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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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selbst, ein alter Viehwagen, Manches zu wünschen übrig ließ. -- Die Ver¬
wundeten wurden mit größter Vorsicht eingeladen, und jeder befand sich bald
in seinem Bette, von der ihm bekannten Pflegerin bedient, die ihr Amt fort¬
setzte, wie auch die Aerzte zur gewohnten Zeit die Verbände anlegten. Die
Essenszeit wurde gleichfalls streng festgehalten und warme Speisen, wie im
Lazareth verabreicht, somit den armen Leidenden der so schwierige Transport
so viel wie möglich erleichtert. -- Froh waren wir, als die Vogesentunnel
hinter uns lagen, denn man erzählte mit Grund viel von verübten Verbrechen
und wir hatten nur ganz schwer Verwundete bei uns. -- Wer schildert end¬
lich unsere Empfindung, als wir am Rhein anlangten und den herrlichen,
den lieben heimathlichen Strom unter uns sahen. Die Mitglieder der vor
zwei Monaten ausgerückten Expedition und die, welche sich in Nanzig unter
Heine's Befehl gestellt hatten, sprangen zum Rendezvous in den Küchen¬
wagen. --

Zweifelhaft war noch das Schicksal unseres Vaterlandes, als diese kleine
Schaar hinübergezogen war in Feindesland, ungewiß, ob sie etwas zu leisten
im Stande sei, oder ob sie selbst als Opfer fallen würde. Was war seit
zwei Monaten geschehen! Groß stand es da, unser siegreiches Volk; wir hatten ein
Vaterland, auf das wir stolz sein durften. "Fest steht und treu die Wacht am
Rhein!" ertönte aus Aller Munde. Dankbar gedachten wir der großen Führer, die
unser Heer zum Siege gelenkt, Dankbarkeit fesselte uns aber auch im Kleinen
an unsern Führer, dessen seltene Eigenschaften und hervorragende Leistungen
uns allein das Gelingen unserer Ausgabe ermöglichten. Wir sollten noch
die Freude erleben, daß unsere Pfleglinge auch in der Zukunft nicht darbten.
Sie und die dürftigen Hinterbliebenen derjenigen, welche die Wissenschaft ver¬
geblich dem Tode abzuringen versucht hatte, erhielten ein Geschenk von
30,000 Fi. von der oben genannten jungen Dame, die durch den Zufall der
Lectüre eines veröffentlichten Briefes herbeigelockt, zum Schutzgeist des Tabak-
spitales geworden war.






Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Verlag von F. L. Hcrvig. -- Druck von Hüthcl 6 Segler in Leipzig.

selbst, ein alter Viehwagen, Manches zu wünschen übrig ließ. — Die Ver¬
wundeten wurden mit größter Vorsicht eingeladen, und jeder befand sich bald
in seinem Bette, von der ihm bekannten Pflegerin bedient, die ihr Amt fort¬
setzte, wie auch die Aerzte zur gewohnten Zeit die Verbände anlegten. Die
Essenszeit wurde gleichfalls streng festgehalten und warme Speisen, wie im
Lazareth verabreicht, somit den armen Leidenden der so schwierige Transport
so viel wie möglich erleichtert. — Froh waren wir, als die Vogesentunnel
hinter uns lagen, denn man erzählte mit Grund viel von verübten Verbrechen
und wir hatten nur ganz schwer Verwundete bei uns. — Wer schildert end¬
lich unsere Empfindung, als wir am Rhein anlangten und den herrlichen,
den lieben heimathlichen Strom unter uns sahen. Die Mitglieder der vor
zwei Monaten ausgerückten Expedition und die, welche sich in Nanzig unter
Heine's Befehl gestellt hatten, sprangen zum Rendezvous in den Küchen¬
wagen. --

Zweifelhaft war noch das Schicksal unseres Vaterlandes, als diese kleine
Schaar hinübergezogen war in Feindesland, ungewiß, ob sie etwas zu leisten
im Stande sei, oder ob sie selbst als Opfer fallen würde. Was war seit
zwei Monaten geschehen! Groß stand es da, unser siegreiches Volk; wir hatten ein
Vaterland, auf das wir stolz sein durften. „Fest steht und treu die Wacht am
Rhein!" ertönte aus Aller Munde. Dankbar gedachten wir der großen Führer, die
unser Heer zum Siege gelenkt, Dankbarkeit fesselte uns aber auch im Kleinen
an unsern Führer, dessen seltene Eigenschaften und hervorragende Leistungen
uns allein das Gelingen unserer Ausgabe ermöglichten. Wir sollten noch
die Freude erleben, daß unsere Pfleglinge auch in der Zukunft nicht darbten.
Sie und die dürftigen Hinterbliebenen derjenigen, welche die Wissenschaft ver¬
geblich dem Tode abzuringen versucht hatte, erhielten ein Geschenk von
30,000 Fi. von der oben genannten jungen Dame, die durch den Zufall der
Lectüre eines veröffentlichten Briefes herbeigelockt, zum Schutzgeist des Tabak-
spitales geworden war.






Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum.
Verlag von F. L. Hcrvig. — Druck von Hüthcl 6 Segler in Leipzig.
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[0128] selbst, ein alter Viehwagen, Manches zu wünschen übrig ließ. — Die Ver¬ wundeten wurden mit größter Vorsicht eingeladen, und jeder befand sich bald in seinem Bette, von der ihm bekannten Pflegerin bedient, die ihr Amt fort¬ setzte, wie auch die Aerzte zur gewohnten Zeit die Verbände anlegten. Die Essenszeit wurde gleichfalls streng festgehalten und warme Speisen, wie im Lazareth verabreicht, somit den armen Leidenden der so schwierige Transport so viel wie möglich erleichtert. — Froh waren wir, als die Vogesentunnel hinter uns lagen, denn man erzählte mit Grund viel von verübten Verbrechen und wir hatten nur ganz schwer Verwundete bei uns. — Wer schildert end¬ lich unsere Empfindung, als wir am Rhein anlangten und den herrlichen, den lieben heimathlichen Strom unter uns sahen. Die Mitglieder der vor zwei Monaten ausgerückten Expedition und die, welche sich in Nanzig unter Heine's Befehl gestellt hatten, sprangen zum Rendezvous in den Küchen¬ wagen. -- Zweifelhaft war noch das Schicksal unseres Vaterlandes, als diese kleine Schaar hinübergezogen war in Feindesland, ungewiß, ob sie etwas zu leisten im Stande sei, oder ob sie selbst als Opfer fallen würde. Was war seit zwei Monaten geschehen! Groß stand es da, unser siegreiches Volk; wir hatten ein Vaterland, auf das wir stolz sein durften. „Fest steht und treu die Wacht am Rhein!" ertönte aus Aller Munde. Dankbar gedachten wir der großen Führer, die unser Heer zum Siege gelenkt, Dankbarkeit fesselte uns aber auch im Kleinen an unsern Führer, dessen seltene Eigenschaften und hervorragende Leistungen uns allein das Gelingen unserer Ausgabe ermöglichten. Wir sollten noch die Freude erleben, daß unsere Pfleglinge auch in der Zukunft nicht darbten. Sie und die dürftigen Hinterbliebenen derjenigen, welche die Wissenschaft ver¬ geblich dem Tode abzuringen versucht hatte, erhielten ein Geschenk von 30,000 Fi. von der oben genannten jungen Dame, die durch den Zufall der Lectüre eines veröffentlichten Briefes herbeigelockt, zum Schutzgeist des Tabak- spitales geworden war. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Haus Blum. Verlag von F. L. Hcrvig. — Druck von Hüthcl 6 Segler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/128>, abgerufen am 22.07.2024.