Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.der Waffenausfuhr durch, da sonst die Türkei sich über mangelhafte Neutra¬ Dies war der klare und unangreifbare Standpunkt, den Deutschland Ebensowenig glücklich ist Graf Bernstorffs Beweisführung, daß der von der Waffenausfuhr durch, da sonst die Türkei sich über mangelhafte Neutra¬ Dies war der klare und unangreifbare Standpunkt, den Deutschland Ebensowenig glücklich ist Graf Bernstorffs Beweisführung, daß der von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0068" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124774"/> <p xml:id="ID_184" prev="#ID_183"> der Waffenausfuhr durch, da sonst die Türkei sich über mangelhafte Neutra¬<lb/> lität Englands beklagen könne.</p><lb/> <p xml:id="ID_185"> Dies war der klare und unangreifbare Standpunkt, den Deutschland<lb/> einzunehmen hatte um beim Ausbruch des Kriegs das Verbot der Waffen¬<lb/> ausfuhr zu verlangen, welches im Unterhnuse wie im Oberhause befürwortet<lb/> ward und ohne die geringste Schwierigkeit durchgesetzt wäre, wenn die Regie¬<lb/> rung es beantragt hätte. Ob alles, was möglich war, um es durchzusetzen<lb/> geschehen ist, müssen wir dahingestellt sein lassen. War das nun nicht zu<lb/> erreichen, so konnte man später, als die Franzosen große Bestellungen von<lb/> Gewehren in England machten, wohl darauf hinweisen, wie schädlich dies Ver-<lb/> säumniß für Deutschland wirke und wie ungünstig das für die Beziehungen<lb/> beider Länder werden müsse, aber unmöglich konnte man verlangen, daß nun,<lb/> nachdem die Franzosen geschlagen, das Gesetz abgeändert werde. Das thut<lb/> aber Graf Bernstorff in seiner Note. Schon der Standpunkt, von dem er<lb/> ausgeht, ist unglücklich gewählt, indem er versucht, die Lehre von der Neu¬<lb/> tralität nach der politischen Berechtigung eines Krieges zu modificiren. Er<lb/> sagt nämlich im Eingange, daß die öffentliche Meinung Englands wie der<lb/> ganzen Welt den. Kaiser der Franzosen eines Friedensbruches in schlimmster<lb/> Form für schuldig erklärte, daß Deutschland daher berechtigt gewesen, anzu¬<lb/> nehmen, die Neutralität Englands, seines alten Verbündeten gegen napoleo¬<lb/> nische Angriffe, werde wenn auch streng in der Form, doch wohlwollend im<lb/> Geiste sein. Es scheint uns nun sehr wenig zweckmäßig politische Sympa¬<lb/> thien in eine völkerrechtliche Discussion zu bringen. Sollen dieselben, deren<lb/> Grad immerhin schwer zu constatiren sein wird, die Richtschnur sür die Hal¬<lb/> tung der Regierung bilden, so wird dieselbe in dem Maße der einen krieg¬<lb/> führenden Partei feindlich, als sie geZen die andere freundlich wird; denovo-<lb/> lent nöutiÄlitzf für Deutschland wäre malevolönt ueutralit^ gegen Frankreich<lb/> gewesen. Deshalb antwortet Lord Grenville ganz richtig: „sobald ein Neu¬<lb/> traler erlaubt, daß sein Verfahren durch Vorliebe für einen der kriegführen¬<lb/> den Theile beeinflußt wird, hört er auf neutral zu sein".</p><lb/> <p xml:id="ID_186" next="#ID_187"> Ebensowenig glücklich ist Graf Bernstorffs Beweisführung, daß der von<lb/> englischer Seite schon angezogene Fall der Waffen-Aus- und Durchfuhr durch<lb/> Preußen beim Krimmkrieg von dem vorliegenden verschieden sei. Er meint,<lb/> damals habe die öffentliche Meinung Deutschlands es nicht für weise gehalten,<lb/> Napoleon hilfreiche Hand zu leisten und ihn wieder zum Leiter der Geschicke<lb/> Europas zu machen; jener Krieg sei ein Kampf in entlegenen Gegenden für<lb/> weitabliegende Zwecke von vier Staaten gegen einen einzigen geführt, kein<lb/> Streit auf Leben und Tod zwischen zwei gleich starken Nationen wie der<lb/> gegenwärtige. Glaubt der Botschafter wirklich mit solchen Argumenten Ein¬<lb/> druck zu machen, die völkerrechtlich doch augenscheinlich ganz indifferent sind?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
der Waffenausfuhr durch, da sonst die Türkei sich über mangelhafte Neutra¬
lität Englands beklagen könne.
Dies war der klare und unangreifbare Standpunkt, den Deutschland
einzunehmen hatte um beim Ausbruch des Kriegs das Verbot der Waffen¬
ausfuhr zu verlangen, welches im Unterhnuse wie im Oberhause befürwortet
ward und ohne die geringste Schwierigkeit durchgesetzt wäre, wenn die Regie¬
rung es beantragt hätte. Ob alles, was möglich war, um es durchzusetzen
geschehen ist, müssen wir dahingestellt sein lassen. War das nun nicht zu
erreichen, so konnte man später, als die Franzosen große Bestellungen von
Gewehren in England machten, wohl darauf hinweisen, wie schädlich dies Ver-
säumniß für Deutschland wirke und wie ungünstig das für die Beziehungen
beider Länder werden müsse, aber unmöglich konnte man verlangen, daß nun,
nachdem die Franzosen geschlagen, das Gesetz abgeändert werde. Das thut
aber Graf Bernstorff in seiner Note. Schon der Standpunkt, von dem er
ausgeht, ist unglücklich gewählt, indem er versucht, die Lehre von der Neu¬
tralität nach der politischen Berechtigung eines Krieges zu modificiren. Er
sagt nämlich im Eingange, daß die öffentliche Meinung Englands wie der
ganzen Welt den. Kaiser der Franzosen eines Friedensbruches in schlimmster
Form für schuldig erklärte, daß Deutschland daher berechtigt gewesen, anzu¬
nehmen, die Neutralität Englands, seines alten Verbündeten gegen napoleo¬
nische Angriffe, werde wenn auch streng in der Form, doch wohlwollend im
Geiste sein. Es scheint uns nun sehr wenig zweckmäßig politische Sympa¬
thien in eine völkerrechtliche Discussion zu bringen. Sollen dieselben, deren
Grad immerhin schwer zu constatiren sein wird, die Richtschnur sür die Hal¬
tung der Regierung bilden, so wird dieselbe in dem Maße der einen krieg¬
führenden Partei feindlich, als sie geZen die andere freundlich wird; denovo-
lent nöutiÄlitzf für Deutschland wäre malevolönt ueutralit^ gegen Frankreich
gewesen. Deshalb antwortet Lord Grenville ganz richtig: „sobald ein Neu¬
traler erlaubt, daß sein Verfahren durch Vorliebe für einen der kriegführen¬
den Theile beeinflußt wird, hört er auf neutral zu sein".
Ebensowenig glücklich ist Graf Bernstorffs Beweisführung, daß der von
englischer Seite schon angezogene Fall der Waffen-Aus- und Durchfuhr durch
Preußen beim Krimmkrieg von dem vorliegenden verschieden sei. Er meint,
damals habe die öffentliche Meinung Deutschlands es nicht für weise gehalten,
Napoleon hilfreiche Hand zu leisten und ihn wieder zum Leiter der Geschicke
Europas zu machen; jener Krieg sei ein Kampf in entlegenen Gegenden für
weitabliegende Zwecke von vier Staaten gegen einen einzigen geführt, kein
Streit auf Leben und Tod zwischen zwei gleich starken Nationen wie der
gegenwärtige. Glaubt der Botschafter wirklich mit solchen Argumenten Ein¬
druck zu machen, die völkerrechtlich doch augenscheinlich ganz indifferent sind?
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