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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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schnell Scheiternde Verschwörung sogar die Republik nach dem Muster Genfs
herzustellen. Mit den übrigen Hugenotten kämpften die Metzer unter Cler-
vant treulich für Heinrich III. und IV. und halfen als gute Royalisten dem
Hause Bourbon zum Siege; dafür gewährte ihnen das Edict von Nantes
(1698) eine Kirche, ein Consistorium, sowie Antheil an dem Rathe der Drei-
zehn und Metz ward einer der Mittelpunkte für ihren Cultus, wie es nicht
minder das damals völlig reformirte Sedan war.

Wenn in dem evangelischen Bekenntniß trotz seines französischen Geprä¬
ges noch ein geistiges Band, ein Zug der Verwandtschaft lag. der die Metzer
auf ihre ehemaligen Neichsgenosfen hinwies, so sollte auch dieser noch aus¬
getilgt werden. Schon unter Richelieu wurden die Calvinisten entwaffnet,
ihre Kirche verlegt, ihr neues Collegium nach kurzer Blüthe unterdrückt und
Jesuiten und Capuziner bewirkten als Bekehrer manche Uebertritte. Aber
alles dies war nur ein geringes Vorspiel zu jener schmachvollen Verfolgung,
die für die Regierung Ludwigs XIV. einen ewigen Schandfleck bildet. Durch
eine Reihe abscheulicher, sich immer steigernder Gewaltschritte, welche das
Metzer Parlament treulich beförderte, durch völlige Aufhebung des Edietes
von Nantes zuletzt ward in den Jahren 1679--1685 in Metz wie im übri¬
gen Frankreich äußerlich jede Spur des reformirten Bekenntnisses ausgelöscht,
dem reichlich noch ein Drittel der Einwohner angehörte. Der größte Theil
der Verfolgten, 12--18.000 wanderte nach und nach aus, nur 1700 heim¬
liche Calvinisten blieben zurück. AuKeutschem Boden, in dem alten Heimath¬
lande fanden sie die Freiheit des Glaubens wieder, für die sie freudig alles
opferten. Unter den Auswanderern befand sich der als Geschichtschreiber um
seine Vaterstadt hochverdiente Joseph Ancillon, dessen kostbare Bibliothek von
fanatischen Mönchen verbrannt wurde, mit ihm ein Bruder und ein Neffe:
alle drei beschlossen ihre Leben in Berlin, wo sie, wie ihre Nachkommen in
hohem Ansehen blieben. Paul von Savigny, der Ahnherr des berühmten
Juristen, war schon früher (1630) als achtjähriger Knabe aus seiner Vater¬
stadt Metz in die deutsche Grafschaft Leiningen übergesiedelt.

Fragen wir zum Schlüsse nach den Ergebnissen der dreihundertjährigen
französischen Herrschaft für Metz, so fällt zuerst in die Augen, daß es eine krie¬
gerische Stadt jederzeit geblieben ist, einer der ersten Wasserplätze und Aus¬
fallsthore Frankreichs, an dessen Verstärkung viele Geschlechter bis auf die
Gegenwart gearbeitet haben. Diese Eigenschaft machte Metz nach dem Erlöschen
der eigenen Wehrkraft zum ständigen Aufenthalte einer zahllosen Besatzung
und ließ es. obgleich kein Feind seine Mauern überstieg, an allen Leiden der
französischen Eroberungskriege reichlichen Antheil genießen. Schloß sich doch
gerade an das Metzer Parlament eine jener berüchtigten Reunionskammern
an, durch welche Ludwig XIV. den Länderraub in ein System brachte. Wie


schnell Scheiternde Verschwörung sogar die Republik nach dem Muster Genfs
herzustellen. Mit den übrigen Hugenotten kämpften die Metzer unter Cler-
vant treulich für Heinrich III. und IV. und halfen als gute Royalisten dem
Hause Bourbon zum Siege; dafür gewährte ihnen das Edict von Nantes
(1698) eine Kirche, ein Consistorium, sowie Antheil an dem Rathe der Drei-
zehn und Metz ward einer der Mittelpunkte für ihren Cultus, wie es nicht
minder das damals völlig reformirte Sedan war.

Wenn in dem evangelischen Bekenntniß trotz seines französischen Geprä¬
ges noch ein geistiges Band, ein Zug der Verwandtschaft lag. der die Metzer
auf ihre ehemaligen Neichsgenosfen hinwies, so sollte auch dieser noch aus¬
getilgt werden. Schon unter Richelieu wurden die Calvinisten entwaffnet,
ihre Kirche verlegt, ihr neues Collegium nach kurzer Blüthe unterdrückt und
Jesuiten und Capuziner bewirkten als Bekehrer manche Uebertritte. Aber
alles dies war nur ein geringes Vorspiel zu jener schmachvollen Verfolgung,
die für die Regierung Ludwigs XIV. einen ewigen Schandfleck bildet. Durch
eine Reihe abscheulicher, sich immer steigernder Gewaltschritte, welche das
Metzer Parlament treulich beförderte, durch völlige Aufhebung des Edietes
von Nantes zuletzt ward in den Jahren 1679—1685 in Metz wie im übri¬
gen Frankreich äußerlich jede Spur des reformirten Bekenntnisses ausgelöscht,
dem reichlich noch ein Drittel der Einwohner angehörte. Der größte Theil
der Verfolgten, 12—18.000 wanderte nach und nach aus, nur 1700 heim¬
liche Calvinisten blieben zurück. AuKeutschem Boden, in dem alten Heimath¬
lande fanden sie die Freiheit des Glaubens wieder, für die sie freudig alles
opferten. Unter den Auswanderern befand sich der als Geschichtschreiber um
seine Vaterstadt hochverdiente Joseph Ancillon, dessen kostbare Bibliothek von
fanatischen Mönchen verbrannt wurde, mit ihm ein Bruder und ein Neffe:
alle drei beschlossen ihre Leben in Berlin, wo sie, wie ihre Nachkommen in
hohem Ansehen blieben. Paul von Savigny, der Ahnherr des berühmten
Juristen, war schon früher (1630) als achtjähriger Knabe aus seiner Vater¬
stadt Metz in die deutsche Grafschaft Leiningen übergesiedelt.

Fragen wir zum Schlüsse nach den Ergebnissen der dreihundertjährigen
französischen Herrschaft für Metz, so fällt zuerst in die Augen, daß es eine krie¬
gerische Stadt jederzeit geblieben ist, einer der ersten Wasserplätze und Aus¬
fallsthore Frankreichs, an dessen Verstärkung viele Geschlechter bis auf die
Gegenwart gearbeitet haben. Diese Eigenschaft machte Metz nach dem Erlöschen
der eigenen Wehrkraft zum ständigen Aufenthalte einer zahllosen Besatzung
und ließ es. obgleich kein Feind seine Mauern überstieg, an allen Leiden der
französischen Eroberungskriege reichlichen Antheil genießen. Schloß sich doch
gerade an das Metzer Parlament eine jener berüchtigten Reunionskammern
an, durch welche Ludwig XIV. den Länderraub in ein System brachte. Wie


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[0502] schnell Scheiternde Verschwörung sogar die Republik nach dem Muster Genfs herzustellen. Mit den übrigen Hugenotten kämpften die Metzer unter Cler- vant treulich für Heinrich III. und IV. und halfen als gute Royalisten dem Hause Bourbon zum Siege; dafür gewährte ihnen das Edict von Nantes (1698) eine Kirche, ein Consistorium, sowie Antheil an dem Rathe der Drei- zehn und Metz ward einer der Mittelpunkte für ihren Cultus, wie es nicht minder das damals völlig reformirte Sedan war. Wenn in dem evangelischen Bekenntniß trotz seines französischen Geprä¬ ges noch ein geistiges Band, ein Zug der Verwandtschaft lag. der die Metzer auf ihre ehemaligen Neichsgenosfen hinwies, so sollte auch dieser noch aus¬ getilgt werden. Schon unter Richelieu wurden die Calvinisten entwaffnet, ihre Kirche verlegt, ihr neues Collegium nach kurzer Blüthe unterdrückt und Jesuiten und Capuziner bewirkten als Bekehrer manche Uebertritte. Aber alles dies war nur ein geringes Vorspiel zu jener schmachvollen Verfolgung, die für die Regierung Ludwigs XIV. einen ewigen Schandfleck bildet. Durch eine Reihe abscheulicher, sich immer steigernder Gewaltschritte, welche das Metzer Parlament treulich beförderte, durch völlige Aufhebung des Edietes von Nantes zuletzt ward in den Jahren 1679—1685 in Metz wie im übri¬ gen Frankreich äußerlich jede Spur des reformirten Bekenntnisses ausgelöscht, dem reichlich noch ein Drittel der Einwohner angehörte. Der größte Theil der Verfolgten, 12—18.000 wanderte nach und nach aus, nur 1700 heim¬ liche Calvinisten blieben zurück. AuKeutschem Boden, in dem alten Heimath¬ lande fanden sie die Freiheit des Glaubens wieder, für die sie freudig alles opferten. Unter den Auswanderern befand sich der als Geschichtschreiber um seine Vaterstadt hochverdiente Joseph Ancillon, dessen kostbare Bibliothek von fanatischen Mönchen verbrannt wurde, mit ihm ein Bruder und ein Neffe: alle drei beschlossen ihre Leben in Berlin, wo sie, wie ihre Nachkommen in hohem Ansehen blieben. Paul von Savigny, der Ahnherr des berühmten Juristen, war schon früher (1630) als achtjähriger Knabe aus seiner Vater¬ stadt Metz in die deutsche Grafschaft Leiningen übergesiedelt. Fragen wir zum Schlüsse nach den Ergebnissen der dreihundertjährigen französischen Herrschaft für Metz, so fällt zuerst in die Augen, daß es eine krie¬ gerische Stadt jederzeit geblieben ist, einer der ersten Wasserplätze und Aus¬ fallsthore Frankreichs, an dessen Verstärkung viele Geschlechter bis auf die Gegenwart gearbeitet haben. Diese Eigenschaft machte Metz nach dem Erlöschen der eigenen Wehrkraft zum ständigen Aufenthalte einer zahllosen Besatzung und ließ es. obgleich kein Feind seine Mauern überstieg, an allen Leiden der französischen Eroberungskriege reichlichen Antheil genießen. Schloß sich doch gerade an das Metzer Parlament eine jener berüchtigten Reunionskammern an, durch welche Ludwig XIV. den Länderraub in ein System brachte. Wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/502>, abgerufen am 22.12.2024.