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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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genau über die Dinge unterrichte, welche sich auf dem Kriegsschauplatze er¬
eignen. Der ganze telegraphische Dienst sei aber in den Händen der Agentur
Stefani, die, mit der Agentur Havas in Paris associirt, nur Nachrichten
französischen Ursprungs bringe. Man wisse aber recht gut, was man von
französischer Wahrhaftigkeit halten könne. Er forderte die Regierung aus,
auch über Berlin Nachrichten einzuziehen, damit die Meldungen aus beiden
Lagern sich gegenseitig controlirten; das Land könne sich nicht blos mit fran¬
zösischen Nachrichten begnügen. Der Minister-Präsident Lanza zollte dem
Vorredner Beifall wegen seines Tadels der Straßendemonstrationen; die Re¬
gierung müsse dieselben um fo mehr verdammen, als dadurch ein Druck auf
ihre Entschließungen ausgeübt werden solle. Das Verlangen, daß das Land
directe Nachrichten aus Berlin erhalte, sei vollkommen berechtigt und er werde
dafür Sorge tragen. Die Regierung werde alle Nachrichten veröffentlichen
und soviel, als sie dazu in der Lage sei, Irrthümer berichtigen. Miceli er¬
klärte dem Minister sein Mißfallen über die Aeußerung wegen der Straßen¬
demonstrationen, er sei verwundert über seine Worte, da in einem freien und
constitutionellen Lande das Versammlungsrecht ein heiliges Recht sei, dem
Niemand widersprechen dürfe; das Volk müsse seine Meinung ausdrücken
können. Es folgte eine heftige Scene, weil die Rechte den Redner unter¬
brach, und nachdem Mafsori aus ihren Reihen erklärt hatte, bei ausnahms-
weisen Ereignissen verhalte sich Parlament und Land, das wahre Volk, still
und warte mit Ruhe die Entschließungen der constituirten Gewalten ab --
wurde vom Präsidenten dem Redner der Linken Schweigen geboten.

Dem bald darauf in Florenz eingetroffenen Norddeutschen Botschafter,
Grasen Vrassier de Se. Simon, ertheilte in einer Unterredung Visconti Ve-
nosta die Versicherung, daß die italienische Regierung frei von jeder Ver¬
pflichtung, und daß es ihre förmliche Absicht sei, die strengste Neutralität zu
beobachten, daß die seit einigen Tagen im Werke befindlichen Rüstungen kei¬
nen andern Zweck hätten, als den Staat in die Lage zu versetzen, der neu¬
tralen Haltung, die er zu beobachten gedenke, nach allen Seiten hin Achtung
zu verschaffen, und sich gegen die Anschläge der extremen Parteien im Innern
zu sichern. Daher brachte am folgenden Tage schon die officielle Gazzetta die
Erklärung: "Der Regierung ist notificirt worden, daß zwischen Frankreich
einerseits und dem Norddeutschen Bunde, Bayern, Württemberg, Baden und
Hessen andererseits der Krieg erklärt worden ist. Dieser Kriegszustand zwi¬
schen Mächten, mit denen Italien in Frieden lebt, legt jedem die Pflicht
auf, sich den früher in Kraft getretenen Neutralität^ - Gesetzen und den allge¬
meinen Grundsätzen des internationalen Rechtes gemäß zu verhalten. Die
Personen, welche diese Pflicht aus den Augen setzen, könnten nicht den Schutz
der Regierung und ihrer Agenten anrufen und würden die von den besonderen


genau über die Dinge unterrichte, welche sich auf dem Kriegsschauplatze er¬
eignen. Der ganze telegraphische Dienst sei aber in den Händen der Agentur
Stefani, die, mit der Agentur Havas in Paris associirt, nur Nachrichten
französischen Ursprungs bringe. Man wisse aber recht gut, was man von
französischer Wahrhaftigkeit halten könne. Er forderte die Regierung aus,
auch über Berlin Nachrichten einzuziehen, damit die Meldungen aus beiden
Lagern sich gegenseitig controlirten; das Land könne sich nicht blos mit fran¬
zösischen Nachrichten begnügen. Der Minister-Präsident Lanza zollte dem
Vorredner Beifall wegen seines Tadels der Straßendemonstrationen; die Re¬
gierung müsse dieselben um fo mehr verdammen, als dadurch ein Druck auf
ihre Entschließungen ausgeübt werden solle. Das Verlangen, daß das Land
directe Nachrichten aus Berlin erhalte, sei vollkommen berechtigt und er werde
dafür Sorge tragen. Die Regierung werde alle Nachrichten veröffentlichen
und soviel, als sie dazu in der Lage sei, Irrthümer berichtigen. Miceli er¬
klärte dem Minister sein Mißfallen über die Aeußerung wegen der Straßen¬
demonstrationen, er sei verwundert über seine Worte, da in einem freien und
constitutionellen Lande das Versammlungsrecht ein heiliges Recht sei, dem
Niemand widersprechen dürfe; das Volk müsse seine Meinung ausdrücken
können. Es folgte eine heftige Scene, weil die Rechte den Redner unter¬
brach, und nachdem Mafsori aus ihren Reihen erklärt hatte, bei ausnahms-
weisen Ereignissen verhalte sich Parlament und Land, das wahre Volk, still
und warte mit Ruhe die Entschließungen der constituirten Gewalten ab —
wurde vom Präsidenten dem Redner der Linken Schweigen geboten.

Dem bald darauf in Florenz eingetroffenen Norddeutschen Botschafter,
Grasen Vrassier de Se. Simon, ertheilte in einer Unterredung Visconti Ve-
nosta die Versicherung, daß die italienische Regierung frei von jeder Ver¬
pflichtung, und daß es ihre förmliche Absicht sei, die strengste Neutralität zu
beobachten, daß die seit einigen Tagen im Werke befindlichen Rüstungen kei¬
nen andern Zweck hätten, als den Staat in die Lage zu versetzen, der neu¬
tralen Haltung, die er zu beobachten gedenke, nach allen Seiten hin Achtung
zu verschaffen, und sich gegen die Anschläge der extremen Parteien im Innern
zu sichern. Daher brachte am folgenden Tage schon die officielle Gazzetta die
Erklärung: „Der Regierung ist notificirt worden, daß zwischen Frankreich
einerseits und dem Norddeutschen Bunde, Bayern, Württemberg, Baden und
Hessen andererseits der Krieg erklärt worden ist. Dieser Kriegszustand zwi¬
schen Mächten, mit denen Italien in Frieden lebt, legt jedem die Pflicht
auf, sich den früher in Kraft getretenen Neutralität^ - Gesetzen und den allge¬
meinen Grundsätzen des internationalen Rechtes gemäß zu verhalten. Die
Personen, welche diese Pflicht aus den Augen setzen, könnten nicht den Schutz
der Regierung und ihrer Agenten anrufen und würden die von den besonderen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/315>, abgerufen am 28.09.2024.