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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Soldaten gleich ihrem Vorsteher gehorchend, vollziehen, hätten sich den Trans¬
port Verwundeter zum Lebensberuf auserkoren. Uebung macht den Meister.
Und zur Uebung hat uns diese Zeit wahrlich Gelegenheit genug gegeben.
Denn seit dem Gefecht von Weißenburg sind wenige Tage vergangen, wo
nicht entweder ganze Verwundeten-Züge hier ankamen, oder aus transitirenden
derartigen Zügen einzelne Unglückliche hier ausgeladen werden mußten.

Nicht so vielfältig, wie im inneren, sind wir im auswärtigen Verwun¬
deten-Transport-Dienst beschäftigt gewesen. Es sind wohl mit hier ausge¬
rüsteten Transportzügen einige Tausend Verwundete aus den Feldlazaretten
der Pfalz, des Elsaß, Lothringens von Mannschaften unseres Vereins hier¬
hergebracht; es sind von solchen Mannschaften Verwundeten-Züge in regel¬
mäßigem Dienste auf den Etappen Nanzig-Saarburg und Saarburg-Weißen¬
burg begleitet worden; aber viel häufiger haben wir theils ausdrücklichen
Befehl der competenten Stelle, theils direct an uns. ergangenen Nothruf
folgend, vergeblich in solchem Dienst zu helfen versucht. Das gewöhnliche
Schicksal einer so oder so in Dienst gerufenen, vollständig ausgerüstet aus¬
rückenden Abtheilung unseres sür den auswärtigen Dienst bestimmten Hilfs¬
corps bestand darin, an irgend einem Punkte zwischen hier und dem Be¬
stimmungsorte zurückgewiesen zu werden und unverrichteter Sache von dort
heimkehren zu müssen. Und zwar erfolgte diese Zurückweisung oft trotz vor¬
handener augenscheinlicher Noth, trotz dringendsten Bedarfes an geschulten,
hilfsreichen Kräften, sie geschah oft in der allerverletzendsten Weise, sie ge¬
schah in der Regel von Stellen aus, welche denjenigen bei- oder untergeordnet
waren, von denen aus der Befehl ergangen war.

Und hier sehe ich mich zu einigen Bemerkungen veranlaßt, welche der
gesammten Organisation der freiwilligen Verwundetenpflege gelten, und viel-,
leicht um so mehr einige Beherzigung für die Zukunft verdienen, als sie nicht
auf meinen Erfahrungen allein, sondern auf denen vieler Männer beruhen,
welche jenem patriotischen Dienste in diesem Kriege ihre ganze Zeit und Kraft
gewidmet haben.

Wenn man gewahrt, daß nach blutigen Gefechten, denen ein rascher Vor¬
marsch der siegreichen Truppen und also auch der regulären Sarnath-Abthei-
lungen folgt, die Verwundeten oft Tage lang in den Noth- oder Feldlazarethen,
wohin sie von den Verbandsplätzen aus transportirt wurden, oder gar auf
dem Schlachtfelde ohne Hilfe liegen bleiben, während in benachbarten Städten,
oder ganz in der Nähe des Schlachtfeldes tausende von geschulten Kranken¬
trägern oder Krankenpflegern zur Verfügung sind, welche nur nicht eingreifen
können, weil sie schnöde, oft gewaltsam zurückgewiesen werden, oder welche
nicht planmäßig arbeiten können, weil es an jeder durchgreifenden Oberleitung
und an jedem Kommando fehlt, so kann man nicht umhin, zu schließen, daß


Soldaten gleich ihrem Vorsteher gehorchend, vollziehen, hätten sich den Trans¬
port Verwundeter zum Lebensberuf auserkoren. Uebung macht den Meister.
Und zur Uebung hat uns diese Zeit wahrlich Gelegenheit genug gegeben.
Denn seit dem Gefecht von Weißenburg sind wenige Tage vergangen, wo
nicht entweder ganze Verwundeten-Züge hier ankamen, oder aus transitirenden
derartigen Zügen einzelne Unglückliche hier ausgeladen werden mußten.

Nicht so vielfältig, wie im inneren, sind wir im auswärtigen Verwun¬
deten-Transport-Dienst beschäftigt gewesen. Es sind wohl mit hier ausge¬
rüsteten Transportzügen einige Tausend Verwundete aus den Feldlazaretten
der Pfalz, des Elsaß, Lothringens von Mannschaften unseres Vereins hier¬
hergebracht; es sind von solchen Mannschaften Verwundeten-Züge in regel¬
mäßigem Dienste auf den Etappen Nanzig-Saarburg und Saarburg-Weißen¬
burg begleitet worden; aber viel häufiger haben wir theils ausdrücklichen
Befehl der competenten Stelle, theils direct an uns. ergangenen Nothruf
folgend, vergeblich in solchem Dienst zu helfen versucht. Das gewöhnliche
Schicksal einer so oder so in Dienst gerufenen, vollständig ausgerüstet aus¬
rückenden Abtheilung unseres sür den auswärtigen Dienst bestimmten Hilfs¬
corps bestand darin, an irgend einem Punkte zwischen hier und dem Be¬
stimmungsorte zurückgewiesen zu werden und unverrichteter Sache von dort
heimkehren zu müssen. Und zwar erfolgte diese Zurückweisung oft trotz vor¬
handener augenscheinlicher Noth, trotz dringendsten Bedarfes an geschulten,
hilfsreichen Kräften, sie geschah oft in der allerverletzendsten Weise, sie ge¬
schah in der Regel von Stellen aus, welche denjenigen bei- oder untergeordnet
waren, von denen aus der Befehl ergangen war.

Und hier sehe ich mich zu einigen Bemerkungen veranlaßt, welche der
gesammten Organisation der freiwilligen Verwundetenpflege gelten, und viel-,
leicht um so mehr einige Beherzigung für die Zukunft verdienen, als sie nicht
auf meinen Erfahrungen allein, sondern auf denen vieler Männer beruhen,
welche jenem patriotischen Dienste in diesem Kriege ihre ganze Zeit und Kraft
gewidmet haben.

Wenn man gewahrt, daß nach blutigen Gefechten, denen ein rascher Vor¬
marsch der siegreichen Truppen und also auch der regulären Sarnath-Abthei-
lungen folgt, die Verwundeten oft Tage lang in den Noth- oder Feldlazarethen,
wohin sie von den Verbandsplätzen aus transportirt wurden, oder gar auf
dem Schlachtfelde ohne Hilfe liegen bleiben, während in benachbarten Städten,
oder ganz in der Nähe des Schlachtfeldes tausende von geschulten Kranken¬
trägern oder Krankenpflegern zur Verfügung sind, welche nur nicht eingreifen
können, weil sie schnöde, oft gewaltsam zurückgewiesen werden, oder welche
nicht planmäßig arbeiten können, weil es an jeder durchgreifenden Oberleitung
und an jedem Kommando fehlt, so kann man nicht umhin, zu schließen, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/60>, abgerufen am 22.12.2024.