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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Seiten des Staates zunächst einen festen gesetzlich gesicherten Cassencours bei¬
lege und dadurch der Geschäftswelt Veranlassung gebe, dieselbe massenweise
ausprägen zulassen*). ,





II. Württemberg während des Kriegs bis zum Abschluß der
Verträge.
(Schluß.)

Nach den Siegen der deutschen Waffen schienen anfangs nicht nur
die bisherigen gehässigen Parteianfeindungen gänzlich beseitigt, sondern
auch völlige Harmonie zwischen Regierung und Volk hergestellt zu sein. Die
Männer, welche eben noch an der Spitze der Agitation gestanden, waren von
ihrer Heerde plötzlich verlassen. Der Professor und k. k. Regierungsrath
S es äffte**), der verbissen ste und durch sein Talent hervorragendste Gegner der
deutschen Sache im Süden, der in dem kritischen Moment der Entscheidung
von Wien nach Stuttgart geeilt war, sah, von allen Seiten überwacht, sich
genöthigt, die Residenz zu verlassen. Die Männer des Beobachters aber
waren für ihre Sicherheit ernstlich besorgt. Es war offenbar, der Krieg mit
Frankreich hatte den ganzen großdeutschen Schwindel mit einem Schlag hin¬
weggefegt.

Trotz dieses unglaublich raschen Umschwunges in der Stimmung der Re¬
gierung, wie der Regierten, war übrigens, wie sich bald zeigen sollte, wenigstens
in einer Richtung noch lange nicht alle Gefahr beseitigt. In den letzten
Augusttagen war zwar der Minister von Varnbüler, welcher wegen seiner
politischen Wetterwendigkeit das Vertrauen aller Parteien verloren hatte,
seiner Functionen enthoben worden, aber aus Gründen rein persönlicher Natur,
welche sich einer Erörterung in der Presse entziehen. Mochte sein Charakter
noch so sehr beanstandet werden: seine Redefertigkeit, seine diplomatische Ge¬
wandtheit, seine vielfachen Beziehungen am Hof, machten seinen Abgang für
das Ministerium zu einem unersetzlichen Verlust. Das Land konnte sich nun
zwar -- da der interimistische Chef des Auswärtigen Amts kaum in Betracht
kam, vorerst rühmen, ein ausschließlich bürgerliches Ministerium zu besitzen,
und man deutete von Seiten des letzteren mit einem gewissen Wohlbehagen
auf diesen neuen Borzug Schwabens hin. Allein die Sache hatte auch ihre




?) S. G. D, Augspurg, Zur Deutschen Münzfrage, Heft V.
D. Red. i ") Nach den neuesten Telegrammen, Handelsminister in Oestreich.

Seiten des Staates zunächst einen festen gesetzlich gesicherten Cassencours bei¬
lege und dadurch der Geschäftswelt Veranlassung gebe, dieselbe massenweise
ausprägen zulassen*). ,





II. Württemberg während des Kriegs bis zum Abschluß der
Verträge.
(Schluß.)

Nach den Siegen der deutschen Waffen schienen anfangs nicht nur
die bisherigen gehässigen Parteianfeindungen gänzlich beseitigt, sondern
auch völlige Harmonie zwischen Regierung und Volk hergestellt zu sein. Die
Männer, welche eben noch an der Spitze der Agitation gestanden, waren von
ihrer Heerde plötzlich verlassen. Der Professor und k. k. Regierungsrath
S es äffte**), der verbissen ste und durch sein Talent hervorragendste Gegner der
deutschen Sache im Süden, der in dem kritischen Moment der Entscheidung
von Wien nach Stuttgart geeilt war, sah, von allen Seiten überwacht, sich
genöthigt, die Residenz zu verlassen. Die Männer des Beobachters aber
waren für ihre Sicherheit ernstlich besorgt. Es war offenbar, der Krieg mit
Frankreich hatte den ganzen großdeutschen Schwindel mit einem Schlag hin¬
weggefegt.

Trotz dieses unglaublich raschen Umschwunges in der Stimmung der Re¬
gierung, wie der Regierten, war übrigens, wie sich bald zeigen sollte, wenigstens
in einer Richtung noch lange nicht alle Gefahr beseitigt. In den letzten
Augusttagen war zwar der Minister von Varnbüler, welcher wegen seiner
politischen Wetterwendigkeit das Vertrauen aller Parteien verloren hatte,
seiner Functionen enthoben worden, aber aus Gründen rein persönlicher Natur,
welche sich einer Erörterung in der Presse entziehen. Mochte sein Charakter
noch so sehr beanstandet werden: seine Redefertigkeit, seine diplomatische Ge¬
wandtheit, seine vielfachen Beziehungen am Hof, machten seinen Abgang für
das Ministerium zu einem unersetzlichen Verlust. Das Land konnte sich nun
zwar — da der interimistische Chef des Auswärtigen Amts kaum in Betracht
kam, vorerst rühmen, ein ausschließlich bürgerliches Ministerium zu besitzen,
und man deutete von Seiten des letzteren mit einem gewissen Wohlbehagen
auf diesen neuen Borzug Schwabens hin. Allein die Sache hatte auch ihre




?) S. G. D, Augspurg, Zur Deutschen Münzfrage, Heft V.
D. Red. i ") Nach den neuesten Telegrammen, Handelsminister in Oestreich.
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[0279] Seiten des Staates zunächst einen festen gesetzlich gesicherten Cassencours bei¬ lege und dadurch der Geschäftswelt Veranlassung gebe, dieselbe massenweise ausprägen zulassen*). , II. Württemberg während des Kriegs bis zum Abschluß der Verträge. (Schluß.) Nach den Siegen der deutschen Waffen schienen anfangs nicht nur die bisherigen gehässigen Parteianfeindungen gänzlich beseitigt, sondern auch völlige Harmonie zwischen Regierung und Volk hergestellt zu sein. Die Männer, welche eben noch an der Spitze der Agitation gestanden, waren von ihrer Heerde plötzlich verlassen. Der Professor und k. k. Regierungsrath S es äffte**), der verbissen ste und durch sein Talent hervorragendste Gegner der deutschen Sache im Süden, der in dem kritischen Moment der Entscheidung von Wien nach Stuttgart geeilt war, sah, von allen Seiten überwacht, sich genöthigt, die Residenz zu verlassen. Die Männer des Beobachters aber waren für ihre Sicherheit ernstlich besorgt. Es war offenbar, der Krieg mit Frankreich hatte den ganzen großdeutschen Schwindel mit einem Schlag hin¬ weggefegt. Trotz dieses unglaublich raschen Umschwunges in der Stimmung der Re¬ gierung, wie der Regierten, war übrigens, wie sich bald zeigen sollte, wenigstens in einer Richtung noch lange nicht alle Gefahr beseitigt. In den letzten Augusttagen war zwar der Minister von Varnbüler, welcher wegen seiner politischen Wetterwendigkeit das Vertrauen aller Parteien verloren hatte, seiner Functionen enthoben worden, aber aus Gründen rein persönlicher Natur, welche sich einer Erörterung in der Presse entziehen. Mochte sein Charakter noch so sehr beanstandet werden: seine Redefertigkeit, seine diplomatische Ge¬ wandtheit, seine vielfachen Beziehungen am Hof, machten seinen Abgang für das Ministerium zu einem unersetzlichen Verlust. Das Land konnte sich nun zwar — da der interimistische Chef des Auswärtigen Amts kaum in Betracht kam, vorerst rühmen, ein ausschließlich bürgerliches Ministerium zu besitzen, und man deutete von Seiten des letzteren mit einem gewissen Wohlbehagen auf diesen neuen Borzug Schwabens hin. Allein die Sache hatte auch ihre ?) S. G. D, Augspurg, Zur Deutschen Münzfrage, Heft V. D. Red. i ") Nach den neuesten Telegrammen, Handelsminister in Oestreich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/279>, abgerufen am 26.06.2024.