast gar nicht hervor. Ungeheure Kräfte messen sich gegen einander: kein Wort fällt, der einzelnen Kämpfer wird fast gar nicht gedacht. Felsen werden gegen die Titanen geschleudert, das Meer brüllt, die Erde dröhnt, der weite Himmel kracht von der Erschütte¬ rung, der Olympos wankt unter dem Ansturm der Unsterblichen, bis in den nebligen Tartaros drang der Stoß der Füße und das gellende Getöse. Von beiden Seiten erscholl der Schlachtruf zum gestirnten Himmel. Da hielt auch Zeus seinen Muth nicht länger zurück. Beständig schritt er einher, vom Himmel und vom Olymp herab blitzend; die Donnerkeile flogen aus seiner schweren Hand, zündeten wirbelnd die heilige Flamme an, und nun prasselt ringsum die Erde in Feuer, und der unendliche Wald brennt, der Boden und die Fluthen des Okeanos sieden, die Titanen sind eingehüllt in heißen Qualm, die Flamme und die Blitze blenden ihre Augen. Es war, als ob Himmel und Erde übereinanderstürzten, die Winde und das Kampfgewühl rührten« den Staub zwischen beiden auf. Unter den Vorkämpfern schleudern jene drei Niesen, die hunderthändigen, dreihundert Felsen und beschatten die Titanen mit ihren Geschossen. Endlich werden die Besiegten gefesselt und unter die Erde gebannt, so tief, als der Himmel über ihr ist. So kommt Zeus auf den Thron, der Herr des harmonisch geordneten Weltalls, der nach den ewigen Satzungen einer sittlichen Weltordnung regiert und den übrigen Göttern ihre Würden und Machtgebiete zutheilt, während freilich die Ueberwundenen, im Finstern grollend, noch vielfach hier und da sich geltend machen. Es ist freilich nur eine schwächere Copie dieses großartigen Naturge¬ mäldes, wenn gegen das neue Götterreich die übermüthigen Giganten ins Feld geführt werden, gleichfalls Kinder des Himmels und der Erde, vulca- nische Kräfte, die das Gleichgewicht des Weltenbaues gewaltsam durchbrechen. Auch sie schleudern Felsen und Eichen, thürmen den Pelion auf den Ossa, um den Himmel zu erstürmen. Jetzt betheiligt sich die ganze Schaar der mit Zeus verbundenen Olympier an der Schlacht, besonders Athene, die Göttin des klaren Aethers und des hellen Geistes. Dem Einen, der schon flieht, wirft

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/335
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/335>, abgerufen am 29.06.2024.