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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Hilfe nicht leisten kann, hat die Victoria-Siiftung fruchtbar gewirkt. Sie
geht von dem leitenden Grundsatz aus, daß in allen zweifelhaften Fällen die
dem Unterstützungsbedürftigen günstigste Auslegung der Statuten den Vor¬
zug habe, und ist bestrebt, in möglichst individueller Weise dem jedesmal
hervortretenden Bedürfniß abzuhelfen. Ihre Fürsorge erstreckt sich auf die
Vermittlung von Anstellung und Beschäftigung ihrer Schützlinge, Unterbrin¬
gung der Waisen in Anstalten oder Familien, Förderung durch Empfehlungen
und Cautionen.

Ein gesunder Verwaltungs-Organismus allein hat solche Ergebnisse in
verhältnißmäßig kurzer Zeit möglich gemacht. Die Victoria-Stiftung trägt
nicht den offiziellen Charakter eines Staatsinstituts, der vielmehr bei ihrer
Gründung geflissentlich vermieden worden ist. Ihre Organisation ruht
keineswegs auf seinem strengen Centralisationszprincip. Im Gegentheil ist
der Schwerpunkt von Anfang an in die Zweigvereine gelegt, als die¬
jenigen Organe, welche in unmittelbarer Kenntniß der Personen und Ver¬
hältnisse über Vertheilung und Maß der Unterstützung amj besten zu ent¬
scheiden vermögen. Die Rolle des Central-Comites ist wesentlich eine aus¬
helfende und dazu bestimmt, das Wirken der Zweigvereine zu einer leben¬
digen Gemeinsamkeit zu verbinden und in dieser zu vertreten. Die innere
Organisation der Zweigvereine bleibt deshalb diesen selbst überlassen; ihre
Selbstbestimmung und Selbstthätigkeit ist nirgends beschränkt, sie haben freie
Verfügung über die Verwendung der ihnen zugehenden Mittel. statuten¬
mäßig übernehmen die Zweigvereine nur die Verpflichtung -- von welcher
sie jedoch nach Befinden befreit werden können -- ein Drittheil der eingehen¬
den Beiträge an das Centralcomit^ abzuliefern, welches aus diesen Beständen
und den auf directem Weg ihnen zugewandten Summen den großen Reserve¬
fonds bildet, um überall da zu Hilfe zu kommen, wo Zweigvereine nicht
bestehen oder die Mittel derselben für das vorhandene Bedürfniß nicht aus¬
reichen, und so eine gleichmäßige Fürsorge für alle Theile des Landes herbei¬
zuführen. In dieser wechselseitigen Förderung der Central-Direction durch
die Zweigvereine und dieser durch jene sowie unter einander kommt die Ge¬
meinschaft des ganzen Landes in Erfüllung der nationalen Aufgabe zum gül¬
tigsten Ausdruck.

Indem die neue Jnvalidenstiftung für Deutschland an diese ältere, in
vierjähriger Dauer erprobte Stiftung anknüpft, erhält sie von vornherein die
Bürgschaft eines sicheren Erfolgs. Die Hauptsache ist bereits gegeben durch
den festen Kern, welcher sich die neu hinzutretender Elemente nur zu assimi-
liren hat. Es handelt sich nur darum, die bisher beschränkten Grenzen zu
erweitern und jene Modificationen im Einzelnen einzuführen, welche die
höhere Aufgabe bedingt. Die Grundsätze der Organisation und Verwaltung


Hilfe nicht leisten kann, hat die Victoria-Siiftung fruchtbar gewirkt. Sie
geht von dem leitenden Grundsatz aus, daß in allen zweifelhaften Fällen die
dem Unterstützungsbedürftigen günstigste Auslegung der Statuten den Vor¬
zug habe, und ist bestrebt, in möglichst individueller Weise dem jedesmal
hervortretenden Bedürfniß abzuhelfen. Ihre Fürsorge erstreckt sich auf die
Vermittlung von Anstellung und Beschäftigung ihrer Schützlinge, Unterbrin¬
gung der Waisen in Anstalten oder Familien, Förderung durch Empfehlungen
und Cautionen.

Ein gesunder Verwaltungs-Organismus allein hat solche Ergebnisse in
verhältnißmäßig kurzer Zeit möglich gemacht. Die Victoria-Stiftung trägt
nicht den offiziellen Charakter eines Staatsinstituts, der vielmehr bei ihrer
Gründung geflissentlich vermieden worden ist. Ihre Organisation ruht
keineswegs auf seinem strengen Centralisationszprincip. Im Gegentheil ist
der Schwerpunkt von Anfang an in die Zweigvereine gelegt, als die¬
jenigen Organe, welche in unmittelbarer Kenntniß der Personen und Ver¬
hältnisse über Vertheilung und Maß der Unterstützung amj besten zu ent¬
scheiden vermögen. Die Rolle des Central-Comites ist wesentlich eine aus¬
helfende und dazu bestimmt, das Wirken der Zweigvereine zu einer leben¬
digen Gemeinsamkeit zu verbinden und in dieser zu vertreten. Die innere
Organisation der Zweigvereine bleibt deshalb diesen selbst überlassen; ihre
Selbstbestimmung und Selbstthätigkeit ist nirgends beschränkt, sie haben freie
Verfügung über die Verwendung der ihnen zugehenden Mittel. statuten¬
mäßig übernehmen die Zweigvereine nur die Verpflichtung — von welcher
sie jedoch nach Befinden befreit werden können — ein Drittheil der eingehen¬
den Beiträge an das Centralcomit^ abzuliefern, welches aus diesen Beständen
und den auf directem Weg ihnen zugewandten Summen den großen Reserve¬
fonds bildet, um überall da zu Hilfe zu kommen, wo Zweigvereine nicht
bestehen oder die Mittel derselben für das vorhandene Bedürfniß nicht aus¬
reichen, und so eine gleichmäßige Fürsorge für alle Theile des Landes herbei¬
zuführen. In dieser wechselseitigen Förderung der Central-Direction durch
die Zweigvereine und dieser durch jene sowie unter einander kommt die Ge¬
meinschaft des ganzen Landes in Erfüllung der nationalen Aufgabe zum gül¬
tigsten Ausdruck.

Indem die neue Jnvalidenstiftung für Deutschland an diese ältere, in
vierjähriger Dauer erprobte Stiftung anknüpft, erhält sie von vornherein die
Bürgschaft eines sicheren Erfolgs. Die Hauptsache ist bereits gegeben durch
den festen Kern, welcher sich die neu hinzutretender Elemente nur zu assimi-
liren hat. Es handelt sich nur darum, die bisher beschränkten Grenzen zu
erweitern und jene Modificationen im Einzelnen einzuführen, welche die
höhere Aufgabe bedingt. Die Grundsätze der Organisation und Verwaltung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/98>, abgerufen am 22.12.2024.