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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Ausdauer ertragen. Er wird nicht heimkehren zum Frieden seines Hauses, bis
er dem ganzen Deutschen Volke einen dauerbarer Frieden mitbringt; von dem
Feinde, der Jahrhunderte hindurch unser und des Weltfriedens Störer gewesen ist.

Und hier, an der Spitze der deutschen Heere, in der alten Königsstadt
der französischen Herrscher, an die sich dem französischen Volke hundert bedeutende
Erinnerungen knüpfen, wo sich einst die üppige Selbstvergötterung des vier¬
zehnten Ludwig blähte und die große Revolution ihren offiziellen Anfang nahm,
ward dem König von der freiwilligen Liebe und Dankbarkeit aller Deutschen
Stämme und Regierungen die Krone angeboten, welche die oberste einheit¬
liche Macht im wiedererstandenen Deutschen Reiche bedeutet. Kein Parteihader
und kein Bürgerblut, kein gebrochener Eid, und kein Fluch gestürzter Herr¬
schergeschlechter oder freiheitsberaubter Nationen heftet sich an dieses funkelnde
Gold. Zu Tage gefördert ward es aus dem tiefen Schachte unsrer Volks¬
seele, die das edle Gut treu behütete, der großen Tage eingedenk, da dies
Gold einst über die Welt geglänzt hatte. Gehärtet ward es in dem heißen
Schlachtenfeuer der jüngsten Monde; und leuchten soll es wie ehedem über
alle Welt bis zu den fernsten Geschlechtern, als ein Zeichen, daß hier im
Kern von Europa ein Volk wohnt, dessen Stärke die Eintracht, dessen Ehr¬
geiz die friedliche Arbeit, die Förderung der Völkerwohlfahrt, schöner Menschen¬
sitte und jeder Freiheit sein wird.

Viele unter uns, und nicht die schlechtesten Deutschen, haben dem Ge-
danken widerstrebt, die Deutsche Kaiserkrone zu erneuern. Denn, in der That,
nicht nur reine und wohlthuende Erinnerungen knüpfen sich an Krone und
Titel. Und diejenigen wieder, welche in dieser Krone das äußere Band und
das Ideal unserer Einheitsbestrebungen erblickten, hätten sie wol lieber zu
Sanct Paul in Frankfurt oder in langjähriger vereinter Friedensarbeit
schmieden sehen, als auf den blutgedüngten Wahlstätten Frankreichs; Viele
hatten sich an die Weissagung Uhland's gewöhnt, von dem vollen Tropfen
demokratischen Oeles, ohne dessen Salbung das Haupt des künftigen Kaisers
nicht über Deutschland leuchten werde. -- Nun, wir'meinen, die Prophezeihung
ist buchstäblich eingetroffen. Nur heißt der edle Saft: das Herzblut unserer
Krieger; und die Demokratie, die ihn auspreßte und hingab für das neu¬
geeinte Baterland und das neue Oberhaupt: das Deutsche Volk in Waffen.
Und daß der neue Kaiser redlich gewillt ist, das Dichterwort auch im Geiste
wahr zu machen, das beweisen wohl am deutlichsten die wahrhaft königlichen
Worte am Schlüsse seiner Botschaft: "Uns aber und unsern Nachfolgern
wolle Gott verleihen, allezeit Mehrer des Deutschen Reiches zu sein, nicht in
kriegerischen Eroberungen, sondern in Werken des Friedens, auf dem Gebiet
nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung."

So spricht der siegreiche Feldherr zu seinem Volke, dem das Höchste ge-


Ausdauer ertragen. Er wird nicht heimkehren zum Frieden seines Hauses, bis
er dem ganzen Deutschen Volke einen dauerbarer Frieden mitbringt; von dem
Feinde, der Jahrhunderte hindurch unser und des Weltfriedens Störer gewesen ist.

Und hier, an der Spitze der deutschen Heere, in der alten Königsstadt
der französischen Herrscher, an die sich dem französischen Volke hundert bedeutende
Erinnerungen knüpfen, wo sich einst die üppige Selbstvergötterung des vier¬
zehnten Ludwig blähte und die große Revolution ihren offiziellen Anfang nahm,
ward dem König von der freiwilligen Liebe und Dankbarkeit aller Deutschen
Stämme und Regierungen die Krone angeboten, welche die oberste einheit¬
liche Macht im wiedererstandenen Deutschen Reiche bedeutet. Kein Parteihader
und kein Bürgerblut, kein gebrochener Eid, und kein Fluch gestürzter Herr¬
schergeschlechter oder freiheitsberaubter Nationen heftet sich an dieses funkelnde
Gold. Zu Tage gefördert ward es aus dem tiefen Schachte unsrer Volks¬
seele, die das edle Gut treu behütete, der großen Tage eingedenk, da dies
Gold einst über die Welt geglänzt hatte. Gehärtet ward es in dem heißen
Schlachtenfeuer der jüngsten Monde; und leuchten soll es wie ehedem über
alle Welt bis zu den fernsten Geschlechtern, als ein Zeichen, daß hier im
Kern von Europa ein Volk wohnt, dessen Stärke die Eintracht, dessen Ehr¬
geiz die friedliche Arbeit, die Förderung der Völkerwohlfahrt, schöner Menschen¬
sitte und jeder Freiheit sein wird.

Viele unter uns, und nicht die schlechtesten Deutschen, haben dem Ge-
danken widerstrebt, die Deutsche Kaiserkrone zu erneuern. Denn, in der That,
nicht nur reine und wohlthuende Erinnerungen knüpfen sich an Krone und
Titel. Und diejenigen wieder, welche in dieser Krone das äußere Band und
das Ideal unserer Einheitsbestrebungen erblickten, hätten sie wol lieber zu
Sanct Paul in Frankfurt oder in langjähriger vereinter Friedensarbeit
schmieden sehen, als auf den blutgedüngten Wahlstätten Frankreichs; Viele
hatten sich an die Weissagung Uhland's gewöhnt, von dem vollen Tropfen
demokratischen Oeles, ohne dessen Salbung das Haupt des künftigen Kaisers
nicht über Deutschland leuchten werde. — Nun, wir'meinen, die Prophezeihung
ist buchstäblich eingetroffen. Nur heißt der edle Saft: das Herzblut unserer
Krieger; und die Demokratie, die ihn auspreßte und hingab für das neu¬
geeinte Baterland und das neue Oberhaupt: das Deutsche Volk in Waffen.
Und daß der neue Kaiser redlich gewillt ist, das Dichterwort auch im Geiste
wahr zu machen, das beweisen wohl am deutlichsten die wahrhaft königlichen
Worte am Schlüsse seiner Botschaft: „Uns aber und unsern Nachfolgern
wolle Gott verleihen, allezeit Mehrer des Deutschen Reiches zu sein, nicht in
kriegerischen Eroberungen, sondern in Werken des Friedens, auf dem Gebiet
nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung."

So spricht der siegreiche Feldherr zu seinem Volke, dem das Höchste ge-


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[0171] Ausdauer ertragen. Er wird nicht heimkehren zum Frieden seines Hauses, bis er dem ganzen Deutschen Volke einen dauerbarer Frieden mitbringt; von dem Feinde, der Jahrhunderte hindurch unser und des Weltfriedens Störer gewesen ist. Und hier, an der Spitze der deutschen Heere, in der alten Königsstadt der französischen Herrscher, an die sich dem französischen Volke hundert bedeutende Erinnerungen knüpfen, wo sich einst die üppige Selbstvergötterung des vier¬ zehnten Ludwig blähte und die große Revolution ihren offiziellen Anfang nahm, ward dem König von der freiwilligen Liebe und Dankbarkeit aller Deutschen Stämme und Regierungen die Krone angeboten, welche die oberste einheit¬ liche Macht im wiedererstandenen Deutschen Reiche bedeutet. Kein Parteihader und kein Bürgerblut, kein gebrochener Eid, und kein Fluch gestürzter Herr¬ schergeschlechter oder freiheitsberaubter Nationen heftet sich an dieses funkelnde Gold. Zu Tage gefördert ward es aus dem tiefen Schachte unsrer Volks¬ seele, die das edle Gut treu behütete, der großen Tage eingedenk, da dies Gold einst über die Welt geglänzt hatte. Gehärtet ward es in dem heißen Schlachtenfeuer der jüngsten Monde; und leuchten soll es wie ehedem über alle Welt bis zu den fernsten Geschlechtern, als ein Zeichen, daß hier im Kern von Europa ein Volk wohnt, dessen Stärke die Eintracht, dessen Ehr¬ geiz die friedliche Arbeit, die Förderung der Völkerwohlfahrt, schöner Menschen¬ sitte und jeder Freiheit sein wird. Viele unter uns, und nicht die schlechtesten Deutschen, haben dem Ge- danken widerstrebt, die Deutsche Kaiserkrone zu erneuern. Denn, in der That, nicht nur reine und wohlthuende Erinnerungen knüpfen sich an Krone und Titel. Und diejenigen wieder, welche in dieser Krone das äußere Band und das Ideal unserer Einheitsbestrebungen erblickten, hätten sie wol lieber zu Sanct Paul in Frankfurt oder in langjähriger vereinter Friedensarbeit schmieden sehen, als auf den blutgedüngten Wahlstätten Frankreichs; Viele hatten sich an die Weissagung Uhland's gewöhnt, von dem vollen Tropfen demokratischen Oeles, ohne dessen Salbung das Haupt des künftigen Kaisers nicht über Deutschland leuchten werde. — Nun, wir'meinen, die Prophezeihung ist buchstäblich eingetroffen. Nur heißt der edle Saft: das Herzblut unserer Krieger; und die Demokratie, die ihn auspreßte und hingab für das neu¬ geeinte Baterland und das neue Oberhaupt: das Deutsche Volk in Waffen. Und daß der neue Kaiser redlich gewillt ist, das Dichterwort auch im Geiste wahr zu machen, das beweisen wohl am deutlichsten die wahrhaft königlichen Worte am Schlüsse seiner Botschaft: „Uns aber und unsern Nachfolgern wolle Gott verleihen, allezeit Mehrer des Deutschen Reiches zu sein, nicht in kriegerischen Eroberungen, sondern in Werken des Friedens, auf dem Gebiet nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung." So spricht der siegreiche Feldherr zu seinem Volke, dem das Höchste ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/171>, abgerufen am 30.06.2024.