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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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mit leichter Mühe sämmtliche republikanischen "trerLL et amis" des Verstorbenen
beschämte und in fürstlichster Weise, wie sie eben nur e'nem so fanatischen
Fürstendiener möglich sein konnte, für die Hinterbliebenen Sorge trug. Die
republikanischen Catone, die sonst nicht genug Steine finden kannten, um sie
auf den cones yui eoüto monarchisch Gesinnter zu werfen, standen in diesem
Wettstreit edler Seelen schier freiwillig zurück und die Partei und Freund¬
schaft hörten auch bei ihnen bei und mit dem Portemonnaie auf.

Aber feine Verträglichkeit mit der Regierung hinderte den braven Mann
und Anhänger des monarchischen Princips in keiner Weise, auch gelegentlich,
wenn ihm etwas nicht nach Wunsch ging, dem Ministerium des Innern in
seiner Plänklerweise den Krieg zu machen. So eben erst hatte er noch in
Sachen des Plebiscits contra sociale Republik mit dem Feuereifer eines Accord-
arbeiters plaidirt, als er eines Tages, beladen mit dem Fluch und den Ver¬
leumdungen der ganzen demokratischen Presse, aus dem Ministerium des In¬
nern erschien, das damals Herr Chevandier de Valdrüme innehatte. Letzterer
mochte vielleicht den eingegangenen Verpflichtungen bereits pünktlich nachge¬
kommen sein, jedenfalls stellte er sich sehr unwirsch, als Vilmessant, gleichsam
als Zugabe, noch die Anstellung eines seiner Clienten -- und Jedermann in
Paris hat mindestens einen Clienten zu empfehlen und vorwärts zu bringen --
im Staatsdienste verlangte. Herr Chevandier wies den Antragsteller kurz ab.

"Aber wir haben Ihnen doch Dienste geleistet und verdienten Berück¬
sichtigung." bat Vilmessant.

"Mag sein," entgegnete der Minister, "aber die Rechnung und unsere
Bücher sind abgeschlossen."

"Gehören wir denn nicht zur ""guten Presse?"" schaltete Figaro ein."

"Ach! alle Journale sind sür uns gleich schlecht," meinte abbrechend Herr
Chevandier de Valdrüme, den der Figaro bald darauf nur noch als Herrn
"Chevaldröme" bezeichnete, ein Nadelstich, der den Betreffenden geradezu nervös
machte durch seine tägliche Wiederholung.

"Nun denn, Excellenz," sagte Figaro, sich verabschiedend, "ich will Ihnen
den Unterschied zwischen der guten und schlechten Presse klar machen und Sie
sollen sehen, was Sie an uns verlieren."

Sprachs und verschwand. Auf seiner prachtvollen Villa in Enghien an¬
gelangt, berief er sofort den Generalstab seiner Redaction zu sich und verab¬
redete mit diesem seinen famosen Plan des "Figaro republicain," der, als
er am andern Tage erschien, ganz Paris in seltsamster Weise dupirte.

Vilmessant erfand die Fiction, er habe das Blatt mit feinen 60,000
Abonnenten einer republikanischen Gesellschaft, bestehend aus den 1,500,000
beim Plebiscit mit Nein Votirenden, für den Betrag von 1^ Millionen
Franken verkauft, der durch eine Subscription der Gesinnungsgenossen K einen


mit leichter Mühe sämmtliche republikanischen „trerLL et amis" des Verstorbenen
beschämte und in fürstlichster Weise, wie sie eben nur e'nem so fanatischen
Fürstendiener möglich sein konnte, für die Hinterbliebenen Sorge trug. Die
republikanischen Catone, die sonst nicht genug Steine finden kannten, um sie
auf den cones yui eoüto monarchisch Gesinnter zu werfen, standen in diesem
Wettstreit edler Seelen schier freiwillig zurück und die Partei und Freund¬
schaft hörten auch bei ihnen bei und mit dem Portemonnaie auf.

Aber feine Verträglichkeit mit der Regierung hinderte den braven Mann
und Anhänger des monarchischen Princips in keiner Weise, auch gelegentlich,
wenn ihm etwas nicht nach Wunsch ging, dem Ministerium des Innern in
seiner Plänklerweise den Krieg zu machen. So eben erst hatte er noch in
Sachen des Plebiscits contra sociale Republik mit dem Feuereifer eines Accord-
arbeiters plaidirt, als er eines Tages, beladen mit dem Fluch und den Ver¬
leumdungen der ganzen demokratischen Presse, aus dem Ministerium des In¬
nern erschien, das damals Herr Chevandier de Valdrüme innehatte. Letzterer
mochte vielleicht den eingegangenen Verpflichtungen bereits pünktlich nachge¬
kommen sein, jedenfalls stellte er sich sehr unwirsch, als Vilmessant, gleichsam
als Zugabe, noch die Anstellung eines seiner Clienten — und Jedermann in
Paris hat mindestens einen Clienten zu empfehlen und vorwärts zu bringen —
im Staatsdienste verlangte. Herr Chevandier wies den Antragsteller kurz ab.

„Aber wir haben Ihnen doch Dienste geleistet und verdienten Berück¬
sichtigung." bat Vilmessant.

„Mag sein," entgegnete der Minister, „aber die Rechnung und unsere
Bücher sind abgeschlossen."

„Gehören wir denn nicht zur „„guten Presse?"" schaltete Figaro ein."

„Ach! alle Journale sind sür uns gleich schlecht," meinte abbrechend Herr
Chevandier de Valdrüme, den der Figaro bald darauf nur noch als Herrn
„Chevaldröme" bezeichnete, ein Nadelstich, der den Betreffenden geradezu nervös
machte durch seine tägliche Wiederholung.

„Nun denn, Excellenz," sagte Figaro, sich verabschiedend, „ich will Ihnen
den Unterschied zwischen der guten und schlechten Presse klar machen und Sie
sollen sehen, was Sie an uns verlieren."

Sprachs und verschwand. Auf seiner prachtvollen Villa in Enghien an¬
gelangt, berief er sofort den Generalstab seiner Redaction zu sich und verab¬
redete mit diesem seinen famosen Plan des „Figaro republicain," der, als
er am andern Tage erschien, ganz Paris in seltsamster Weise dupirte.

Vilmessant erfand die Fiction, er habe das Blatt mit feinen 60,000
Abonnenten einer republikanischen Gesellschaft, bestehend aus den 1,500,000
beim Plebiscit mit Nein Votirenden, für den Betrag von 1^ Millionen
Franken verkauft, der durch eine Subscription der Gesinnungsgenossen K einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/18>, abgerufen am 22.07.2024.