Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

heit, und herrschte in der badischen Regierung. Sie gewann in Württemberg
täglich an Ausdehnung und Einfluß im Volke. Sie war in der bayrischen
Kammer den Gegnern an Zahl beinahe gewachsen, erheblich überlegen aber
durch die Bedeutung ihrer Führer, durch den Anhang in allen intelligenten
Klassen der Bevölkerung. Sie führte in Hessen einen von, der ganzen Be¬
völkerung getragenen Kampf der dortigen Kammern wider die unhaltbaren
particularistischen Prätensionen der Regierung. Aber freilich alle diese Stre¬
bungen der süddeutschen nationalen waren weit von dem Ziele, solange sich
die drei Regierungen von Bayern, Württemberg und Hessen jedem Drängen
zu einem Eintritt in den Norddeutschen Bund beharrlich entgegenstellten.

In dieser Lage der deutschen Dinge traf uns der Kriegsaufruf des Erb¬
feindes. Ihm antwortete jene hocherhabene einmüthige Erhebung unsres
Volkes von dem Gestade der deutschen Küsten bis zu den Gipfeln der Alpen
und zum schwäbischen Meer, eine Erhebung, die niemals und nirgends ihres
Gleichen gesehen hat, solange die Welt steht. Noch jetzt, so hochgemuthet
immer wir fühlen und handeln mögen in dem gewaltigen Fluthgang der
Ereignisse, erscheinen jene Julitage, die der Erhebung Deutschlands galten, als
das frischeste, herrlichste Blatt unsrer Geschichte. Und dann folgte der unver¬
gleichliche Krieg gegen die waffentüchtigste Nation der Welt, der auf unserer
Seite nur Siege aufzuweisen hat, trotz der verzweifelt tapfern Gegenwehr des
Feindes. In fünf Monaten schreiten unsre Wehrmänner von den Grenzen
des Elsaß bis an die Gestade des atlantischen Meers, von Luxemburg bis an
die Ufer der Rhone und Loire, von Sieg zu Sieg, von Beste zu Beste; durch
Hunger oder Feuerschlünde wird auch die stärkste gezwungen; durch unsterb¬
lichen Heldenmuth unsrer Kämpfer der Feind aus den uneinnehmbarsten
Stellungen in wilde Flucht geworfen. Eine unerhörte Menge Gefangener
wird in Deutschland zusammengehäuft, das gesammte Kriegsmaterial des
Feindes erbeutet und vor allem ein Kaiserthum, das Jahrzehnte die Welt ,in
Schrecken hielt, in weniger als vier Kampfeswochen, von uns gestürzt und
zerschlagen und der feindliche Herrscher in gemeine Kriegsgefangenschaft ab¬
geführt.

Höher aber als alle diese ruhmreichen Erfolge steht die sittliche Würde'
unseres Volkes in diesem heiligen Kriegszug. Um die höchsten Güter, die je
Menschen gekannt haben, sind wir in den Kampf gezogen gegen gemeine
Raubsucht und Ländergier des Feindes. Durch die höchsten Leistungen, deren
ein mächtiges Culturvolk fähig ist, ward der Sieg so erzwungen, wie er davon¬
getragen wurde. Wir kämpften nicht nur mit dem sichtbaren Feinde. Der
blasse Neid und die schlecht verhohlene Beihilfe mancher neutralen Mächte
stützte ihn auf Schritt und Tritt, wie jene befreundeten Götter der antiken
Sage, die dem Krieger den Schild vorhielten und den gebrochenen Lanzenschast


heit, und herrschte in der badischen Regierung. Sie gewann in Württemberg
täglich an Ausdehnung und Einfluß im Volke. Sie war in der bayrischen
Kammer den Gegnern an Zahl beinahe gewachsen, erheblich überlegen aber
durch die Bedeutung ihrer Führer, durch den Anhang in allen intelligenten
Klassen der Bevölkerung. Sie führte in Hessen einen von, der ganzen Be¬
völkerung getragenen Kampf der dortigen Kammern wider die unhaltbaren
particularistischen Prätensionen der Regierung. Aber freilich alle diese Stre¬
bungen der süddeutschen nationalen waren weit von dem Ziele, solange sich
die drei Regierungen von Bayern, Württemberg und Hessen jedem Drängen
zu einem Eintritt in den Norddeutschen Bund beharrlich entgegenstellten.

In dieser Lage der deutschen Dinge traf uns der Kriegsaufruf des Erb¬
feindes. Ihm antwortete jene hocherhabene einmüthige Erhebung unsres
Volkes von dem Gestade der deutschen Küsten bis zu den Gipfeln der Alpen
und zum schwäbischen Meer, eine Erhebung, die niemals und nirgends ihres
Gleichen gesehen hat, solange die Welt steht. Noch jetzt, so hochgemuthet
immer wir fühlen und handeln mögen in dem gewaltigen Fluthgang der
Ereignisse, erscheinen jene Julitage, die der Erhebung Deutschlands galten, als
das frischeste, herrlichste Blatt unsrer Geschichte. Und dann folgte der unver¬
gleichliche Krieg gegen die waffentüchtigste Nation der Welt, der auf unserer
Seite nur Siege aufzuweisen hat, trotz der verzweifelt tapfern Gegenwehr des
Feindes. In fünf Monaten schreiten unsre Wehrmänner von den Grenzen
des Elsaß bis an die Gestade des atlantischen Meers, von Luxemburg bis an
die Ufer der Rhone und Loire, von Sieg zu Sieg, von Beste zu Beste; durch
Hunger oder Feuerschlünde wird auch die stärkste gezwungen; durch unsterb¬
lichen Heldenmuth unsrer Kämpfer der Feind aus den uneinnehmbarsten
Stellungen in wilde Flucht geworfen. Eine unerhörte Menge Gefangener
wird in Deutschland zusammengehäuft, das gesammte Kriegsmaterial des
Feindes erbeutet und vor allem ein Kaiserthum, das Jahrzehnte die Welt ,in
Schrecken hielt, in weniger als vier Kampfeswochen, von uns gestürzt und
zerschlagen und der feindliche Herrscher in gemeine Kriegsgefangenschaft ab¬
geführt.

Höher aber als alle diese ruhmreichen Erfolge steht die sittliche Würde'
unseres Volkes in diesem heiligen Kriegszug. Um die höchsten Güter, die je
Menschen gekannt haben, sind wir in den Kampf gezogen gegen gemeine
Raubsucht und Ländergier des Feindes. Durch die höchsten Leistungen, deren
ein mächtiges Culturvolk fähig ist, ward der Sieg so erzwungen, wie er davon¬
getragen wurde. Wir kämpften nicht nur mit dem sichtbaren Feinde. Der
blasse Neid und die schlecht verhohlene Beihilfe mancher neutralen Mächte
stützte ihn auf Schritt und Tritt, wie jene befreundeten Götter der antiken
Sage, die dem Krieger den Schild vorhielten und den gebrochenen Lanzenschast


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0011" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125255"/>
          <p xml:id="ID_9" prev="#ID_8"> heit, und herrschte in der badischen Regierung. Sie gewann in Württemberg<lb/>
täglich an Ausdehnung und Einfluß im Volke. Sie war in der bayrischen<lb/>
Kammer den Gegnern an Zahl beinahe gewachsen, erheblich überlegen aber<lb/>
durch die Bedeutung ihrer Führer, durch den Anhang in allen intelligenten<lb/>
Klassen der Bevölkerung. Sie führte in Hessen einen von, der ganzen Be¬<lb/>
völkerung getragenen Kampf der dortigen Kammern wider die unhaltbaren<lb/>
particularistischen Prätensionen der Regierung. Aber freilich alle diese Stre¬<lb/>
bungen der süddeutschen nationalen waren weit von dem Ziele, solange sich<lb/>
die drei Regierungen von Bayern, Württemberg und Hessen jedem Drängen<lb/>
zu einem Eintritt in den Norddeutschen Bund beharrlich entgegenstellten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_10"> In dieser Lage der deutschen Dinge traf uns der Kriegsaufruf des Erb¬<lb/>
feindes. Ihm antwortete jene hocherhabene einmüthige Erhebung unsres<lb/>
Volkes von dem Gestade der deutschen Küsten bis zu den Gipfeln der Alpen<lb/>
und zum schwäbischen Meer, eine Erhebung, die niemals und nirgends ihres<lb/>
Gleichen gesehen hat, solange die Welt steht. Noch jetzt, so hochgemuthet<lb/>
immer wir fühlen und handeln mögen in dem gewaltigen Fluthgang der<lb/>
Ereignisse, erscheinen jene Julitage, die der Erhebung Deutschlands galten, als<lb/>
das frischeste, herrlichste Blatt unsrer Geschichte. Und dann folgte der unver¬<lb/>
gleichliche Krieg gegen die waffentüchtigste Nation der Welt, der auf unserer<lb/>
Seite nur Siege aufzuweisen hat, trotz der verzweifelt tapfern Gegenwehr des<lb/>
Feindes. In fünf Monaten schreiten unsre Wehrmänner von den Grenzen<lb/>
des Elsaß bis an die Gestade des atlantischen Meers, von Luxemburg bis an<lb/>
die Ufer der Rhone und Loire, von Sieg zu Sieg, von Beste zu Beste; durch<lb/>
Hunger oder Feuerschlünde wird auch die stärkste gezwungen; durch unsterb¬<lb/>
lichen Heldenmuth unsrer Kämpfer der Feind aus den uneinnehmbarsten<lb/>
Stellungen in wilde Flucht geworfen. Eine unerhörte Menge Gefangener<lb/>
wird in Deutschland zusammengehäuft, das gesammte Kriegsmaterial des<lb/>
Feindes erbeutet und vor allem ein Kaiserthum, das Jahrzehnte die Welt ,in<lb/>
Schrecken hielt, in weniger als vier Kampfeswochen, von uns gestürzt und<lb/>
zerschlagen und der feindliche Herrscher in gemeine Kriegsgefangenschaft ab¬<lb/>
geführt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_11" next="#ID_12"> Höher aber als alle diese ruhmreichen Erfolge steht die sittliche Würde'<lb/>
unseres Volkes in diesem heiligen Kriegszug. Um die höchsten Güter, die je<lb/>
Menschen gekannt haben, sind wir in den Kampf gezogen gegen gemeine<lb/>
Raubsucht und Ländergier des Feindes. Durch die höchsten Leistungen, deren<lb/>
ein mächtiges Culturvolk fähig ist, ward der Sieg so erzwungen, wie er davon¬<lb/>
getragen wurde. Wir kämpften nicht nur mit dem sichtbaren Feinde. Der<lb/>
blasse Neid und die schlecht verhohlene Beihilfe mancher neutralen Mächte<lb/>
stützte ihn auf Schritt und Tritt, wie jene befreundeten Götter der antiken<lb/>
Sage, die dem Krieger den Schild vorhielten und den gebrochenen Lanzenschast</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0011] heit, und herrschte in der badischen Regierung. Sie gewann in Württemberg täglich an Ausdehnung und Einfluß im Volke. Sie war in der bayrischen Kammer den Gegnern an Zahl beinahe gewachsen, erheblich überlegen aber durch die Bedeutung ihrer Führer, durch den Anhang in allen intelligenten Klassen der Bevölkerung. Sie führte in Hessen einen von, der ganzen Be¬ völkerung getragenen Kampf der dortigen Kammern wider die unhaltbaren particularistischen Prätensionen der Regierung. Aber freilich alle diese Stre¬ bungen der süddeutschen nationalen waren weit von dem Ziele, solange sich die drei Regierungen von Bayern, Württemberg und Hessen jedem Drängen zu einem Eintritt in den Norddeutschen Bund beharrlich entgegenstellten. In dieser Lage der deutschen Dinge traf uns der Kriegsaufruf des Erb¬ feindes. Ihm antwortete jene hocherhabene einmüthige Erhebung unsres Volkes von dem Gestade der deutschen Küsten bis zu den Gipfeln der Alpen und zum schwäbischen Meer, eine Erhebung, die niemals und nirgends ihres Gleichen gesehen hat, solange die Welt steht. Noch jetzt, so hochgemuthet immer wir fühlen und handeln mögen in dem gewaltigen Fluthgang der Ereignisse, erscheinen jene Julitage, die der Erhebung Deutschlands galten, als das frischeste, herrlichste Blatt unsrer Geschichte. Und dann folgte der unver¬ gleichliche Krieg gegen die waffentüchtigste Nation der Welt, der auf unserer Seite nur Siege aufzuweisen hat, trotz der verzweifelt tapfern Gegenwehr des Feindes. In fünf Monaten schreiten unsre Wehrmänner von den Grenzen des Elsaß bis an die Gestade des atlantischen Meers, von Luxemburg bis an die Ufer der Rhone und Loire, von Sieg zu Sieg, von Beste zu Beste; durch Hunger oder Feuerschlünde wird auch die stärkste gezwungen; durch unsterb¬ lichen Heldenmuth unsrer Kämpfer der Feind aus den uneinnehmbarsten Stellungen in wilde Flucht geworfen. Eine unerhörte Menge Gefangener wird in Deutschland zusammengehäuft, das gesammte Kriegsmaterial des Feindes erbeutet und vor allem ein Kaiserthum, das Jahrzehnte die Welt ,in Schrecken hielt, in weniger als vier Kampfeswochen, von uns gestürzt und zerschlagen und der feindliche Herrscher in gemeine Kriegsgefangenschaft ab¬ geführt. Höher aber als alle diese ruhmreichen Erfolge steht die sittliche Würde' unseres Volkes in diesem heiligen Kriegszug. Um die höchsten Güter, die je Menschen gekannt haben, sind wir in den Kampf gezogen gegen gemeine Raubsucht und Ländergier des Feindes. Durch die höchsten Leistungen, deren ein mächtiges Culturvolk fähig ist, ward der Sieg so erzwungen, wie er davon¬ getragen wurde. Wir kämpften nicht nur mit dem sichtbaren Feinde. Der blasse Neid und die schlecht verhohlene Beihilfe mancher neutralen Mächte stützte ihn auf Schritt und Tritt, wie jene befreundeten Götter der antiken Sage, die dem Krieger den Schild vorhielten und den gebrochenen Lanzenschast

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/11
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/11>, abgerufen am 26.06.2024.