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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Grenzorte des Kirchenstaates von italienischen Soldaten angefüllt seien. Aber
obwohl bereits seit acht Tagen der Beschluß der Occupation gefaßt worden
war, wurde noch nicht zu dessen Ausführung geschritten. Da traf am 3. Sep¬
tember die Nachricht von der Gefangennehmung Napoleons ein. Sofort hiel¬
ten die in Florenz anwesenden Deputirten der Linken eine Versammlung.
Briefe und Telegramme wurden von ihnen in die Provinzen abgeschickt,
und am 4. fanden in Mailand, Turin, Parma, Neapel und in andern
Städten große Versammlungen statt. Nachmittags begab sich in Florenz
eine Commission der Linken, bestehend aus Mancini, Cairoli, Laporta
und Oliva, in den Palazzo Ricciardi, wo sie, vom Minister-Präsidenten
empfangen, unverzügliche Besitznahme Rom's verlangte. "Eine Verzö¬
gerung würde als Verrath an der Nation betrachtet werden." In Folge
dessen fand an demselben Tage zweimal Ministerrath unter des Königs Vor¬
sitze statt. Der zweite währte bis in die späte Nacht; am S, früh wurde er
wieder fortgesetzt, doch wurde ein definitiver Bescheid nicht gefaßt, da eine
Stimme zu dem Beschlusse der sofortigen Occupation Roms fehlte. Raelli,
Sella, Gavone, Castagnola stimmten dafür, die übrigen Minister bedingungs¬
weise dagegen. An die Deputirten der Linken ging eine Antwort des Ge-
sammt-Ministeriums ab, welche lautete: "Die Regierung wird in der römi¬
schen Angelegenheit gemäß den abgegebenen Erklärungen in der Kammer und
im Senate verfahren und ist bereit, über ihre politische Haltung dem Parla¬
ment Rechenschaft zu legen." (Fortsetzung folgt,)




Lmembmg und Kolland.

Das Verhältniß, in welchem die beiden Staaten zu einander stehen, deren
Kronen seit König Wilhelm I. im erblichen Besitz des Hauses Oranien sind,
wird in Deutschland mannigfach irrthümlich aufgefaßt. Vielfach ist die Mei¬
nung verbreitet, daß Luxemburg mit den Niederlanden in einer engeren poli¬
tischen Verbindung stehe; daß z. B. das Gebiet des Großherzogthums zum
niederländischen gerechnet werden müsse -- so wie neuerdings noch auf der
Karte des Elsaß in Petermann's geographischen Mittheilungen -- und daß
unsere Regierung Einfluß ausübe auf die Geschäfte in Luxemburg. Diese
Meinung wurde zwar sehr unterstützt durch die Handlungen des Ministeriums


Grenzorte des Kirchenstaates von italienischen Soldaten angefüllt seien. Aber
obwohl bereits seit acht Tagen der Beschluß der Occupation gefaßt worden
war, wurde noch nicht zu dessen Ausführung geschritten. Da traf am 3. Sep¬
tember die Nachricht von der Gefangennehmung Napoleons ein. Sofort hiel¬
ten die in Florenz anwesenden Deputirten der Linken eine Versammlung.
Briefe und Telegramme wurden von ihnen in die Provinzen abgeschickt,
und am 4. fanden in Mailand, Turin, Parma, Neapel und in andern
Städten große Versammlungen statt. Nachmittags begab sich in Florenz
eine Commission der Linken, bestehend aus Mancini, Cairoli, Laporta
und Oliva, in den Palazzo Ricciardi, wo sie, vom Minister-Präsidenten
empfangen, unverzügliche Besitznahme Rom's verlangte. „Eine Verzö¬
gerung würde als Verrath an der Nation betrachtet werden." In Folge
dessen fand an demselben Tage zweimal Ministerrath unter des Königs Vor¬
sitze statt. Der zweite währte bis in die späte Nacht; am S, früh wurde er
wieder fortgesetzt, doch wurde ein definitiver Bescheid nicht gefaßt, da eine
Stimme zu dem Beschlusse der sofortigen Occupation Roms fehlte. Raelli,
Sella, Gavone, Castagnola stimmten dafür, die übrigen Minister bedingungs¬
weise dagegen. An die Deputirten der Linken ging eine Antwort des Ge-
sammt-Ministeriums ab, welche lautete: „Die Regierung wird in der römi¬
schen Angelegenheit gemäß den abgegebenen Erklärungen in der Kammer und
im Senate verfahren und ist bereit, über ihre politische Haltung dem Parla¬
ment Rechenschaft zu legen." (Fortsetzung folgt,)




Lmembmg und Kolland.

Das Verhältniß, in welchem die beiden Staaten zu einander stehen, deren
Kronen seit König Wilhelm I. im erblichen Besitz des Hauses Oranien sind,
wird in Deutschland mannigfach irrthümlich aufgefaßt. Vielfach ist die Mei¬
nung verbreitet, daß Luxemburg mit den Niederlanden in einer engeren poli¬
tischen Verbindung stehe; daß z. B. das Gebiet des Großherzogthums zum
niederländischen gerechnet werden müsse — so wie neuerdings noch auf der
Karte des Elsaß in Petermann's geographischen Mittheilungen — und daß
unsere Regierung Einfluß ausübe auf die Geschäfte in Luxemburg. Diese
Meinung wurde zwar sehr unterstützt durch die Handlungen des Ministeriums


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[0324] Grenzorte des Kirchenstaates von italienischen Soldaten angefüllt seien. Aber obwohl bereits seit acht Tagen der Beschluß der Occupation gefaßt worden war, wurde noch nicht zu dessen Ausführung geschritten. Da traf am 3. Sep¬ tember die Nachricht von der Gefangennehmung Napoleons ein. Sofort hiel¬ ten die in Florenz anwesenden Deputirten der Linken eine Versammlung. Briefe und Telegramme wurden von ihnen in die Provinzen abgeschickt, und am 4. fanden in Mailand, Turin, Parma, Neapel und in andern Städten große Versammlungen statt. Nachmittags begab sich in Florenz eine Commission der Linken, bestehend aus Mancini, Cairoli, Laporta und Oliva, in den Palazzo Ricciardi, wo sie, vom Minister-Präsidenten empfangen, unverzügliche Besitznahme Rom's verlangte. „Eine Verzö¬ gerung würde als Verrath an der Nation betrachtet werden." In Folge dessen fand an demselben Tage zweimal Ministerrath unter des Königs Vor¬ sitze statt. Der zweite währte bis in die späte Nacht; am S, früh wurde er wieder fortgesetzt, doch wurde ein definitiver Bescheid nicht gefaßt, da eine Stimme zu dem Beschlusse der sofortigen Occupation Roms fehlte. Raelli, Sella, Gavone, Castagnola stimmten dafür, die übrigen Minister bedingungs¬ weise dagegen. An die Deputirten der Linken ging eine Antwort des Ge- sammt-Ministeriums ab, welche lautete: „Die Regierung wird in der römi¬ schen Angelegenheit gemäß den abgegebenen Erklärungen in der Kammer und im Senate verfahren und ist bereit, über ihre politische Haltung dem Parla¬ ment Rechenschaft zu legen." (Fortsetzung folgt,) Lmembmg und Kolland. Das Verhältniß, in welchem die beiden Staaten zu einander stehen, deren Kronen seit König Wilhelm I. im erblichen Besitz des Hauses Oranien sind, wird in Deutschland mannigfach irrthümlich aufgefaßt. Vielfach ist die Mei¬ nung verbreitet, daß Luxemburg mit den Niederlanden in einer engeren poli¬ tischen Verbindung stehe; daß z. B. das Gebiet des Großherzogthums zum niederländischen gerechnet werden müsse — so wie neuerdings noch auf der Karte des Elsaß in Petermann's geographischen Mittheilungen — und daß unsere Regierung Einfluß ausübe auf die Geschäfte in Luxemburg. Diese Meinung wurde zwar sehr unterstützt durch die Handlungen des Ministeriums

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/324>, abgerufen am 29.06.2024.